Er zählt ohne Zweifel zu den größten Heroes, die die Sportwelt je gesehen hat: Robby Naish. Aufgewachsen in den Wellen vor San Diego wird der Amerikaner mit gerade einmal 13 Jahren zum ersten Mal Weltmeister im Windsurfen. Naish surft allen davon. Es folgen 23 weitere Weltmeistertitel im Windsurfen und einige weitere im Kitesurfen. Naish leistet Pionierarbeit! Er entwickelt das Windsurfen maßgeblich weiter, baut kürzere Surfbretter, erfindet das Sichtfenster im Segel, Fußschlaufen und das Trapez. Er gründet seine Firma Naish Sails und produziert Boards, Riggs, aber auch Kiteausrüstung, SUP-Boards und Foilboards. Nachdem er 2001 mit über 70 km/h einen neuen Geschwindigkeitsrekord im Kite-Surfen aufgestellt hat, zieht er sich vom Profisport zurück. Die Wellen macht er auch heute noch unsicher, etwa vor der Küste Costa Ricas, wo er die längste Welle seines Lebens surft: Zwei Minuten steht er die über einen Kilometer lange Wasserwalze. Nicht nur Surfer auf der ganzen Welt lieben Robby Naish, selbst die Wellen tun es!
Als Kind hat Tony Hawk psychische Probleme, ist in der Schule unterfordert und ein Junge mit hohem Aggressionspotenzial. Aus diesem Grund schenkt sein Vater Frank Peter Rupert Hawk ihm sein erstes Skateboard. Damit kommt alles ins Rollen! 1982 wird Hawk mit 14 Jahren Skateboard-Profi. Zwei Jahre später gilt er als der weltweit beste Skater, mit 17 kauft er sein erstes Haus. Der „Birdman“ fliegt – und wie. Insgesamt kann der US-Amerikaner 11 Weltmeistertitel gewinnen, gilt als Pionier des Vert-Styles und ist heute zweifelsohne einer der bekanntesten Skateboarder der Welt. Er erfindet an die 100 neue Skateboardtricks wie den „Stalefish", den „Hurricane“ oder den „900“, eine Drehung um 900 Grad. Schwieriger geht’s kaum. Auch zwanzig Jahre nach Ende seiner aktiven Karriere trägt der Kalifornier wesentlich zur Verbreitung des Action Sports bei. So hat er nicht nur die Videospiel-Serie „Tony Hawk´s“ aus der Taufe gehoben, sondern gründet 1992 die Skateboard-Company Birdhouse Skateboards, die bis heute existiert. Mit der gemeinnützigen Organisation „The Skatepark Project“ unterstützt Hawk den Bau von Skateparks für Jugendliche in unterversorgten Gemeinden. Weltweit sind so bislang 600 Skateparks entstanden. Hawk erinnert sich: „Der Skatepark war mein zweites Zuhause, wo ich mein Gemeinschaftsgefühl fand, wo ich meine Freunde und mein Identitätsgefühl fand. Und ich habe nie vergessen, wie glücklich ich war, das zu haben.“ Papa Frank hat mit seinem Geschenk nicht nur seinen Sohn positiv verändert, sondern gleich eine ganze Kultur!
Ohne Jake Burton Carpenter hätte es eine ganze Kultur nicht gegeben, und eine Sportart und ihr Lebensgefühl wären nie entstanden. In den 1970er Jahren experimentiert Carpenter in seiner Scheune in Vermont mit dem Snurfer, dem Vorgänger des heutigen Snowboards. Der Snurfer ist ein breiter Ski ohne Bindung, an dessen Spitze ein Seil befestigt ist, an dem man sich festhält, um so durch den Schnee zu gleiten. Carpenter ist das zu ungelenk, er tüftelt weiter. Sein Wille und Enthusiasmus zahlen sich aus: 1977 gründet er das Unternehmen Burton Snowboards, das sich nach anfänglichen Schwierigkeiten zum Weltmarktführer für Produkte rund ums Snowboard entwickelt. Burtons Engagement ist es zu verdanken, dass in immer mehr Skigebieten auch Snowboarder fahren dürfen. Denn die sind anfangs dort gar nicht gern gesehen. Mit dem Aufbau von Snowboardschulen und Wettbewerben sorgt der Pionier für weiteres Wachstum. 1998 in Nagano ist Snowboarden erstmals olympische Sportart. Der New York Times sagt Jake Burton Carpenter einst: „Leben bedeutet nicht, einen Puls zu haben. Es geht um Freunde, Erlebnisse, darum zu leben. Wenn all das verschwindet, ist es kein Leben mehr.“ 2019 stirbt Jake Burton Carpenter an Krebs. Seine Legende aber lebt weiter.
