- Künstliche Intelligenz als Unterstützung für Trainer*innen
- Freeletics mit KI-Expertise auf Erfolgskurs
- Der KI-Trainer kommuniziert menschlich
- Nach dem Sprechen lernt die KI Sehen
- Trainer oder KI: Wer korrigiert besser?
- Frühzeitig vor Verletzungen warnen
- Mit künstlicher Intelligenz besser Turnen
- Smarte Tools optimieren Trainingssteuerung
- Der Menschen als komplettes biopsychosoziales System
- Explainable AI, die entscheidende Weiterentwicklung
In einer Studie setzte sich das Bundesinstitut für Sportwissenschaft schon 2021 mit dem Vormarsch digitaler Trainingskonzepte auseinander. „Ich glaube nicht, dass Trainer*innen grundsätzlich ersetzt werden können“, ist sich Prof. Dr. Alexander Asteroth als einer der Autor*innen der Studie sicher. Künstliche Intelligenz stelle vielmehr Werkzeuge bereit, um Trainer*innen bei ihrer Arbeit zu unterstützen. Sein Fazit: „Man muss das, was die künstliche Intelligenz vorschlägt, immer wieder kritisch hinterfragen. Und dafür braucht es Sachverstand. Und diesen bringen üblicherweise – echte – Trainer*innen mit.“
Ungeachtet solcher Kritik hat KI längst ihren Weg in den Breitensport gefunden. Das zeigt exemplarisch der Erfolg der 2013 gestarteten Fitness-App Freeletics. Sie ist Favorit von mehr als 57 Millionen Hobbysportler*innen. Der Fokus des Trainings liegt auf Kraft und Ausdauer ohne Geräte. Selbsteinschätzungen der Sportler*innen und die Trainingsdaten der Millionen User*innen sind beim – nach eigener Einschätzung – europäischen Marktführer eine valide Grundlage, auf der die KI die persönlichen Trainingsroutinen ständig anpasst und verbessert. Bereits 2017 hat Freeletics mit der Nutzung von fortschrittlichen Machine-Learning-Algorithmen begonnen und inzwischen eine hohe Expertise entwickelt.
Der Coach+ von Feeletics kommuniziert vor, während und nach dem Training individuell mit den Sportler*innen. Er sendet persönliche motivierende Nachrichten und Reminder, beantwortet im Dialog Fragen zu Wellness, Ernährung und Fitness und gibt Tipps zu Trainingstechnik, Leistungsoptimierung und Trainingsanpassung. Zum Pilotstart spricht Coach+, der in den Freeletics-Abos kostenlos inkludiert ist, vorerst nur Englisch. Deutsch und weitere Sprachen sollen folgen.
„Wir versuchen gar nicht, Personal Trainer zu ersetzen“, sagt Confidence F. Udegbue, Mitglied des Executive Teams & Director of Product and UX bei Freeletics, zum Selbstverständnis. „Wir möchten nur allen, die sich keinen Personal Trainer leisten können oder wollen, die Erfahrung eines auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenen Trainingsprogramms und einer individuellen Rund-um-die-Uhr-Betreuung geben.“
Die App motiviert, sportliche Ziele langfristig zu verfolgen und mit den richtigen Tools, der richtigen Einstellung und dem richtigen Coaching eine lebenslange Fitnessgewohnheit aufzubauen und diese auch zu genießen. Mit der frisch gestarteten Pilotversion des Coach+ wird der KI-Trainer im Hosentaschenformat für die Free Athletics noch mehr zum emotionalen Begleiter. „Wir nutzen unsere Expertise bei KI und die Fortschritte im Bereich der Large Language Model mit konversationeller und generativer KI. So bietet unsere App in Echtzeit eine menschenähnliche Kommunikation, Beratung und Motivation an“, so Udegbue.
Nachdem die Freeletics-App „Sprechen“ gelernt hat, soll das „Sehen“ folgen: Motion-Tracking-Lösungen sollen es der KI erlauben, die Bewegungen der Nutzer*innen über die Handykamera zu analysieren und zu korrigieren. Aktuell ist diese Anwendung schon weit fortgeschritten, aber bislang im experimentellen Stadium und deswegen noch nicht in die App integriert. Dass derartige Features bei einem breiten Anwendungsspektrum schon recht gut funktionieren, zeigt die App „Mirror“. Sie hilft ihren Nutzer*innen, Bewegungen beim Fitnesstraining korrekt auszuführen.
Doch kann Ferndiagnose Verletzungsrisiken ausschließen? Menschliche Trainer*innen müssten sich keine Sorgen um ihre Existenzberechtigung machen, davon ist der Münchner Personal Trainer George Tsantalis überzeugt: „Bei komplizierten Bewegungen wie Kniebeugen oder Kreuzheben kann eine KI nicht direkt eingreifen, wenn diese nicht korrekt ausgeführt werden, wie es ein Personal Trainer tun würde.“ Generell sieht Tsantalis in den Möglichkeiten, die KI langfristig bietet, aber noch viel Potenzial: „Da sich die Technologie nahezu jeden Tag verbessert, wird sie viel wettbewerbsfähiger und kann sicherlich auch für uns Personal Trainer und die Fitnessbranche in Zukunft noch hilfreicher sein werden."
