Megan Rapinoe hat auf Instagram mittlerweile mehr als zwei Millionen Follower. Warum ist das besonders? Weil Megan Rapinoe als DIE Stimme der LGBTQ+ Bewegung im Spitzensport gilt. Fast jeder ihrer Social Media Posts erreicht Millionen von Menschen. Darin beschäftigt sie sich auf die ein oder andere Weise mit dem Kampf für soziale Gerechtigkeit, den Rapinoe gemeinsam mit ihrer Ehefrau Sue Bird, ebenfalls Spitzensportlerin, in der US-Gesellschaft führt. Und der Kampf ist wichtig: Bis heute hat sich zum Beispiel noch kein aktiver Fußballer der Männer-Bundesliga in Deutschland geoutet. „Schwul“ wird darüber hinaus noch in vielen Sportarten als Beleidigung verwendet. Es soll Athleten ihre Männlichkeit abzusprechen, die mit Kraft und Stärke assoziiert wird. Doch es gibt auch positive Entwicklungen. Zum großen Teil aufgrund von Frauen wie Megan Rapinoe und Sue Bird, die ihre Stimme erheben und dadurch LGBTQ+ Rechte und Inklusion im Sport vorantreiben.
Athlet*innen, die sich selbst geoutet haben oder sich als Allies verstehen, spielen eine wichtige Rolle in der Akzeptanz von LGBTQ+ im Sport. Sie sorgen einerseits für Sichtbarkeit, geben aber auch dem Thema ein Gesicht und eine Geschichte.
Viele Athlet*innen outen sich allerdings erst nach dem Ende ihrer Karriere, da sie noch immer Nachteile fürchten müssen. Denn einige Großsponsoren, von denen Profisportler*innen in der Regel abhängig sind, könnten aus diversen Gründen die finanzielle Unterstützung für LGBTQ+ Sportler*innen zurückziehen. Ebenso könnten aber auch Repressalien durch den Sportverband oder den eigenen Staat erfolgen, wie das Ausschließen von Turnieren trotz sportlicher Qualifikation.
In Amerika sorgte der NFL-Star Carl Nassib mit seinem Coming-out für Wirbel, der derzeit für die Las Vegas Raiders spielt. Er folgte der Fußball-Nationalspielerin und Aktivistin Megan Rapinoe, die bereits 2012 über ihre Homosexualität sprach und für ihr politisches Engagement für die LGBTQ+ Community bekannt ist. Nassib ist der erste aktive NFL-Player, der sich zu seiner Homosexualität äußert. Das ist bemerkenswert, da gerade American Football stark mit dem patriarchalen Blick auf Männlichkeit assoziiert wird.
Ein prominentes Beispiel in Deutschland ist Thomas Hitzlsperger, der es als Fußballer bis in die Deutsche Nationalmannschaft schaffte. Kurz nach Karriereende bekannte er sich 2014 in einem großen Zeitungsinterview zu seiner Homosexualität. Nachfragen zu den Gründen für sein spätes Coming-out wiegelte er aber immer ab – obwohl das Outing von Funktionären und Fans sehr positiv aufgenommen wurde. Seitdem macht er sich öffentlich stark für LGBTQ+ Rechte.
Während für Hitzlsperger, Nassib und Rapinoe kein beruflicher Rückschritt erfolgte, war für die chinesische Fußball-Nationalspielerin Li Ying ihr Outing 2021 mutmaßlich das Ende ihrer Karriere. In China ist Homosexualität nicht ausdrücklich verboten, jedoch gesellschaftlich oft mit Ressentiments verbunden. Ying wurde nicht mehr in das Nationalteam berufen und durfte nicht an den Olympischen Spielen in Tokio teilnehmen, was jedoch nicht offiziell mit ihrer Sexualität begründet wurde.
Eine internationale Kontroverse löste Lia Thomas aus. Die trans Schwimmerin begann während ihrer Transition in der Frauenkategorie anzutreten und erzielte dort beachtliche Erfolge. Insbesondere das konservative Amerika reagierte harsch mit Diskussionen und vielerorts weitreichenden LGBTQ+-feindlichen Gesetzen. Das IOC (International Olympic Commitee) vertiefte daraufhin seine Anstrengungen, die Eingruppierung in Turnierkategorien nach Gender neu zu regeln.
