Die ersten Olympischen Spiele der Neuzeit 1896 in Athen waren reine Männersache. Frauen waren als Teilnehmerinnen beim Ringen, beim Schießen mit dem Armeegewehr oder beim einarmigen Gewichtheben nicht erwünscht. Vier Jahre später in Paris durften erstmals Sportlerinnen beim Tennis aufschlagen und beim Golf abschlagen. Mit 2,2 Prozent blieb ihr Anteil aber überschaubar. Und selbst 1984 in Los Angeles war mit 23 Prozent noch nicht einmal jeder vierte Teilnehmer eine Teilnehmerin. Das hat sich seither drastisch geändert. Die Sommerspiele von Tokio 2021 gingen als erste annähernd „gendergerechte“ Olympische Spiele in die Geschichte ein. Knapp 49 Prozent der 11.090 Sportlerinnen und Sportler waren Frauen.
2024 bei der Rückkehr nach Paris streben das Internationale Olympische Komitee (IOC) und die Veranstalter endgültig den Gleichstand zwischen Athletinnen und Athleten an. Bei aller Kritik am allzu Diktatur-freundlichen IOC – in Sachen Fairness zwischen Sportlerinnen und Sportlern kommt Olympia gut voran. „Wir haben die Gesamtzahl der Athleten zwischen Rio 2016 und Tokio gesenkt, und trotzdem die Zahl der Sportlerinnen erhöht“, verrät IOC-Sportdirektor Kit McConnell.
Zum ersten Mal in der Geschichte der Spiele hatte in Tokio jedes Land weibliche und männliche Teilnehmer*nnen am Start. Bei allen fünf neuen Sportarten – Karate, Skateboard, Sportklettern, Surfen und 3x3-Basketball – gab es Wettbewerbe für Männer und Frauen. Damit war Olympia mehr denn je das internationale Sportereignis, bei dem Sportlerinnen die meiste Aufmerksamkeit erhalten. Die Sommer- und Winterspiele sind zumindest in dieser Hinsicht ein Vorbild für den gesamten Weltsport, so Sarah Axelson. Die Vizepräsidentin der Non-Profit-Organisation Women's Sports Foundation lobt gegenüber ABC News: „Im Allgemeinen ist die Berichterstattung über den Frauensport sehr gering. Und ich denke, dass die Olympischen Spiele hier oft die Ausnahme sind.“
Im Super-Macho-Sport Formel 1 waren Frauen bis vor wenigen Jahren allenfalls als leicht bekleidete „Grid Girls“ in Hot Pants zu sehen, die auf dem Startplatz die Schilder mit den Namen der Fahrer hochhalten durften. Kaum zu glauben: In über 70 Jahren Formel-1-Geschichte seit 1950 haben Fahrerinnen noch nicht einmal einen ganzen WM-Punkt gewonnen. Nur die Italienerin Lella Lombardi hat es 1975 in einem abgebrochenen Rennen als Sechste zu einem halben (!) Punkt gebracht.
Eine Fahrerin gibt es auch 2022 bei den Grand Prix noch nicht – trotz Talenten wie der Münchnerin Sophia Flörsch. Sie hofft weiter auf ihre Formel-1-Chance. Und sie verrät, wer nach wie vor keine Fahrerinnen in den Cockpits sehen will. Die 21-Jährige gegenüber der Deutschen Welle: „Es ist die Generation, die jetzt schon weiße Haare auf dem Kopf hat. Die kommen aus einer anderen Zeit. Da gibt es dieses Bild von einem harten, durchgeschwitzten, durchgekämpften Rennfahrer, der ein Mann sein muss. Das kann sich in deren Augen nicht ändern.“ Weil nur 1,5 Prozent aller weltweit lizenzierten Motorsportler*innen weiblich sind, dürfte es bis zu einer Weltmeisterin „Michaela Schumacher“, „Luisa Hamilton“ oder „Maximiliane Verstappen“ aber noch lange dauern. Immerhin: In der Frauen-Rennserie „Formula W“ wird seit 2019 Nachwuchs gesucht.
Neben der Formel-1-Strecke tut sich aber eine Menge. Die Aktion „We Race As One“ wirbt seit 2020 für Vielfalt und Diversität. Mercedes ist zuletzt zwei Jahre lang mit einem schwarzen Auto gefahren – als Unterstützung der „Black Lives Matter“-Bewegung und auf ausdrücklichen Wunsch von Lewis Hamilton. Der Engländer ist nicht nur siebenfacher Weltmeister, sondern auch der erste Top-Pilot mit „People of Color“-Hautfarbe.
