Firmen, die heute etwas aus sich halten, preisen ihre Nachhaltigkeitsstrategien auf allen Kanälen an. Kein Wunder, ist Nachhaltigkeit (engl. Sustainability) doch Teil des Megatrends Neo-Ökologie – der nichts anderes besagt, als dass Nachhaltigkeit weltweit zum wichtigen Wirtschaftsfaktor wird. Kaum ein Unternehmen kann sich diesem globalen Megatrend entziehen und es sich heute noch leisten, nicht nachhaltig zu sein. Das gilt insbesondere für die Sport- und Outdoor-Industrie.
Sind also ab sofort alle Firmen nachhaltig, weil es nicht nur das ökologische Gewissen, sondern auch der aufgeklärte Konsument fordert? Nicht unbedingt. Denn während sich viele Firmen wirklich aus tiefster Überzeugung dem ökologischen Handeln verschrieben haben, versuchen andere alles, um den Eindruck zu vermitteln, grün zu sein. Für sie ist Ökologie ein Feigenblatt – also sogenanntes Green Marketing oder im schlimmsten Falle sogar Greenwashing. Was genau Greenwashing ist, wie man es erkennen und vermeiden kann und wie Nachhaltigkeit in der Sport- und Outdoorbranche gelebt wird, erfährst Du in diesem Beitrag, der im Rahmen unserer Berichterstattung rund um den Megatrend Neo-Ökologie und Nachhaltigkeit entstanden ist.
Greenwashing kommt aus dem Englischen. Der Begriff ist an die „Geldwäsche“ angelehnt und soll Umsätze des Unternehmens aufgrund seiner vermeintlichen Nachhaltigkeit steigern. Es bezeichnet eine Methode, um die eigenen Aktivitäten des Unternehmens in einem umweltfreundlicheren Licht darzustellen. PR- und Marketingabteilungen arbeiten gezielt daran, dem Unternehmen ein „grünes Images“ zu verleihen. Manchmal spricht man auch von „Grünfärberei“. Dabei ist dieses Vorgehen kein Kavaliersdelikt. Es kommt nicht selten vor, dass Unternehmen mit falschen Werbeaussagen arbeiten und damit Kund*innen in die Irre führen. Und das ist strafbar. Wie zum Beispiel im Falle von Walmart: Walmart wird 3 Millionen US-Dollar an zivilrechtlichen Strafen zahlen, nachdem die Federal Trade Commission Klage gegen den Einzelhändler wegen „irreführender grüner Behauptungen“ eingereicht hat, die Walmart über einige Textilprodukte aufgestellt hat. Demnach habe Walmart fälschlicherweise verbreitet, zwei Dutzend Textilartikel aus Bambus und umweltfreundlich hergestellt zu haben, obwohl die Artikel tatsächlich aus Viskose hergestellt wurden, der wiederum umweltschädlich ist.
Auf Greenwashing setzen Unternehmen vor allem in der Öffentlichkeitsarbeit. Sie verwenden gezielt Buzzwords oder Slogan, um Produkte und Aktivitäten des Unternehmens in einem grünen Licht dastehen zu lassen. Beliebte Aussagen sind zum Beispiel, dass das Unternehmen den Kampf gegen Armut unterstützt, Produkte ökologisch herstellt oder auf fairen Handel ohne Ausbeutung setzt. Nachprüfen lassen sich diese Aussagen allerdings in der Regel nur von Experten.
Unternehmen nutzen gerne unterschiedlichste Methoden, um besser dazustehen:
- sie nutzen erfundene oder unseriöse Siegel;
- bewerben mit irreführenden Aussagen;
- sie vergleichen das eigene – nicht umweltfreundliche Produkt – mit einem noch umweltschädlicheren Produkt;
- sie treffen oft vage Aussagen, die auf ein grüneres Image hindeuten, aber von den Kund*innen nicht wirklich verifizierbar sind.
