Bildcredit:
Christian Schneidermeier
Bildcredit:
Christian Schneidermeier
Challenges of a CEO/15.05.2023

„Alles, was im Übermaß stattfindet, ist nicht nachhaltig“

Wir benötigen Ihre Zustimmung, um die Bewertungsfunktion zu aktivieren!

Diese Funktion ist nur verfügbar, wenn eine entsprechende Zustimmung erteilt wurde. Bitte lesen Sie die Details und akzeptieren Sie den Service, um die Bewertungsfunktion zu aktivieren.

Bewerten
Merken

Christian Schneidermeier kann man nicht zur Riege der klassischen Geschäftsführer zählen. Im Gespräch mit dem CEO von Ortovox, Bergsportausrüster aus Bayern, wird schnell klar: Dem Mann geht es nicht primär um Wachstum und Profit. Seine Entscheidungen zielen darauf ab, das zu schützen, was er, seine Mitarbeitenden und die Kundschaft von Ortovox lieben: die Berge.

Die Liste der Maßnahmen dafür ist länger als die des Ortovox-Produktsortiments: ein Reparaturservice und Second-Life-Onlineshop, um die Lebenszeit der Bergsportausrüstung zu verlängern; das Engagement in Organisationen wie der Fair-Wear-Foundation, um gemeinsam mit anderen Outdoor-Brands die Bedingungen an den Produktionsorten zu verbessern; ein Koch, der seine Mitarbeitenden am Standort Taufkirchen mit regionalen Bio-Lebensmitteln verpflegt; eine digitale Info-Plattform, die über verantwortungsvollen Bergsport aufklärt. Sogar einen Dokumentarfilm über die Alpen hat Ortovox gedreht. 

Dem Unternehmen geht es damit sehr gut. Seit Schneidermeier dabei ist, wuchs die Belegschaft von 20 auf 150 Personen, und unter Bergsportler*innen ist Ortovox allen ein Begriff. Wie hat Schneidermeier das geschafft? In unserer Serie „Challenges of a CEO“ erzählt er von seiner Vision einer besseren Gesellschaft und wie sich sein unternehmerisches Handeln auswirkt.

Bildcredit:
Christian Schneidermeier

Ich heiße Christian Schneidermeier und bin seit 22 Jahren bei Ortovox, davon die letzten elf Jahre als CEO. Wir sind eine Bergsport-Marke mit Sitz in Taufkirchen, südlich von München. Die Firma wurde 1980 gegründet – mit der Erfindung des „F2“, des ersten Lawinenverschüttetensuchgeräts (LVS-Geräts) mit Doppelfrequenz. Seitdem stehen wir für innovative Notfallausrüstung, Rucksäcke sowie technische Bekleidung mit Wolle für anspruchsvolle Bergsportler*innen.

Wir wollen schützen, was wir lieben

Ich bin am Tegernsee aufgewachsen und durfte von klein auf die Erfahrung machen, wie gut es tut, in den Bergen zu sein. Nicht auf der Suche nach dem nächsten Adrenalin-Kick, sondern um sich selbst im Einklang mit der Natur zu spüren und eine gute Zeit gemeinsam mit Freunden zu verbringen. Darum möchte ich mit unserer Marke dazu beitragen, das zu schützen, was wir lieben. Und deshalb engagieren wir uns gleichsam für den Schutz von Bergsportler*innen und von den Bergen. Natürlich ist uns bewusst, dass wir Teil des Problems sind – gleichzeitig sehen wir darin auch die Chance, Teil der Lösung sein zu können.

Unternehmerische Gratwanderung

Ich freue mich jedes Mal, wenn mir in den Bergen jemand mit einem Ortovox-Produkt begegnet – und das werden immer mehr, denn auch wir haben von den Entwicklungen der vergangenen Jahre profitiert. Doch für uns als Unternehmen ist Naturschutz ein ambivalentes Thema. Die Frage, die wir uns stellen müssen, lautet: Wie können wir verantwortungsvollen Bergsport damit vereinbaren, dass immer mehr Menschen in die Berge gehen? Wir haben zu dieser Problematik einen Dokumentarfilm gedreht. Wir wollten zeigen, dass man einen persönlichen Nutzen aus der Natur ziehen kann, ohne sie dabei kaputtzumachen.

Jede(r) Einzelne muss Verantwortung übernehmen

Mit der Anzahl an Menschen in den Bergen wächst auch die Zahl derer, denen das nötige Wissen dazu fehlt. Wir wollen deshalb ein Bewusstsein dafür vermitteln, was es braucht, um naturverträglich unterwegs zu sein. Dafür stellen wir zum Beispiel in unserer Wissensplattform ProtAct Academy online Inhalte zur Verfügung. Mit ihnen möchten wir die Menschen sensibilisieren und informieren, welche Regeln es in den Bergen zu beachten gilt.

