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INTERVIEW/11.02.2025

„Qualität bedeutet nicht nur Langlebigkeit, sondern auch Umwelt- und soziale Auswirkungen“

Wendy Savage
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Wendy Savage von Patagonia spricht in diesem Interview über nachhaltige Herausforderungen, warum Qualität nicht nur eine Frage der Langlebigkeit ist, sondern auch vom Einfluss der Produkte während ihrer Herstellung abhängt. Sie betont außerdem, wie entscheidend Kommunikation ist und wie weit Patagonia und Teile der Textilbranche bereits auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit gekommen sind.

Wendy Savage ist Senior Director für soziale Auswirkungen und Transparenz bei Patagonia. Sie kümmert sich um alle Auswirkungen, die im Zusammenhang mit Arbeits- und Menschenrechten einhergehen. Der Bereich Transparenz konzentriert sich darauf, die Herkunft der Produkte genau zu kennen. Ihr Ziel ist es sicherzustellen, dass alles, was Patagonia seinen Kund*innen über Fasern und die Produktfertigung mitteilt, durch verlässliche Informationen belegt ist.

Schau dir das vollständige Interview auf YouTube an:

ISPO.com: Du bist definitiv die richtige Ansprechpartnerin, wenn es um Qualität geht und wie entscheidend diese für die Lebensdauer eines Kleidungsstücks ist. Was bedeutet Qualität für dich und für Patagonia?

Wendy: Für uns bedeutet Qualität nicht nur Langlebigkeit, obwohl diese natürlich wichtig ist. Qualität umfasst auch die Umwelt- und sozialen Auswirkungen unserer Produkte. Wir achten beispielsweise genau auf die Auswirkungen der von uns verwendeten Fasern. Darüber hinaus legen wir großen Wert auf Transparenz und darauf, die Herkunft unserer Materialien genau zu kennen und mit unseren Zulieferern offen zusammenzuarbeiten. Es braucht Zeit, um ein so ganzheitliches Produkt zu schaffen: Aber das Ergebnis ist ein Produkt, das ein Leben lang hält, repariert werden kann und sogar ein zweites Leben erhält – und so die Deponie vermeidet.

Denkst du, die Bedeutung von Qualität ist in den letzten Jahren oder Jahrzehnten insbesondere durch Fast Fashion verloren gegangen?

Ja. Wenn Produkte so entworfen werden, dass sie kaum reparierbar sind oder aus Fasern bestehen, die erhebliche Umweltauswirkungen haben, ist das problematisch. Leider hat sich diese Entwicklung im Laufe der Jahre verschärft. Bei Patagonia verdoppeln wir deshalb unsere Anstrengungen, um hochwertige Produkte zu liefern, die unsere Verantwortung gegenüber Umwelt und Gesellschaft widerspiegeln.

Wendy Savage und Claudia Klingelhöfer erörtern, wie Qualität über Langlebigkeit hinausgeht und auch ökologische und soziale Auswirkungen umfasst
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Marken müssen ihre Nachhaltigkeitsmaßnahmen klar kommunizieren. Es ist für Verbraucher*innen oft schwierig, zwischen guter und schlechter Qualität zu unterscheiden – warum ist das so?

Wir haben heutzutage eine Fülle an Informationen zur Verfügung – manchmal zu viele. Verbraucher können damit beginnen, auf Etiketten, Zertifizierungen und die verwendeten Fasertypen zu achten. Es gibt auch Organisationen, die Marken nach verschiedenen Standards bewerten. Es bleibt eine Herausforderung, aber als Marken müssen wir klar kommunizieren und die Informationen liefern, die Verbraucher*innen benötigen, um fundierte Entscheidungen treffen zu können.

Wie du sagtest, ist Kommunikation entscheidend. Welche Rolle spielt dabei das Marketing?

Marketing spielt eine wesentliche Rolle, besonders in der Aufklärung. Bei Patagonia geht es in unserer Philosophie nicht darum, mehr Produkte zu verkaufen, sondern unsere Kunden zu informieren, damit sie selbst entscheiden können, ob sie überhaupt ein Produkt kaufen müssen. Auf unserer Website bieten wir beispielsweise sowohl neue als auch gebrauchte Produkte an, um die Bedeutung von Qualität und bewussten Entscheidungen zu unterstreichen. Unser Marketingteam ist äußerst kreativ und arbeitet hart daran, technische Informationen über Qualität, Umweltmaßnahmen und soziale Auswirkungen in Geschichten zu übersetzen, mit denen sich die Kunden identifizieren können.