Social Media spielt für die LGBTQ+ Community eine große Rolle. Auf Netzwerken wie Instagram, TikTok oder den chinesischen Plattformen WeChat und Weibo können Athlet*innen persönliche Einblicke in ihr Leben gewähren. Und sie positionieren sich: Etwa, indem sie öffentlich ihren Alltag zeigen, Kampagnen und wichtige Botschaften reposten oder auch mit anderen Accounts interagieren. So werden sie für Fans aus der LGBTQ+-Community greifbar und zu Identifikationsfiguren. Besonders junge Menschen aus der queeren Community fühlen sich ihnen nahe.
Gleichzeitig ist diese Öffentlichkeit für viele mit negativen Erlebnissen verbunden. Hate Speech, Beleidigungen, menschenfeindliche Kommentare bis hin zu konkreten Drohungen sind tägliche Erfahrungen prominenter, queerer Sportler*innen. Hinzu kommen der Gleichmut oder gar das Unverständnis vieler Menschen außerhalb der Community, die nicht verstehen können, warum sich die LGBTQ+ Athlet*innen dieser negativen Energie aussetzen.
Dennoch ist die Reichweite von unschätzbarem Wert für die queere Community. Die Sichtbarkeit und Aufmerksamkeit für LGBTQ+ Rechte werden durch große Accounts gestärkt. Das Thema erreicht dadurch auch viele Menschen außerhalb der sozialen Blase.
Der erste queere Sportverein Europas wurde 1980 in Köln gegründet: der SC Janus. 1982 fanden die ersten Gay Games statt, die sich an die Olympischen Spiele anlehnen und homosexuellen Athlet*innen ein Sportevent ohne Queerfeindlichkeit bieten wollen. Sie finden alle vier Jahre statt und gehören zum Breiten- statt zum Profisport, da keine Qualifikation für die Teilnahme erforderlich ist.
Die Anzahl der queeren Sportvereine wuchs seitdem kontinuierlich an. Sie wollen einen Safe Space schaffen, in dem LGBTQ+ Athlet*innen ungestört ihrem Sport nachgehen können. Einige Vereine erlauben auch heterosexuellen Menschen die Teilnahme, andere spezialisieren sich auf nur einzelne queere Gruppen.
Die Sichtbarkeit durch einen Verein und der Mannschaftsgeist unter Gleichgesinnten sind für viele Sportbegeisterte ein wichtiger Baustein – auch für die Akzeptanz von Nicht-Heterosexualität. Es werden jedoch immer wieder Stimmen laut, die darin eine Verzögerung des inklusiven Sportes sehen, in dem die Sexualität keine Rolle spielen sollte. Dem begegnen die Vereine in der Regel mit der Antwort: Safe Spaces wird es solange geben, wie der Sport sie nötig macht.
Noch immer sind Mitglieder der LGBTQ+ Community im Alltag von Menschenfeindlichkeit, Ausgrenzung und Beleidigung bedroht. Sie erleiden ungleich öfter sexuelle oder sexualisierte Gewalt und Diskriminierung. In 69 Ländern der Welt ist Homosexualität immer noch strafbar, in sieben Ländern davon steht gleichgeschlechtlicher Sex sogar unter Todesstrafe.
In der Öffentlichkeit wird es daher als mutig wahrgenommen, sich selbst zu outen oder als Ally, als Verbündete*r, aufzutreten. Denn berufliche Folgen sind nicht selten. Nicht nur der Verlust von Sponsoren droht, sondern auch die Verwehrung von Teilnahmen an Wettbewerben oder der Ausschluss aus Mannschaften. Das wird von vielen queeren Athlet*innen zu Recht gefürchtet. Darüber hinaus kann es je nach Sportart oder der Prominenz der Sportler*innen auch zu Sicherheitsbedenken kommen.
Regelmäßig taucht die Frage von LGBTQ+ Rechten auf, wenn Länder involviert sind, die Queerness per Gesetz verfolgen. Ein Beispiel war die Fußball-WM der Männer in Katar – Stichwort: One-Love-Binde. Der für seine Queerfeindlichkeit bekannte Golfstaat forderte homosexuelle Sportfans dazu auf, während der Spiele ihre Sexualität nicht in der Öffentlichkeit zu zeigen. Selbst die Regenbogenflagge wurde verboten.