Maßvoller Konsum

Neben dem richtigen Verhalten in und mit der Natur spielt das Thema Konsum eine entscheidende Rolle. Alles, was im Übermaß stattfindet, ist nicht nachhaltig. Das Wort Nachhaltigkeit wird mittlerweile inflationär und oftmals missbräuchlich verwendet – auch, um noch mehr Konsum zu erreichen. Dabei sollten wir uns als Konsument*innen und Bürger*innen dieser Gesellschaft fragen, was wir wirklich brauchen und uns nicht von künstlich erzeugten Bedürfnissen verleiten lassen, die nur zu noch mehr Ressourcenverbrauch beitragen. Stattdessen gilt es, Optionen für nachhaltigen Konsum zu entwickeln. Dazu weisen wir auch in unserem digitalen ProtAct Lab mit zahlreichen Tipps hin.

Produktzyklen verlängern

Nachhaltigkeit ist tief in der DNA von Ortovox verankert. Um das noch sichtbarer zu machen, haben wir 2017 angefangen, an unserer Nachhaltigkeitsstrategie ProtAct 2024 zu arbeiten. Aus unseren Unternehmenswerten heraus haben wir sechs zentrale Ziele entwickelt. Eine wichtige Rolle spielt für uns das Thema Second Life. Denn je länger etwas verwendet wird, desto weniger Ressourcen werden verbraucht. 

Um den Lebenszyklus unserer Produkte zu verlängern, legen wir nicht nur Wert auf beste Qualität und funktionales Produktdesign, sondern bieten auch einen Reparaturservice an. Wenn also ein Produkt kaputtgeht, können wir das in unserer hauseigenen Werkstatt in aller Regel sehr gut reparieren. Wir haben außerdem den Ortovox 2nd-Life-Shop gelauncht, der sehr gut angenommen wird. Hier geben wir Ortovox Artikeln und B-Ware durch die Reparatur ein zweites Leben.

Wandel durch Kooperation

Ich habe das Gefühl, dass immer mehr Menschen und auch Unternehmen erkennen, dass wir nicht weitermachen können wie bisher. Wir sind soziale Wesen und haben uns nur deshalb so weit entwickelt, weil wir die Fähigkeit zur Kooperation besitzen. In unserem derzeitigen Wirtschaftssystem ist das zu weit in den Hintergrund gerückt. Unter anderem daraus resultieren Probleme wie Klimakrise, Artensterben, Wasserknappheit usw. Diese gilt es unbedingt zu bewältigen. Das geht nur in der Gemeinschaft.

Unsere Branche ist da schon weiter als andere. Das merke ich z. B. an der Fair Wear Foundation, an der wir mit Ortovox als Mitglied mitarbeiten. Gemeinsam mit anderen Outdoor-Brands können wir die Situation an den Produktionsstätten verbessern und so dazu beitragen, dass sich die ganze Branche weiterentwickelt.

OutDoor 2025
Vom 19. bis 21. Mai 2025 erwartet dich die OutDoor in völlig neuem Gewand! Erlebe flexible Erlebnisräume wie The Village, die wandelbare Freestyle Area und die inspirierenden New Spaces – alles designt, um zu verbinden und neue Ideen zu wecken.

Organisation neu aufstellen

Die große Herausforderung für uns ist, das Thema Nachhaltigkeit trotz aktueller Krisen wie der Corona-Pandemie, dem Ukraine-Krieg und der Inflation voranzutreiben. Zwar müssen wir wirtschaftliche Entscheidungen treffen, damit wir unsere Ziele verfolgen können. Wir müssen aber immer wieder hinterfragen, wie wir die aus Klimawandel und gesellschaftlichem Wandel entstehenden Herausforderungen mitgestalten können.

Aus diesem Grund haben wir im Januar 2022 unsere Organisation neu ausgerichtet. Seither teile ich die Verantwortung mit zwei Kolleg*innen: Stefanie Rieder-Haas kümmert sich als Chief Supply Chain Officer um die Bereiche Sustainability and Quality, Michael Sieber als Chief Customer Officer um den Bereich Customer and Brand. Ich bin für Culture & Product zuständig. Durch die Dreiteilung können wir dem ganzen Team mehr Wertschätzung entgegenbringen und uns besser auf die wichtigen Themen konzentrieren.

Berge können Berge versetzen

Wir bei Ortovox sind überzeugt, dass wir uns als Gesellschaft wieder auf die wesentlichen Dinge besinnen müssen, also weniger höher, schneller, weiter, dafür mehr echtes, intensives Naturerlebnis. Wir glauben, dass die Berge das Potenzial dazu haben, genau das zu vermitteln.

Daher bleibt es meine Vision, die Menschen in die Natur zu bewegen. Wer in den Bergen unterwegs ist, erkennt ihren Wert von selbst und versteht, warum es sich lohnt, sie mit allen Mitteln zu schützen. Lasst uns gemeinsam daran arbeiten, die Natur zu erhalten, statt sie zu konsumieren!

Themen dieses Artikels