Der deutsche Ex-Weltmeister Sebastian Vettel zeigt im Fahrerlager konsequent das Regenbogen-Symbol – nicht immer zur Freude der Veranstalter, zum Beispiel beim Ungarn-GP in Budapest, bei dem auf einem Vettel-Shirt die Aufschrift „Same Love“ zu lesen war. Dafür erhielt der politisch immer aktivere Hesse eine offizielle Verwarnung und ärgerte sich im Orban-Staat: „Irgendwie scheinen einige Leute damit ein Problem zu haben.“ Weltmeister 2021 wurde im Übrigen Red-Bull-Pilot Max Verstappen – dirigiert von Hannah Schmitz, der Chefstrategin des Teams. Die Britin mit einem Abschluss als Maschinenbau-Ingenieurin ist die erste Frau, die in so einer Top-Position für einen WM-Titel in der Formel 1 verantwortlich war. Sie fühlt sich im Rennzirkus voll akzeptiert: „Mittlerweile ist es vom Vertrauen und vom Respekt her das Gleiche, als ob ich ein Mann wäre.“
US-Footballer Shaquem Griffin (26) eifert seinem Zwillingsbruder Shaquill nach, der bei den Jacksonville Jaguars ein etablierter Star in der Profiliga NFL ist und dort im Jahr rund 15 Millionen Dollar verdient. Zentraler Unterschied zwischen den Brüdern: Shaquem Griffin hat nur eine Hand. Bei ihm wurde nach der Geburt das Amniotische-Band-Syndrom diagnostiziert, durch das sich die Finger seiner linken Hand nicht vollständig entwickeln konnten. Mit vier Jahren wurden seine Schmerzen so groß, dass er sich selbst mit einem Messer die Hand abschneiden wollte. Daraufhin ließen seine Eltern die Hand amputieren.
Football-Spieler und damit einer der wenigen körperlich eingeschränkten Sportler in einer großen Profiliga wurde Shaquem Griffin trotzdem. Der extrem schnelle Linebacker, dessen Lebensgeschichte gerade verfilmt wird, spielte in der NFL bei den Seattle Seahawks und den Miami Dolphins. Nun hofft er auf einen Vertrag bei den Jacksonville Jaguars, wo er dann wieder mit Bruder Shaquill zusammenspielen könnte. Er ist Botschafter der Kampagne #StareAtGreatness, bei der es darum geht, dass andere Menschen durchaus darauf „starren“ dürfen, wenn es um die Errungenschaften und Leistungen von Menschen mit Einschränkungen geht. Motto von Shaquem Griffin: „Es geht darum, dass wir zeigen, was wir leisten können. Man darf sich selbst nie Limits setzen.“
Die WNBA, die US-Basketball-Profiliga für Frauen, gilt in Sachen Inklusion und Diversität weltweit als Vorbild. Das „Institute for Diversity and Ethics in Sport“ (TIDES) zeichnete die WNBA 2021 für ihren Umgang mit Hautfarben und Geschlechtern erneut mit der Gesamtnote A+ aus. Damit hat sich die Liga zum 17. Mal in Folge zumindest eine A-Wertung gesichert. Expertin Brooke Migdon spricht auf dem Portal „Changing America“ von einer „nahezu perfekten Bewertung“ für die Personalpolitik und den Umgang der Liga mit gesellschaftspolitischen Fragen. Dafür gab es Wertungen von 96,8 bis 98,3 von maximal 100 möglichen Punkten. Damit liegt die WNBA vor allen anderen US-Profiligen wie der Männer-NBA, vor Football, Baseball und Fußball.
Um ein „A“ zu erhalten, müssen mindestens 30 Prozent der Mitarbeiter einer Liga nicht-weißer Hautfarbe sein, und zumindest 45 Prozent nicht männlich. Diese Quoten übertrifft die WNBA locker – mit einem Anteil „farbiger“ Spielerinnen von 74,5 Prozent, mit mittlerweile fünf „People of Color“-Cheftrainern und mit einem Anteil von 61,3 Prozent bei den Assistenztrainern. Von 170 führenden Managerinnen und Managern in der Liga sind 84 Frauen. Davon kann die Männerliga NBA nur träumen – die zuletzt Noten zwischen A und C erhielt.
