Der Juni wird als Pride-Month der LGBTQ+-Community gefeiert. In der Zeit finden weltweit viele Demos und Aktionen gegen Diskriminierung statt. Viele Unternehmen bauen dann die Regenbogenflagge als Symbol für die Bewegung in ihr Marketing und ihre Logos ein. Auch der Sport nutzt die Aktion für werbewirksame Maßnahmen. Doch immer wieder brandet die Diskussion auf, ob das der Inklusion zugutekommt. Machen bunte Fähnchen den Sport wirklich vorurteilsfreier und sicherer für Menschen aller Sexualitäten? Oder schadet das kurzzeitige Feiern der queeren Szene der Bewegung eher?
Sport hat eine lange Tradition als Plattform für politische Botschaften. Schon in der Antike wurden Sportwettkämpfe genutzt, um Macht und nationale Identität zu demonstrieren. Auch heute ist die Sportbranche ein populärer Schauplatz, den Akteure für Ziele abseits des Sports nutzen. Zum Beispiel der ehemalige NFL-Spieler Colin Kaeperinick, der während des traditionellen Abspielens der Nationalhymne kniete, um gegen den Rassismus und die Polizeigewalt in den USA zu protestieren. Sein Protest löste eine landesweite Debatte aus und fand vielerorts solidarische Nachahmer.
Immer häufiger positionieren sich auch ganze Mannschaften gegen Diskriminierung und Menschenfeindlichkeit im Sport. Einige Fußballvereine nehmen beispielsweise regelmäßig an sozialen Kampagnen teil oder tragen Kapitänsbinden in Regenbogenfarben – und das nicht nur im #pridemonth. Zur WM in Katar kam es weltweit zu Debatten, ob ein Turnier in dieser Größenordnung in einem Land stattfinden sollte, das Homosexualität noch immer unter Strafe stellt.
Häufig tritt in solchen Debatten die Frage auf, ob politische Positionierungen im Sport angebracht sind oder ob sich Vereine, Athlet*innen und Sponsoren besser politisch neutral verhalten sollten. Kritische Stimmen merken an, dass Sport die "schönste Nebensache der Welt" sei und politische oder gesellschaftliche Missstände woanders ausgetragen gehörten.
Im Gegensatz dazu erleben jedoch viele Sportler*innen genau dort Diskriminierung aufgrund ihrer Ethnie oder Sexualität. Sie wollen ihre Reichweite und ihre Vorbildfunktion nutzen, um Probleme aufzuzeigen und durch ihre persönliche Geschichte Vorurteile und diskriminierende Strukturen bei den Fans abzubauen. Außerdem betonen viele Athlet*innen, dass Menschenrechte keine politische Position sind, ein Einstehen für sie also immer und überall gerechtfertigt ist.
Das sehen immer mehr Sportler*innen so und machen sich in der Öffentlichkeit für LGBTQ+ Rechte stark – sei es als Teil der Community oder auch als Allies. Es outen sich zunehmend Athlet*innen öffentlich, wobei dies oft noch erst nach Ende der Profikarriere geschieht. Trotzdem: Solche Aktionen tragen maßgeblich zur Sichtbarkeit einer benachteiligten Menschengruppe bei. Sie decken diskriminierende Strukturen auf und helfen so, stereotype Vorstellungen zu durchbrechen und Inklusion und Diversität zu fördern.
Denn je sichtbarer die LGBTQ+-Community auch im Sportalltag ist, desto positiver ist der Effekt auf zivilgesellschaftliche Diskussionen und die Positionierung von Sponsoren und Vereinen. Die US-Fußballerin Megan Rapinoe nutzt beispielsweise ihre Reichweite immer wieder, um sich für Gleichberechtigung und gegen Diskriminierung im Sport starkzumachen. Sie ist heute eine der bekanntesten, queeren Aktivistinnen. Der Männerfußball ist da leider noch wesentlich zurückhaltender. Aber die wachsende Sichtbarkeit von LGBTQ+-Sportler*innen eröffnet zunehmend Raum für Diskussionen mit hetero Athlet*innen, Vereinen und Sponsoren über die Gestaltung von Mit- und Gegeneinander im Sport. Diese Debatte geht folglich auch in die restliche Zivilgesellschaft über und setzt zugleich Impulse für Inklusion, die über den Sport hinausgehen.