Angefangen hat es in den Wäldern Nordfrankreichs. Raymond Belle, der als Kindersoldat in Vietnam gekämpft hat, zeigt seinem Sohn David, wie man sich im Dickicht schnell und effizient fortbewegt. Als die Familie Belle in den 1980er Jahren in den kleinen Pariser Vorort Lisses zieht, passt David die Methode der spielerischen Verfolgungsjagd an die Bedingungen der Stadt an. Mauern, Hauswände, Treppen, Zäune, Papierkörbe oder Tischtennisplatten – David nutzt all das Vorhandene und perfektioniert seine Methoden. Daraus entstanden ist Parkour, die wohl kunstvollste Art der Fortbewegung. David Belle gilt als ihr Gründer und Entwickler. Für den Franzosen ist Parkour aktive Meditation, die den Fokus stärke. 2005 gründet er die Parkour Worldwide Association (PAWA), dessen Unterstützung er allerdings nach nur einem Jahr wieder aufgibt. Belle studiert Schauspiel und nutzt seine Fähigkeiten auch in seinem Beruf. Als Stuntman und Darsteller ist er Teil von großen Filmproduktionen wie „Die purpurnen Flüsse 2“, „Transporter - The Mission“ oder Luc Bessons Actionfilm „Brick Mansions“. Auch für Werbefilme von Nike, Canon oder Nissan ist Belle bereits durchs Bild gesprungen. Erst kürzlich verkörperte er die Hauptfigur im postapokalyptischen Videospiel „Dying Light 2“. Ab und zu wagt sich Belle auch abseits der virtuellen Welt noch in den Parkour. Wie lang noch? „Das entscheidet allein mein Körper. Wenn der sagt, dass es reicht, dann höre ich auf“, so der 49-Jährige.
Als Kind hat Layne Beachley den Traum, an der Börse Karriere zu machen. Nach einem zweiwöchigen Praktikum stellt sie allerdings fest, in was für einem Haifischbecken sie sich befindet. Lieber stürzt sie sich in die Wellen vor der australischen Küste und wird mit 16 Jahren Profisurferin. Sieben Mal wird sie Weltmeisterin und ist damit die erfolgreichste Pro-Surferin der Welt. Die Australierin gründet die „Aim for the Stars Foundation“ und möchte mit ihrer Organisation den weiblichen Surf-Nachwuchs unterstützen. „Das Reisen um die halbe Welt war eine Herausforderung ohne jegliche Garantie auf Preisgeld. Ich fühle mich gesegnet, dass ich heute in der Position bin, der neuen Generation etwas zurückzugeben“, sagt die 50-Jährige. Heute steigt Beachley nur noch selten aufs Board, der Sport hat Spuren hinterlassen. Lieber widmet sie sich ihrer neuen Leidenschaft, dem Coaching. Sie gibt Kurse in „Self Empowerment“: Sich von Angst zu lösen, Mut zu finden und den Spass zurückzubringen, damit kennt sich Layne Beachley bestens aus!
Bob Burnquist ist fürs Skateboarden geboren und wird es wohl mit ins Grab nehmen: „Ich höre erst auf zu skaten, wenn ich sterbe.“ Der gebürtige Brasilianer hat mit 11 Jahren das Skateboard für sich entdeckt und fliegt seitdem über die größten Ramps der Welt. Eine davon steht in seinem Garten, „Dreamland“ hat er sie getauft. Ab und zu öffnet er sein Skateparadies für Fans. Die verehren Burnquist, der als erster Mensch einen „Fakie 900“ landete, immer noch. Denn der heute 46-jährige Skateboard-Pro hat in seiner Karriere 30 Medaillen bei den X-Games gewonnen. Damit ist er bis dato der erfolgreichste Sportler der X-Games aller Zeiten.
Diese drei Nachwuchstalente mischen die Action-Sport-Szene auf:
Bereits mit 10 Jahren hat Kriss Kyle mit BMX begonnen und von Beginn an ist es sein Traum, Profi zu werden. Das hat der 31-jährige Brite längst geschafft. Heute zählt er zu den kreativsten Park-Ridern der Szene und sorgt mit immer neuen Ideen für kopfschüttelnde Begeisterung. Wer bereits von Kaleidoscope in seinen Bann gezogen wurde, der fragt sich bei Kyles neustem Projekt, welche Grenzen es für diesen Mann eigentlich gibt? Zuletzt hebt Kyle ab, genauer gesagt auf eine Skatepark-Bowl in 610 Metern Höhe, hängend an einem riesigen Heißluftballon. Einzige Vorgabe: „Don´t look down!“ Für den Ernstfall muss Kyle einen Notfallschirm tragen. Das Ergebnis ist wahnsinnig wie unglaublich zugleich. Wir sind gespannt, was Kyle als Nächstes aus dem Helm zaubert. Der Schotte rockt sicher noch länger!