Künstliche Intelligenz ist sogar in der Lage, Verletzungsgefahren vorherzusagen. Datenwissenschaftler Alessio Rossi von der Universität Pisa und sein Team haben italienische Profi-Fußballmannschaften über einen längeren Zeitraum analysiert. Die Forscher*innen fütterten eine KI mit Informationen zur Trainingsbeanspruchung, um Muster in den Belastungsdaten zu erkennen und schließlich Verletzungen vorherzusagen. Die KI konnte Wahrscheinlichkeiten errechnen, dass sich ein*e Spieler*in den nächsten Tagen oder Wochen verletzen könnte und auch Hinweise liefern, warum Verletzungen drohen.
Mithilfe der Kombination von Kamera-Daten und Informationen von Wearables kann KI sogar strategische oder taktische Situationen lösen. Zu diesem Ergebnis kommt der Bericht „Künstliche Intelligenz für den Spitzensport im Spannungsfeld zwischen Big und Small Data“ des Bundesinstituts für Sportwissenschaft. Und in technisch anspruchsvollen Sportarten mit bislang noch weitgehend subjektiver Bewertung durch Trainer*innen oder Wettkampfrichter*innen kann KI für objektivere Erkenntnisse und Ergebnisse im Trainingsbetrieb und Wettbewerb sorgen. Dazu zählen zum Beispiel die Bewegungsabläufe im Boden- und Geräteturnen. Die Sportler*innen führen mit Kraft und Präzision die einzelnen Elemente ihrer Übungen oft in so hoher Geschwindigkeit aus, dass dies für das menschliche Auge nur schwer nachvollziehbar ist. Hier kommt moderne, KI-gestützte Technologie ins Spiel.
Fujitsu und die International Gymnastics Federation (FIG) haben die erfolgreiche Entwicklung eines Bewertungsunterstützungssystems bei den 52. Kunstturn-Weltmeisterschaften im Oktober 2023 in Antwerpen eingesetzt. Die kamerabasierte Bildanalyse kann in Echtzeit und unter verschiedenen Blickwinkeln die komplexen Bewegungen der Turner*innen in allen Details auflösen. Die Ergebnisse zeigen in einer bislang unbekannten Qualität die Präzision und Detailgenauigkeit der Übungen. Damit können die Sportler*innen eine faire und objektive Bewertung ihrer Leistungen bei Wettkämpfen erwarten. Dies kann aber auch durch gezielte Optimierung das Training revolutionieren.
Ungebremst setzt sich die künstliche Intelligenz im Sport auf allen Ebenen der Trainingssteuerung immer mehr durch, weil smarte Tools hilfreiche Daten und Statistiken zur Verfügung stellen. Hinzu kommen Informationen, Erfahrungen und Feedbacks von User*innen aus der ganzen Welt, die die Daten für eine Weiterentwicklung liefern. Die App Enduco etwa erfasst zunächst das Training ihrer Nutzer*innen und integriert Leistungsdaten aus anderen Quellen. Unter Berücksichtigung der aktuellen Form und der sportlichen Ziele generiert der KI-gesteuerte Coach einen maßgeschneiderten Plan, der je nach Fortschritt angepasst wird. Auch Profis wie die britische Top-Leichtathletin Katarina Johnson-Thompson und andere nutzen KI-basiertes Fitness-Coaching-Systeme. Mit den Daten aus Wearables wie Smartwatches und Fitness-Trackern erstellte zum Beispiel das System des US-Anbieters Vi personalisierte Trainingspläne für die Medaillensammlerin Johnson-Thompson.
Der Erfolg solcher Apps bedeutet aber nicht, dass Personal Trainer überflüssig werden. Der Heidelberger Sportwissenschaftler und Personal Trainer Matthias Fischer verweist auf den Menschen als komplettes biopsychosoziales System. „Jeder Mensch ist zu komplex, um nach einem standardisierten Plan zu trainieren“, so der Inhaber der Firma CAPECS® sports consulting. „Eine künstliche Intelligenz kann sicherlich schon vernünftige Trainingspläne erstellen. Aber in der Praxis sehe ich bei meiner täglichen Arbeit, dass man den ganzen Körper durchleuchten, eine Anamnese machen muss. Nicht nur für optimale Ergebnisse beim Muskelaufbau, sondern insbesondere zur Schmerzprävention beziehungsweise Rehabilitation. Da sehe ich momentan noch die Grenzen.“
Prof. Asteroth, der unter anderem zu trainingsunterstützender KI arbeitet und forscht, setzt ebenfalls auf menschliche Trainer*innen. Noch überwiegt bei ihm die Skepsis gegenüber den durch Algorithmen automatisch erzeugten Trainingsplänen. „Aber in Zukunft, wenn diese sich weiterentwickeln, hat die künstliche Intelligenz Potenzial im Sportbereich in Form von Unterstützungssystemen für Trainer*innen, ganz gleich, ob im Leistungssport oder im Fitnesssektor. Aus meiner Sicht sollte das aber nie ein vollautomatisches System sein, sondern immer nur ein unterstützendes.
Weil wir es mit Menschen zu tun haben.“ Dabei möchte sich der Wissenschaftler nicht festlegen, mit welchen Entwicklungspotenzialen in den kommenden Jahren zu rechnen sein wird. Aus seiner Sicht könnte Explainable AI zu einem Gamechanger werden. Die meisten maschinellen Lernverfahren sind noch Blackbox-Algorithmen, sie treffen Aussagen ohne eine Erklärung, warum es zu genau diesem Vorhersage-Ergebnis kommt. Dies sei aber im Training ganz entscheidend. „Die KI muss nicht nur einen Plan liefern, sondern ebenfalls die Begründung dafür.“
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