Dabei zielt Greenwashing nicht nur auf Endkund*innen ab, sondern auch auf Politik und Lobby. Denn wird ein Unternehmen als nachhaltig eingestuft, kann es Ziele in der täglichen Arbeit oft viel leichter erreichen.
Was die Endkund*innen betrifft, wiegt sich natürlich jeder gerne in dem Glauben, etwas Gutes für die Umwelt getan zu haben. Wenn wir ein „grünes Produkt“ kaufen, gibt es ein gutes Gefühl und beruhigt das eigene Gewissen. Außerdem wissen Unternehmen sehr genau, dass sich mit „grünen Produkten“ höhere Preise erzielen lassen.
Betreiben Unternehmen Greenwashing, täuschen sie die Konsument*innen also in zweierlei Hinsicht: einmal mit der Produktqualität und ein zweites Mal durch den nicht gerechtfertigten hohen Preis.
Wird mit fairen Arbeitsbedingungen und ökologischen Standards in Südostasien geworben, lässt sich das für Kund*innen in Deutschland nur schwer nachvollziehen.
Ein weiteres Problem, das auch Firmen betrifft, die sich wirklich nachhaltig verhalten, sind Skandale im Hinblick auf Greenwashing. Denn ein einziger Skandal kann eine ganze Branche schädigen.
Zudem zahlen Kund*innen überteuerte Preise für ein vergeblich nachhaltiges Produkt, das in Wirklichkeit alles andere als nachhaltig ist. Ihnen entsteht also ein finanzieller Schaden.
In der Realität ist es meist nicht der Fall, dass Unternehmen im Bereich ihrer Umweltaktivitäten „schamlos lügen“. Vielmehr ist es beim Greenwashing so, dass Unternehmen einzelne, nachhaltige Leistung offensiv bewerben. Über diese Leistungen bildet sich die öffentliche Meinung und das Unternehmen als Gesamtes erscheint in einem „grünen Licht“. Dann stimmt zwar die Aussage über die nachhaltigen Leistungen. Doch wenn der Großteil der Produkte trotzdem unter prekären Bedingungen und durch Verstöße gegen den Umweltschutz hergestellt wird, ist das eine Täuschung. Der Effekt, der hier genutzt wird, nennt sich Haloeffekt. Denn eine einzige nachhaltige Aktivität kann dabei alle anderen Unternehmenstätigkeiten positiv überlagern.
Um als Kund*in nicht selbst auf Greenwashing hereinzufallen, ist nach wie vor viel Recherche nötig. Dabei hilft es zum Beispiel, den Nachhaltigkeitsbericht eines Unternehmens aufmerksam zu lesen. Daraus lässt sich im besten Fall erkennen, in welchen Unternehmenssparten wirklich nachhaltig gehandelt wird. Dabei ist es immer wichtig, dass die Aktivitäten des Unternehmens auch von einer unabhängigen Stelle nachgeprüft und verifiziert worden sind. Kritisch ist es, wenn sich im Nachhaltigkeitsbericht nur unternehmenseigene Angaben finden. Wenn diese nicht von außen nachprüfbar sind, kann das bereits ein erstes Anzeichen für Greenwashing sein.
Außerdem ist es ratsam, auf Siegel zu achten. Es gibt viele Nachhaltigkeitssiegel, die wirklich nachhaltiges Handeln bezeugen. Sie werden nur an Unternehmen vergeben, deren Handeln wirklich nachhaltig, ressourcenschonend oder ökologisch ist. Für den Bereich der Outdoor-Produkte sind das zum Beispiel die Siegel der folgenden Organisationen:
- das bluesign-Siegel
- der Global Organic Textile Standard (GOTS)
- der Responsible Wool Standard (RSW)
- der Responsible Down Standard (RDS)
- Fair Wear Foundation (FWF)
Die Klimakrise ist nicht mehr zu leugnen und zeigt sich an vielen Beispielen:
- die Bedrohung und das Sterben vieler Arten
- die Abholzung des Regenwaldes
- die Verschmutzung der Meere
- das Schmelzen der Gletscher
- die Zunahme von extremen Wettereignissen, wie Überschwemmungen und Dürre
Daher ist es gut und richtig, dass immer mehr Firmen auf Nachhaltigkeit setzen. Um Nachhaltigkeit zu erreichen, kann man sich dreier Strategien bedienen:
- Suffizienzstrategie: das Wort kommt vom lateinischen Wort “sufficere”, was übersetzt „ausreichen“ bedeutet. Bei dieser Strategie geht es darum, Produktion und Konsum zu verringern.