Aufgewachsen in einer Pflegefamilie – der Vater verstarb früh, seine Mutter war drogenabhängig – findet Leo Baker früh im Skateboarding sein zu Hause. Nur dort kann er so sein, wie er will. In der Pubertät wird im endgültig bewusst, dass er im falschen Körper geboren wurde. Damals heißt Leo noch Lacey und gewinnt unter diesem Namen fast alles, was es in der Skateboard-Welt zu gewinnen gibt. Mit den zahlreichen Erfolgen steht Baker in der Weltrangliste an erster Stelle und wird 2006 sogar Weltmeisterin. Baker wird von Fans und Sponsoren gefeiert, die Karriere scheint vorprogrammiert. Doch im Stillen kämpft Leo mit seiner Identität. Privat hat er sich bereits als trans geoutet, seinen Namen Lacey abgelegt und die Pronomen von she/her zu he/him geändert. Doch auf Druck von Sponsoren, die Profit aus einer der bis dato besten weiblichen Skateboarderin schlagen wollen, nimmt er zunächst noch als Frau an Contests teil. Zu groß die Angst, Sponsoren zu verlieren und damit den Traum vom Skate-Pro an den Nagel hängen zu müssen. 2019 schafft Leo Baker die Qualifikation zu den Olympischen Spielen in Tokio, bei denen Skateboarding erstmals als eigene Disziplin ausgetragen wird. Doch mit der Aussicht, für das Frauenteam zu skaten, entscheidet er sich, nicht anzutreten. Als nichtbinäre Person will sich Baker nicht einem Geschlecht unterordnen müssen, mit dem er sich nicht identifiziert. Nach dem sportlichen Outing wenden sich viele Sponsoren ab. Der US-Amerikaner kann sich das Leben als Skateboard-Pro nicht mehr leisten und arbeitet fortan als Grafikdesigner. Skateboarding – eigentlich eine Sportart, die für Individualität und grenzenlose Freiheit steht. Doch Leo Baker hat andere, schmerzhafte Erfahrungen gemacht. Davon erzählt die Netflix Dokumentation „Stay on board!“ eindrucksvoll und einfühlsam. Baker ist der Beweis, dass es im Sport um mehr geht, als nur um Erfolg und Wettbewerbe.
Heute ist Leo glücklicher denn je, ganz ohne Wettkämpfe. Dafür aber mit einer eigenen Skateboard-Marke Glue, die sich für queere Menschen einsetzt. Außerdem tritt Leo Baker als Charakter im neuen Videospiel von Tony Hawk auf. Mittlerweile ist der 31-Jährige zur Ikone der LGBTQ-Gemeinschaft und das Gesicht der Equality-Kampagne von Nike. Miley Cyrus feiert ihn 2019 mit einem Auftritt in ihrem Musikvideo zu Mother´s Daughter. Sich selber treu, authentisch und standhaft bleiben – Baker hat das bewiesen und genau deswegen ist er ein Hero für viele.
Dass es nie zu spät ist, etwas Neues anzufangen, beweist Anna Gasser. Bis zu ihrem 15. Lebensjahr ist die Österreicherin aktive Kunstturnerin, dann hatte sie keine Lust mehr auf die Halle. Nach drei Jahren ohne Sport merkt sie, dass ihr etwas fehlt. Ihr Cousin zeigt ihr Snowboardvideos, Gasser ist total geflasht. Ende 2010 steht sie erstmals auf einem Snowboard, ein paar Tage später beschließt sie Profi zu werden. Drei Jahre später wird sie über Nacht zum Shooting-Star. Als erste Frau steht sie den „Double Creek 900“, einen doppelten Rückwärtssalto mit zweieinhalb schraubenförmigen Drehungen. Seitdem mischt Anna Gasser die Snowboard-Szene im Freestyle auf. Zwei Mal Gold bei Olympischen Winterspielen, zwei Mal Gold bei Weltmeisterschaften, vierfache Gewinnerin bei den X-Games, insgesamt sechs Weltcup-Gesamtsiege. Viele sind gut, aber Gasser ist krasser! Auch den „Cab Triple Underflip 1260“, einen dreifachen Rückwärtssalto mit halber Drehung, bringt Gasser auf die Piste. Dann ein Rückschlag: 2019 verletzt sie sich schwer am Knöchel und muss für zehn Wochen pausieren. Nur einen Monat nach dieser Pause gelingt ihr ein weiterer Rekordsprung. Bei einem Videodreh steht sie den „Cab Double Cork 1260“ – dreieinhalb Drehungen, davon zwei über Kopf. Absolut schwindelerregend. „Es lohnt sich ein Risiko einzugehen, wenn man eine Leidenschaft hat“, sagt die Kärntnerin. Dank Anna Gasser ist eine neue Ära im Snowboarden angebrochen. Mit ihr zeigen Frauen jetzt die gleichen waghalsigen Tricks wie Männer. Jetzt wird sie nicht mehr nur belächelt, sie wird bestaunt.
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