Vom Marianengraben im Westpazifik bis zum Mount Everest – Mikroplastik steckt überall. Es entsteht vor allem aus Industrieabfällen, Einwegprodukten und Verpackungen, die in kleine Teile zerfallen können. In den Weltmeeren schwimmen Billionen von Partikeln, größere Teile davon in einem wachsenden Plastikteppich, der über den Ozean wabert.
Denn etwa zwei Drittel aller Textilien werden aus synthetischem, erdölbasiertem Polyester, Polyamid und Acryl hergestellt. Nach Angaben von Ademe (Französische Agentur für den ökologischen Wandel) wurden im Jahr 2021 weltweit 60,5 Millionen Tonnen neues Polyester hergestellt und so 240.000 Tonnen Mikroplastikpartikel in die Umwelt freigesetzt. Faserfragmente greifen zunehmend die biologische Vielfalt und die öffentliche Gesundheit an. Vorbildliche Akteure in der Textilindustrie ergreifen daher konkrete Maßnahmen, um die Situation zu verbessern.
Ab 2024 wird in Frankreich eine Mode- bzw. Öko-Kennzeichnung Pflicht, die bald auch für ganz Europa gelten könnte. Über einen QR-Code, der sowohl auf den Etiketten der Kleidungsstücke als auch an der Auszeichnung der Verkaufsstellen angebracht sein muss, können Informationen über das Freisetzungsrisiko von Mikrofasern, gefährliche Produktbestandteile und die Bewertung der Wiederverwertbarkeit eingesehen werden – ein erster Schritt zu mehr Transparenz.
Die Wasserverschmutzung durch Plastikmüll und Mikroplastik ist komplex und multidimensional. Mikroplastik besteht nach der Definition der UNEP (United Nations Environment Protection) und der ECHA (Europäischen Chemikalienagentur) aus kleinen Plastikfragmenten, die fünf Millimeter oder weniger messen. Nanofasern sind eindimensionale, faserförmige Materialien mit einem Durchmesser im Bereich von 10 bis 100 Nanometern. Es betrifft jedoch mehr als einen Kunststoff und seine Fasergröße. Auch wenn der Begriff „Mikrofaser” häufig zur Bezeichnung eines Fadens aus einer synthetischen Quelle, z. B. Polyester, verwendet wird, betrifft der Begriff Mikrofaser sowohl synthetische als auch natürliche Fasern. Sophie Mather, Mitbegründerin des Mikrofaserkonsortiums, meint dazu: „Es gibt ein unterschiedliches Verständnis dieser Begriffe. Das Microfibre Consortium legt in diesem Zusammenhang weder die Größe noch den Typ fest. Um diese Verwirrung zu vermeiden, ist Faserfragment oder Faserfragmentierung die bevorzugte Terminologie."
Es ist nicht nur das Mikroplastik an sich, das Probleme verursacht. Oft tragen die Faserfragmente noch chemische Rückstände aus Färbung oder Imprägnierung mit sich, die selbst bei Naturfasern die biologische Abbaubarkeit erschweren oder verhindern und schlimmstenfalls toxisch wirken. Laut der Paris Good Fashion Bewegung „tritt Mikrofaserauswurf in fast jeder Phase des Lebenszyklus eines Kleidungsstücks auf und verursacht Schäden für Mensch und Umwelt."
Das bedeutet, dass bei jedem Waschgang und selbst bei jedem Tragen die Stoffe unfreiwillig abgenutzt werden. Die Verluste hängen von verschiedenen Parametern und Bedingungen ab. Man unterscheidet drei Hauptphasen: Herstellung, Nutzung und Ende der Lebensdauer. Die Herkunft des Stoffes, die Herstellungspraktiken, der Färbeprozess und die Wasseraufbereitung bestimmen die Qualität des Stoffes und damit die Lebensdauer der Kleidung. Auch die Art und Häufigkeit der Wäsche, sowohl vorab in der Industrie als auch später im Haushalt, haben einen Einfluss.
Sogar bei der Verarbeitung von Recyclingfasern entsteht Mikroplastik. Die Menge hängt unter anderem ab von den Temperaturen, vom Recyclingverfahren (chemisch, mechanisch oder physikalisch) oder der Wasserzufuhr. Auch bei recycelten Stoffen kommt es also auf eine sachgemäße Behandlung von der Herstellung bis zum Ende der Lebensdauer an, will man die Mikrofaserverluste verringern. In den meisten Fällen liefern chemische Recyclingverfahren hier eine bessere Stoffqualität.
Leider sind auch Materialien aus einem anderen Verwendungszweck, z. B. Garne aus PET-Flaschen oder Mischgewebe, keine unendliche Quelle für Recycling. Mischungen aus synthetischen und natürlichen Stoffen sind zudem schwer nochmals wiederzuverwerten. Ihre Entsorgung ist noch nicht ausreichend geregelt. Oft enden sie als Brennstoffe. Selbst eine Kreislaufwirtschaft kann also Faserfragmentierung nicht verhindern. Ein geschlossener Kreislauf trägt bestenfalls dazu bei, die Abhängigkeit von Materialien auf Erdölbasis zu verringern.