- Effizienzstrategie: hierbei ist das Ziel, die vorhandenen Ressourcen effizienter zu nutzen und so Inputfaktoren und Energie zu sparen.
- Konsistenzstrategie: Wenn Unternehmen diese Strategie verfolgen, setzen sie darauf, naturverträgliche Kreisläufe zu etablieren, Dinge wiederzuverwenden und Müll zu vermeiden.
Natürlich können diese Strategien auch kombiniert werden.
Die Outdoorbranche ist seit jeher eine Branche mit einem hohen Innovationsgrad und einer Vielzahl an neuen Produkten. Wer einmal eine der großen Outdoor- und Sportmessen besucht, kann dies mit eigenen Augen betrachten. Ständig werden neue Materialien entwickelt und getestet. Und immer wieder schaffen es Technologien aus der Branche mit etwas Zeitversatz in den Alltag der Normalverbraucher*innen.
Abgesehen davon haben sich viele Akteure in der Sport- und Outdoorbranche dem Nachhaltigkeitsgedanken verschrieben. Denn das spiegelt auch das Verhalten der Kund*innengruppe wider. Menschen, die Outdoor-Artikeln kaufen, verbringen gerne Zeit in der Natur. Sie möchten daher natürlich, dass die Natur in all ihrer Schönheit erhalten bleibt. Daher steigt die Nachfrage nach nachhaltig, fair und ökologisch erzeugten Artikeln Jahr für Jahr.
Und die Kund*innen sind wissbegierig. Sie hinterfragen den Einsatz von Rohstoffen, die Arbeitsbedingungen, die Lieferketten oder die Möglichkeiten, das Produkt später zu recyclen.
Dabei haben die Unternehmen der Outdoorbranche inzwischen viele Ansatzpunkte gefunden, um nachhaltiger zu produzieren und zu wirtschaften. Davon zeugen verschiedene Brancheninitiativen.
In der Outdoorbranche tut sich viel im Bereich Nachhaltigkeit. Das „Bündnis für nachhaltige Textilien“, das bereits im Jahr 2014 gegründet wurde, zählt heute über 160 Mitglieder. Im Programm „Zero Discharge of Hazardous Chemicals“ (ZDHC) haben sich 19 Unternehmen im Bereich Outdoor, Sport und Textilien zusammengeschlossen. Das gemeinsame Ziel ist es, bedenkliche Stoffe in der Produktion von Textilien zu eliminieren. Ein weiteres wichtiges Puzzlestück stellt die europäische REACH-Verordnung dar. Darin geht es um die Eliminierung von kritischen Stoffen in der Textilproduktion. Für die Hersteller ist die Umsetzung nicht immer ganz einfach. Denn Funktionstextilien müssen viele Anforderungen erfüllen. Und diese sind teilweise nur durch den Einsatz kritischer, chemischer Stoffe zu erfüllen.
Um naturverträglicher zu handeln, setzen viele Outdoor-Hersteller inzwischen auf Naturfasern statt Kunstfasern. Denn Kritiker sehen den Einsatz vieler kunststoff- und somit erdölbasierter Produkte in der Outdoor-Industrie schon lange kritisch. Doch nun suchen immer mehr Hersteller nach Alternativen und setzen Naturprodukte ein. So gibt es Isolationsjacken, deren Wärmewirkung auf Wolle und nicht auf Kunstfasern basiert. Das Gleiche gilt für Funktionswäsche.