Gesellschaftlich relevante Themen machen sich Unternehmen gerne für ihre Botschaften zunutze. Greenwashing, Sportswashing oder Pinkwashing sind beliebte Mittel für eine Imagepolitur. Doch es gibt noch mehr Gründe, warum auch Sportunternehmen die LGBTQ+-Community in den vergangenen Jahren zunehmend ins Blickfeld genommen haben: Einerseits ist sie attraktiv als Konsumentengruppe, die sie für ihre Marke gewinnen wollen. Andererseits wollen Unternehmen attraktiv sein für Fachkräfte, Auftraggeber und weitere Zielgruppen. Denn: Wer das Engagement für mehr Diversität und Inklusion ernst nimmt, steigt in der Beliebtheit.
Auch Sponsoren zahlen deshalb teilweise Millionenbeträge an Sportvereine oder -veranstaltungen, um ihre Marke in Szene zu setzen. Sie profitieren vom positiven Image berühmter Athlet*innen, die oft zusätzlich als Werbefigur für eine Marke fungieren. Für Sportvereine sind Sportler*innen daher Aushängeschild und Einnahmequelle zugleich – eine Position, aus der heraus man in zivilgesellschaftlichen Fragen auch einmal Stellung beziehen kann.
Probleme treten dann auf, wenn ein Verein oder Athlet*innen andere Ansichten haben als der Sponsor, sich zum Beispiel queerfeindlich äußern. Hier sollten Sportunternehmen Verantwortung übernehmen, indem sie sich von den Äußerungen distanzieren und gegebenenfalls sogar Werbeverträge kündigen. Die Situation gibt es aber auch andersherum: Etwa, wenn Sportler*innen oder Sportvereine von Sponsoren unterstützt werden, die aus einem Land stammen, das Homosexualität unter Strafe stellt oder anderweitig LGBTQ+-feindliche Positionen vertritt.
Das kann die Sportler*innen vor große Probleme stellen. Denn je nach Sportart kann die Sicherung des gesamten Trainingsprogramms und der Ausrüstung von den Sponsoren abhängen. Inklusive Sportunternehmen können hier einen Beitrag leisten, indem sie den Marktdruck auf problematische Sponsoren erhöhen.
Ein weiteres Problem ist Pinkwashing. Dabei nutzen Unternehmen die Inklusion oder Solidarisierung mit der LGBTQ+-Community als Schein-Marketingmaßnahme. Tatsächlich bewirken sie aber keine nennenswerten Veränderungen. Wird Pinkwashing publik, ernten die Unternehmen viel Kritik. Viele Sportfans können echte Allyship und oberflächliche Werbekampagne jedoch nicht immer unterscheiden. Umso wichtiger ist die entschiedene Diskussion von Sportler*innen, Unternehmen und zivilgesellschaftlichen Autoritäten über echte Solidarität und das Aufzeigen positiver Beispiele.
Corporate Social Responsibility (CSR) ist keine neue Erfindung, sondern zentraler Bestandteil einer erstrebenswerten Unternehmensphilosophie. Dahinter verbirgt sich die Idee, dass Unternehmen Konzepte entwickeln, die zivilgesellschaftliche Belange wie Soziales oder Nachhaltigkeit in ihre Geschäftstätigkeit integrieren – und damit Verantwortung für die Auswirkungen ihres Handelns auf die Gesellschaft übernehmen.
CSR hat Auswirkungen auf das eigene Auftreten und Verhalten, auf Unternehmensstrukturen und Werbemaßnahmen oder Sponsoring-Verträge. Und natürlich auch auf den Umgang mit Menschen aus der LGBTQ+-Gemeinschaft. Dazu gehören nicht nur öffentliche Aktionen wie das Zeigen der Regenbogenflagge, sondern auch der Abbau und Ausschluss diskriminierender Prozesse, etwa durch die Vermeidung von Stereotypen oder herabwürdigender Sprache in der Werbung oder beim Recruiting.
Ebenso gehört es zur CSR von Unternehmen aus der Sportbranche, den eigenen Einfluss authentisch und nachhaltig zu nutzen, um den Sport zu gestalten. Und so zu einem inklusiven und vielfältigen Raum beizutragen, in dem der Fokus tatsächlich auf dem körperlichen Wettkampf und nicht auf der Sexualität der Teilnehmer liegen kann.
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