Es ist klar, dass verantwortungsvolles Marketing und gute Produkte entscheidend sind. Aber wie können wir als Gesellschaft die Überkonsumtion überwinden?

Das ist eine große Herausforderung, der wir uns aktiv stellen. Patagonia erstellt beispielsweise Bildungsinhalte, um Verbraucher*innen für dieses Thema zu sensibilisieren. In einem unserer jüngsten Videos untersuchen wir die psychologischen Auslöser hinter dem „Kaufen, kaufen, kaufen“-Denken. Wir veranstalten auch Diskussionsrunden über Überkonsum und dessen Verbindung zum Umweltschutz. Es gibt noch viel zu tun, besonders angesichts der großen Menge an Wegwerfprodukten, aber Bildung und Bewusstsein sind der Schlüssel.

Jacke auf Kleiderbügel aus Karton
Patagonia will sich im kommenden Jahr noch stärker auf sein Worn Wear Programm konzentrieren
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Welche Rolle spielt die Gesetzgebung sowohl aus Marken- als auch aus Verbrauchersicht?

Die Gesetzgebung ist sehr wichtig. Als ich vor über zwanzig Jahren in diesem Bereich anfing, gab es wenig Interesse daran, wie Produkte hergestellt werden. Patagonia hat sich schon damals freiwillig hohe Standards gesetzt, selbst wenn wir damit gegen Marken antraten, die nichts Vergleichbares taten. Es ist großartig zu sehen, dass viele dieser freiwilligen Maßnahmen nun in die Gesetzgebung aufgenommen werden. Das wird für Marken, die gerade erst anfangen, eine Herausforderung sein, aber es ist notwendig, um gute Praktiken auf breiter Ebene zu etablieren. Zusammenarbeit und Wissensaustausch werden dabei helfen, gemeinsam Fortschritte zu erzielen.

Patagonias Fokus auf die Zukunft: Es ist beeindruckend zu sehen, wie viel sich in den letzten 20 Jahren verändert hat. Was sind die zentralen Schwerpunkte von Patagonia in Bezug auf Qualität bis 2025?

Wendy: Wir intensivieren unsere bestehenden Bemühungen, insbesondere die Ausweitung unseres Worn Wear-Programms. Das Ziel ist es, reparierte und bereits geliebte Produkte in noch mehr Haushalte zu bringen. Es gibt nach wie vor viel Aufklärungsarbeit, um Verbraucher davon zu überzeugen, Secondhand-Produkte neuen vorzuziehen. Wir organisieren auch Pop-up-Stores, um einzigartige, reparierte Artikel zu präsentieren. Darüber hinaus konzentrieren wir uns auf existenzsichernde Löhne, Dekarbonisierung, regenerative biologische Landwirtschaft und mehr. Besonders spannend ist die Skalierung der Kreislaufwirtschaft, und wir prüfen, wie gesetzliche Rahmenbedingungen und die Zusammenarbeit zwischen Marken dies unterstützen können.

Seit 2013 tourt Patagonia mit seinen Worn Wear Reparaturen durch Europa und besucht Messen, Events und Festivals
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ISPO Munich

Bei ISPO sprechen wir mit Stakeholdern aus der gesamten Branche. Wenn du einen Wunsch für die Sport- und Bekleidungsindustrie frei hättest, welcher wäre das?

Beim Thema Kreislaufwirtschaft lautet mein Wunsch: Lasst uns zusammenarbeiten. Wenn ihr nicht wisst, wo ihr anfangen sollt, klopft bei uns an. Wir teilen gerne Tools und Ideen. Manchmal zögern Marken, weil sie befürchten, dass ihre Kund*innen Veränderungen nicht annehmen werden. Aber man muss nicht gleich alles umkrempeln. Fangt klein an – vielleicht mit einem Produkt oder einer Farbe – und schaut, wie es läuft. Gesetzliche Vorschriften werden uns alle weiter vorantreiben, aber durch Zusammenarbeit und kleine Schritte können wir gemeinsam viel bewirken.

Das sind großartige Schlussworte: Mut haben, zusammenarbeiten und kleine Schritte gehen. Vielen Dank, dass du hier warst, Wendy Savage!

Vielen Dank. Es war mir eine Freude.

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