Merinowolle verfügt über perfekte Eigenschaften als Base Layer. Wenn Firmen darauf achten, dass bei der Gewinnung der Wolle auf Mulesing verzichtet wird, ist Merino eine gute Sache. Mulesing bezeichnet eine Praxis, bei denen die Haut rund um den Schwanz entfernt wird. Das ist wichtig, um einen Befall mit Fliegenmaden zu verhindern. Leider wird das in Australien und Neuseeland noch immer ohne Betäubung durchgeführt.
Einige Outdoor-Hersteller nutzen inzwischen auch recycelte Materialien. Dazu gehören zum Beispiel alte PET-Falschen, Fischernetze oder auch Tetrapaks.
Andere Hersteller haben Hanf für ihre Zwecke (wieder-)entdeckt. Hanf ist wahrscheinlich die älteste Nutzpflanze der Welt und ist ideal für Bekleidung.
Ein weiterer Pfeiler in der Nachhaltigkeitsentwicklung ist das Design. Denn es ist durchaus möglich, Produkte langlebig zu gestalten. Wer ein Kleidungsstück lange trägt, vermeidet Müll und schont Ressourcen.
Aufgrund der Vorreiterrolle im Bereich der Nachhaltigkeit gibt es im Outdoorbereich viele Unternehmen, die sich diesem Thema verschrieben haben. Namen, die in Bezug auf Nachhaltigkeit immer wieder fallen, sind:
- Bleed
- Klättermusen
- Patagonia
- Vaude
- Pyua
Das bayrische Label bleed stellt vegane Kleidung her. Dazu setzt das Unternehmen auf Baumwolle in Bioqualität, Hanf, Tencel, Kork oder recyceltes Polyester.
Das Unternehmen Vaude aus dem baden-württembergischen Tettnang hat sich zum Ziel gesetzt, der umweltfreundlichste Outdoor-Hersteller in ganz Europa zu werden. Dazu hat Vaude bereits fast alle per- und polyfluorierte Chemikalien (PFC) aus seinen Artikeln eliminieren können. Zudem ist der Hersteller Mitglied bei der Fair Wear Association. Und Vaude bekennt sich darüber hinaus zum Gemeinwohl und erstellt eine Gemeinwohl-Bilanz, die von externen Gutachtern geprüft wird.
Die kalifornische Outdoormarke Patagonia setzt sich schon seit den 1970er Jahren für ein umweltverträgliches Handeln ein. Viele Kleidungsstücke von Patagonia sind Bluesign-zertifiziert und der Hersteller ist Mitglied der Fair Labor Association. Bei den eingesetzten Daunen achtet Patagonia darauf, dass sie ohne Tierleid gewonnen wurden. Außerdem bietet Patagonia spezielle Programme für Recycling und Reparatur der Kleidung an, um dem nachhaltigen Kreislaufgedanken Rechnung zu tragen.
Klättermusen ist eine schwedische Firma. Das Unternehmen stellt inzwischen 90 % der verwendeten Nylonfasern aus Abfällen, wie Verpackungen, alten Teppichen oder gebrauchten Fischernetzen her.
Pyua nutzt für seine Artikel PET-Flaschen und versucht die eigenen Produkte so zu gestalten, dass sie sich recyclen lassen. Das Unternehmen wurde in der Vergangenheit immer wieder mit Nachhaltigkeitspreisen ausgezeichnet.
Nachhaltigkeit ist wichtiger als je zuvor – unabhängig von der Branche. Nicht nur, weil Neo-Ökologie ein globaler Megatrend ist, sondern weil ökologisches und nachhaltiges Handeln nunmal über die Zukunft unserer Welt entscheiden. Leider nutzen manche Unternehmen dieses Thema vor allem für Marketingzwecke, ohne ihr eigenes Handeln danach auszurichten, betreiben also Green Marketing oder Greenwashing. Doch es gibt zahlreiche positive Beispiele für Nachhaltigkeit, besonders in der Sport- und Outdoorbranche. Externe Siegel und das aufmerksame Lesen der veröffentlichten Nachhaltigkeitsberichte schaffen hier Klarheit.
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