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SportsTech/16.11.2023

Trainingsrevolution: So verändert KI den Fußball

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Künstliche Intelligenz ist im Fußball schon lange kein Fremdwort mehr. Schritt für Schritt verändern Technologien den Blick auf das Spiel. Der Mannschaftssport wird sich durch KI in den kommenden fünf Jahren „massiv“ verändern, sagt der Sportinformatiker Daniel Memmert. Er weiß auch, welcher Bereich davon am meisten betroffen ist und ob bald schon Verletzungen vorausgesagt werden können.

Schon lange arbeiten Trainer*innen im Spielsport, vor allem im Fußball, mit unzähligen Trainingsdaten. Zunächst integrierten beispielsweise Erstligamannschaften neue Technologien, da das Messen und Auswerten von physiologischen Parametern von jeher zu dem Berufsbild ihrer Fitnesscoaches gehört. Im Training und im Spiel, zuerst ohne und später mit Ball, kann das Coaching-Team Geschwindigkeit, Beschleunigungen oder zurückgelegte Kilometer von Spieler*innen gut erfassen. Diese Daten werden heute auch mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) analysiert. Die Trainer*innen integrieren die gewonnenen Erkenntnisse in ihre Trainingspläne, leiten Belastungsprofile ab und steuern die Einheiten. Inzwischen können auch komplexe Trainingsinhalte mit Ball durch KI entscheidend mitgeplant und analysiert werden.

Solche Entwicklungen begleitet Daniel Memmert wissenschaftlich mit. Memmert ist Professor und geschäftsführender Leiter des Instituts für Trainingswissenschaft und Sportinformatik an der Deutschen Sporthochschule Köln. Er veröffentlichte zahlreiche (Fach-) Publikationen, zum Beispiel zu Datenanalyse im Fußball, und forscht unter anderem für den Deutschen Fußball und die Deutsche Fußball Liga. Für ISPO.com gibt er eine Prognose, wie weit KI den Sport verändern wird und zeigt, was heute im Spitzensport und bald auch im Freizeitsport mit KI möglich sein wird.

Daniel Memmert, Professor der Deutschen Sporthochschule Köln, im Interview
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Benjamin Lau

Wie weit wird KI den Spielsport in den kommenden fünf Jahren verändern?

Massiv. Der Hauptfaktor wird das Scouting sein. Nur ungefähr zehn Prozent der professionellen Vereine nutzen im Moment Datenscouting. Das wird in den kommenden Jahren explodieren. So gibt es viele Ligen, beispielsweise die brasilianische und die argentinische, die noch keine zufriedenstellende Tracking- oder Positionsdaten erfassen. Irgendwann werden alle Ligen diese Daten haben. Zum Beispiel wird man dann mit einem Klick eine Liste von Spielern mit bestimmten Metriken, die der jeweilige Verein wichtig findet, bekommen. Dann kann man beispielsweise die zehn besten Spieler aus dieser Liste nochmal live beobachten oder per Video scouten. Einige Vereine stellen inzwischen schon weniger Scouts ein, dennoch ist die herkömmliche Spielerbeobachtung derzeit noch vorherrschend. Auch in die Jugendbereiche U17 oder U19 wird Datenscouting in kommenden Jahren übergreifen, um Spieler schneller, effizienter und effektiver nach bestimmten KPIs suchen, auflisten, analysieren und bewerten zu können.

Grafik von Daniel Memmert über die Generationen der Spielanalyse.
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Daniel Memmert

Inwiefern wird die Talentsuche bereits von künstlicher Intelligenz unterstützt?

Mit unserem selbst entwickelten und validierten Tool nutzen wir historische Daten aus den Bundesligavereinen und berechnen beispielsweise Wahrscheinlichkeiten, welche Spieler von der U12 schon in die U14 wechseln sollten. Oder welchen Marktwert und wie viele Profiminuten Spieler später haben werden. Grundlage sind immer die historischen Daten, die uns eine Schätzung für die Zukunft geben.

Würde eine KI erkennen und mit einberechnen, wenn Jugendliche besonders weit entwickelt sind, bzw. hinter ihrem biologischen Alter zurückbleiben?