Der Umgang der Fachverbände und Sponsoren mit diesem Thema ist generell sehr unterschiedlich, unter anderem, weil hohe Investitionen und Sponsorengelder mit diesen Wettbewerben verbunden sind. Und auch unter den Athlet*innen ist die moralische Frage, ob eine Teilnahme unter diesen Bedingungen vertretbar ist, umstritten.
Seit dem Fall Lia Thomas tobt eine heftige Debatte um die Frage, ob trans Athletinnen in Wettbewerben gegen cis Frauen antreten dürfen und sollten. Der Wettkampf von trans Männern gegen cis Männer ist aufgrund der körperlichen Konstitution weitaus weniger Thema.
Das IOC erarbeitet aktuell neue Richtlinien, die der Komplexität der Geschlechterfrage begegnen sollen. Involviert sind dabei viele Stimmen der Wissenschaft, jedoch auch ein erheblicher Druck verschiedener Strömungen innerhalb der Gesellschaft.
Zurzeit ist ein Konzept im Gespräch, nach dem nicht verifizierte und nur scheinbare Wettbewerbsvorteile aufgrund geschlechtlicher oder körperlicher Unterschiede nicht zum Ausschluss einer Sportlerin führen soll. Solange also keine wissenschaftlich fundierten Argumente das Gegenteil beweisen, soll angenommen werden, dass trans und inter Athletinnen keinen unfairen Vorteil haben. Sowohl die LGBTQ+ Community als auch die Wissenschaft begrüßen dieses Recht auf Selbstbestimmung und Privatsphäre.
Dennoch ignoriert dieses Konzept für viele nachweisbare, biologische Unterschiede – wie die körperliche Entwicklung von trans Frauen bei einer nicht vorpubertär begonnenen Transition. Diese sind oft durch eine sportlich geprägte Vorgeschichte breitschultriger und muskulöser als cis Frauen in vergleichbarem Alter, was sich durch die Hormontherapie aber nicht vollständig angleicht. Ebenso findet die Frage keinen Platz, ob inter Frauen mit einem höheren Testosteronlevel als cis Frauen in manchen Sportarten einen Wettbewerbsvorteil haben.
Darüber hinaus lässt die Debatte außer Acht, dass für Profisport nur selten ausschließlich die vorhandene Muskelmasse entscheidend ist und viele andere Faktoren wie Hand-Augen-Koordination, Feinmotorik oder Balance von großer Bedeutung sind. Eine der ursprünglich geplanten Ideen war daher, die Fachverbände proaktiv erforschen zu lassen, ob es in ihrer Sportart signifikante Unterschiede zwischen cis Männern und Frauen und trans Männern und Frauen gibt. Anhand der Ergebnisse sollte dann spezifisch für diese Sportart eine faire Regelung getroffen werden.
Der Weltruderverband hat daraufhin Testosteron-Richtwerte für den Wettkampf der Frauen festgelegt. Bei inter Athletinnen entscheidet ein Expert*innen-Panel im Einzelfall. Der Verband betont aber, dass sie ausschließlich die Einteilung in Sportklassen vornehmen wollen und keine Bewertung von Therapiemaßnahmen treffen.
Der Welt-Rugbyverband hingegen schließt nun trans Frauen kategorisch aus der Frauen-Klasse aus. Er begründet dies mit Sicherheitsbedenken für die körperliche Unversehrtheit der Teilnehmerinnen.
Eine Debatte zu trans Männern ist bislang nicht erfolgt und findet sich nicht im Konzeptpapier des IOC. Bislang hat sich kein Fachverband geäußert, in dem trans Männer durch einen kleineren, leichteren Körper einen Vorteil hätten.
Durch die Sichtbarkeit von LGBTQ+ Sportler*innen über ihre Plattformen geraten Verbände und involvierte Unternehmen zunehmend unter Druck, sich zu positionieren. Ebenso werden Scheinmaßnahmen zur Verbesserung der Inklusion – sogenanntes Pinkwashing – durch die Betroffenen angeprangert und somit ein tatsächlicher Fortschritt ermöglicht.Die queeren Sportler*innen machen den Grundsatz des Empowerments klar: "Nicht ohne uns über uns!"
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