Es gibt Wege, dem Faserverlust entgegenzuwirken. Einige Konsortien und Institutionen unterstützen die Textil- und Outdoor-Industrie: „Untersuchung von Möglichkeiten zur Verringerung der Verschmutzung durch Mikrofasern in der Modeindustrie mithilfe von Innovationen im Textildesign und in der Produktion" ist der Untertitel des neuesten Berichts von From the Future zur Mikrofaserbelastung.
Ein Schritt in die richtige Richtung wäre zum Beispiel die Entwicklung eines gemeinsamen Fahrplans und einer kontinuierlichen, wissenschaftlich fundierten Studie mit dem Microfibre Consortium. Optimierungen wären sowohl bei Materialien und Garnen als auch bei Verarbeitungsprozessen möglich, etwa
- alternative Gerbung
- zirkuläre, regenerative Fasern (Algen, biobasiert)
- Biokunststoffe
- künstliche Cellulosefasern
- mikroplastikfreie, geschlossene chemische Recyclingprozesse (Infinity Fiber).
All diese Alternativen sind es wert, mit einem systemischen und ganzheitlichen Ansatz, einer wissenschaftlich fundierten Zielsetzung und einer LCA (Life Cycle Analysis) betrachtet zu werden.
Ein weiterer Meilenstein der Transformation ist, das Narrativ des Wandels mit Leben zu füllen. Einige Marken sind hier schon sehr aktiv. Im Jahr 2020 verriet Georgia Parker, Fashion for good Innovation Manager: „67 Unternehmen geben an, dass nachhaltige Beschaffung für sie eine Priorität ist.“ Der Rhythmus von Innovationen hat sich beschleunigt, befördert durch ein verändertes Preis- und Problembewusstsein sowie durch den Abbau von Hindernissen beim Zugang zu Projektfinanzierungen.
Adidas™ will zum Beispiel bis 2024 auf den Einsatz von reinem Polyester vollständig verzichten. Die für ihre Klimasensibilität bekannte Brand Patagonia™ hat ähnliche Ziele für 2025. In Zusammenarbeit mit dem Microfibre Consortium erklärte Adidas: "Die Herausforderung der Faserfragmentierung kann nur angegangen werden, wenn unsere Branche zusammenkommt und gemeinsam an Lösungen arbeitet."
Noch ein entscheidender Faktor: Gute Ideen müssen populär gemacht werden. Respect Ocean zeichnet deshalb die besten Innovationen gesondert aus, etwa mit dem "Sonderpreis für die Erhaltung der biologischen Vielfalt der Meere", dem "Sonderpreis für bioinspirierte Lösungen" oder dem "Sonderpreis für Lösungen im Frühstadium".
Ein Beispiel: Das Hong Kong Research Institute of Textiles and Apparel hat ein Verfahren zur Abtrennung von Mikroplastikfasern entwickelt. Accusweep™ von KHrita ist unter anderem für die Behandlung von Textilabwässern geeignet. Das System nutzt eine akustische Manipulationstechnik, um Mikroplastikfasern im Wasser zu separieren.
Neben einem gemeinsamen Verständnis der Problematik erhoffen sich Brands, Produzenten und Lieferanten auch Hilfe von der Gesetzgebung. Im Februar 2023 richteten einige NGOs (Surf Rider, Rethink Plastic etc.) aus diesem Grund einen Brief an den REACH-Ausschuss (Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals) der Europäischen Union. Ihr Anliegen: eine Beschränkung von Mikro- und Nanoplastik in allen nicht wesentlichen Verwendungen.
In einem Bericht des Think Tanks „Economist Impact“ und der Nippon Foundation, die kürzlich die Meeresschutzinitiative Back to Blue gegründet haben, heißt es: „Die jährliche weltweite Kunststoffproduktion in den G20-Ländern könnte bei den derzeitigen Wachstumsraten bis 2050 auf 451 Millionen Tonnen ansteigen.
Auf der anderen Seite des Ozeans, in Kopenhagen, proklamiert die Global Fashion Agenda, dass die Modeindustrie den Übergang zu einem Kreislaufsystem anführen und gleichzeitig ihre Wertschöpfung sicher oder gar steigern kann, indem
- Produkte und Materialien wiederverwendet und in den Kreislauf zurückführt werden,
- neue Möglichkeiten für innovatives Design geschaffen werden,
- ein stärkeres Engagement der Kunden gefördert wird.
Die beschriebenen Maßnahmen zeigen jedoch: Überproduktion muss bekämpft werden, insbesondere bei (Ultra-)Fast-Fashion-Modellen. Denn das Problem der Mikrofasern lässt sich nicht allein durch Recycling oder Kreislaufströme lösen. Nur eine Kombination aus vielen Maßnahmen kann Abhilfe schaffen. Und alle Beteiligten müssen dabei an einem Strang, an einer Faser ziehen.
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