Da würden wir andere Maßnahmen einsetzen. Da gibt es zum Beispiel das BioBending. Danach werden die Spieler im Training und Wettkampf nach ihrem biologischen Entwicklungsstand statt nach ihrem kalendarischen Alter gruppiert und beurteilt, um das Problem des „relative age effect“ zu umgehen. Gleichzeitig ist es statistisch so, dass Spieler, die spät im Jahr geboren wurden, an einigen Nachwuchsleistungszentren mehr Profiminuten sammeln, als diejenigen, die im Januar bis März geboren sind. Das ist der sogenannte „reversed relative age effect“. Da die Jüngeren fortwährend mit Stärkeren/Größeren spielen und sich durchsetzen müssen, können daraus auch Vorteile entstehen. In der Tat ist es aber so, dass wir auch hier anfangen, mit KI zu arbeiten. Wir haben bereits Prognosemodelle entwickelt, um den „relative age effect“ einzubeziehen.

Können das auch Amateurvereine relativ einfach anwenden?

Natürlich ist das insgesamt sehr aufwändig. Es gibt aber immer günstigere Kamerasysteme, die Videodaten liefern, aus denen sich Trackingdaten extrahieren lassen. Seit etwa fünf Jahren wird damit gearbeitet. Diese Möglichkeiten werden in Zukunft bald für viele Vereine im Amateurbereich erschwinglich sein, da auch die Sensoren nicht mehr so viel kosten. Für viele Technologiefirmen entsteht so ein Geschäftsmodell, mit kleineren Vereinen zusammenzuarbeiten.

Inwiefern unterstützen KI-Systeme die Rehabilitation?

Das Fachwort hierzu heißt „Injury Prediction“. Hier gibt es Studien, die aufzeigen, mit welchen Wahrscheinlichkeiten sich wann Spieler verletzen werden, wenn man sie nicht schont. Dazu braucht man medizinische Daten und deshalb ist es sehr schwer, so etwas zu publizieren beziehungsweise transparent zu machen. Hier brauchen wir noch am meisten Forschung. Wir wollen noch besser verstehen, welche Historie an Verletzungen dazu führt, dass Spieler geschont werden sollten. Gleichzeitig untersuchen wir, in welchen Situationen eines Spiels – zum Beispiel bei welcher Art von Zweikämpfen – das Verletzungsrisiko besonders groß ist. Solche Fragen kann man aufgrund von großen, historischen Datenmengen sehr schön mit KI bearbeiten. Für solche Projekte versuchen wir gerade, Geldgeber zu finden.

„Injury Prediction“ sagt voraus, wann sich Sportler*innen verletzen.
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Anastasia Shuraeva/pexels

Würde eine KI mir auch sagen, wenn ich eine Pause machen muss?

Ja, natürlich. Sobald historische Daten oder auch Vergleichsdaten innerhalb von Gruppen vorliegen, wobei historische Daten von einem Athleten sinnvoller sind, dann benutzt diese KI diese Informationen, um das Training entsprechend zu steuern.

Die KI versucht, die Leistungsdaten einzuordnen, und sie weiß aufgrund der vorliegenden Daten aus der Vergangenheit, in welchem Trainingsbereich sich der Athlet bewegt.

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Wie sieht der Einsatz von KI beim Lernen/Verbessern von Bewegungstechniken aus?

Bewegungstechniken sind in meinen Augen etwas höchst Individuelles. Dort Normen zu generieren, lehne ich ab. Es gibt nicht die goldene Standardtechnik, sondern aufgrund der biomechanischen und anthropometrischen Voraussetzungen führen viele verschiedene Techniken zu Spitzenleistungen. Beispielsweise haben die besten zehn Tennisspieler der Welt relativ unterschiedliche Techniken bei Aufschlag, Rückhand oder Vorhand. Da es keine ideale Norm-Technik gibt, ist der Einsatz von KI hier viel komplexer. Da müsste schon sehr viel Zeit investiert werden, damit wir hier sinnvolle Ergebnisse haben. Da sind wir ganz am Anfang.

Für Amateurmannschaften gibt es günstigere Kamerasysteme zur Videoanalyse.
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Norbert Braun/unsplash

Springen wir in den Taktikbereich. Das ist sicher auch hochkomplex. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Kamera ein Spiel aus 1000 Perspektiven aufnimmt und danach eine Taktik ausspuckt … Oder?

Ja, doch, genauso funktioniert es. Wir haben beispielsweise die Daten aus der deutschen Fußball-Bundesliga. Damit können wir die Raumkontrolle der Spieler, der gesamten Mannschaft, die Pressingwerte, die überspielten Gegner und viele weitere taktische Variablen in Sekundenbruchteilen herauslesen. Da die Sensordaten von Ball und Spielern inzwischen eine hohe Zuverlässigkeit haben, wird alles sehr genau getrackt. Somit haben wir hier erstklassige Daten und sehr gute KI-unterstützte Analysen.

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