Der Fußball ist von Frauenanteilen wie in der WNBA weit entfernt. Aber auch hier kommt Bewegung ins Spiel. Die Fußballerinnen des FC Bayern spielten zuletzt im Champions-League-Viertelfinale gegen Paris Saint-Germain das erste Mal in der Allianz Arena, in der normalerweise Manuel Neuer, Thomas Müller & Co. kicken. Immerhin 13.000 Zuschauer sind gekommen. Sportdirektorin Bianca Rech spricht von einem Meilenstein: „Die Signalwirkung ist natürlich immens. Die Allianz Arena ist eine wunderbare Bühne.“ In Spanien ist der Frauenfußball noch wesentlich weiter. Hier haben die Fußballerinnen des FC Barcelona das legendäre Stadion Camp Nou mit über 90.000 Zuschauern in dieser Champions-League-Saison bereits zweimal ausverkauft. Das haben früher nur Lionel Messi & Co. geschafft.
Beim Deutschen Fußball-Bund gibt es seit 1. April mit Heike Ullrich erstmals eine Generalsekretärin. Und im DFB-Präsidium sitzt ab sofort nicht mehr nur eine Frau – sondern gleich fünf. Die Sportwissenschaftlerin Silke Sinning, eines der neuen Präsidiumsmitglieder, weiß dennoch: „Das Beharrungssystem der Männer ist sehr groß.“ Der Wunsch der Frauen nach Veränderung ist aber oft noch größer. Die Norwegerin Ada Hegerberg, eine der besten Fußballerinnen der Welt, ist gerade ins Nationalteam zurückgekehrt, aus dem sie 2017 aus Protest gegen die Benachteiligung der Frauen durch den nationalen Fußballverband zurückgetreten war. Mittlerweile erhalten die Nationalspielerinnen in Norwegen und Australien die gleichen Prämien und Ausschüttungen wie ihre männlichen Kollegen – denn auch sie müssen schließlich 90 Minuten auf dem Platz stehen. Ada Hegerberg über den vielleicht wichtigsten Erfolg ihrer Karriere: „Ich freue mich, dass ich zum Team zurückkehren und mit ihm einen neuen Abschnitt beginnen kann.“
2021 war bei den Olympischen Sommerspielen mit der neuseeländischen Gewichtheberin Laurel Hubbard erstmals eine Trans-Athletin am Start. „Ich bin dankbar für die Freundlichkeit und die Unterstützung, die ich von so vielen Neuseeländern erhalten habe“, so die 43-Jährige. Die Zahl der LGBTQ+-Sportlerinnen und Sportler war in Tokio so hoch wie nie zuvor. Und in der nordamerikanischen Eishockey-Liga NHL sowie in der Football-Liga NFL haben sich 2021 mit Luke Prokop und Carl Nassib erstmals zwei Spieler als schwul geoutet.
„Ich möchte mir nur einen kurzen Moment Zeit nehmen, um zu sagen, dass ich schwul bin“, erklärte Nassib in seinem Instagram-Video, für das er mittlerweile knapp 800.000 Likes erhalten hat. „Ich wollte das schon eine Weile tun, aber jetzt fühle ich mich endlich wohl genug, um es loszuwerden.“ Wie viel Arbeit in Sachen Vielfalt bei sportlichen Aktivitäten noch bleibt, zeigt aber ein simples Beispiel aus dem Outdoor-Bereich in den USA. Dort sind 78 Prozent der Besucher in den Nationalparks immer noch weiß.
The Atlantic schreibt: „Afroamerikaner, Latinos, Frauen und Mitglieder der LGBTQ-Gemeinschaft berichten häufig, dass sie sich in der freien Natur nicht willkommen oder unsicher fühlen. Darüber hinaus sind diese Gruppen in der Outdoor-Branche, die von Parkwächtern bis hin zu Einzelhandelsmitarbeitern reicht, kaum vertreten.“ Aber auch das soll sich jetzt ändern, mit dem „Inclusive Outdoors Project“. Die Initiative hat sich diese Ziele gesetzt: „Zugang für Menschen mit Behinderungen, Zugang für People of Color und Queer-Communities, Zugang zu Finanzen und zu Outdoor-Ausrüstung. Und die Liste geht weiter!“
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