Natürlich wurde auch 2023 auf der ISPO Munich viel diskutiert über die Zukunft des stationären Handels. Insbesondere die stetigen Nachrichten über Insolvenzen, fehlendes Personal, hohe Lagerbestände und zurückhaltende Käufer*innen zeigen, dass der Retail in einer sehr herausfordernden Lage ist. Was jedoch auf der ISPO Munich durchklingt: Die Branche setzt auf den stationären Handel und sieht physische Geschäfte als integralen Bestandteil der Handelslandschaft. Welche Rolle die Retailer*innen dabei erfüllen, hängt ganz von der Handelsstrategie der Marken und der Händler*innen selbst ab.
Wer transaktional nur auf Verkäufe setzt, wird die Konsument*innen nicht für sich gewinnen. Davon ist Maximilian Riebel von der BBE Handelsberatung überzeugt. In seinem Vortrag auf der ISPO Munich fragt er „wie bringen wir die Menschen zur Party?“ Die berühmten vier P aus dem Marketing-Lehrbuch – Produkt, Preis, Promotion, Place – lockten seit geraumer Zeit immer weniger Menschen in die Geschäfte. Deshalb ist die große Frage im Angesicht von Unternehmensübernahmen, Insolvenzen und Händlersterben in den Innenstädten, wie man 2024 trotzdem noch Publikum in seinen Laden lockt. Da die „P's aus dem Marketing-Mix“ nur noch „Hygienefaktoren“ seien, schlägt Riebel vor, sie durch neue P's zu ersetzen: Purpose, Passion, Plattform und Play. Dahinter stehen ein tieferer Sinn für die Existenz des Unternehmens, leidenschaftliche Mitarbeiter*innen, die Vermarktung über neue Kanäle wie TikTok sowie ein spielerisches Involvement der Kund*innen und deren Familien.
Allerdings ist auch eine „hochwertige Online-Präsenz der Marken“ für den Verkauf auf der Fläche eine wichtige Grundlage, sagt Retailexpertin Anny Cardinahl, „insbesondere vor dem Hintergrund des Personalmangels auf der Fläche“.
Luft nach oben gibt es aus ihrer Sicht auch noch in der Verknüpfung von offline und online Touchpoints. Es gebe zwar gute Omnichannel-Lösungen, „im deutschsprachigen Bereich kenne ich aber noch kein Angebot, das komplett seamless ist“.
Für Cardinahl ist auch klar, dass Marken die Händler*innen nicht einfach eins zu eins ersetzen können. „Da fehlt mir manchmal die Strategie auf Markenseite. Wenn ich mir die Webshops anschaue, sind diese viel zu wenig zielgruppenorientiert aufgebaut, sondern sehr unspezifisch in der Ansprache.“
Fragt man bei den Marken nach, ergibt sich auch dort ein sehr heterogenes Bild:
- Super.Natural
Für die Merinospezialisten sind Händler*innen das Rückgrat ihrer Verkaufsstrategie. Der Webshop wird als Möglichkeit gesehen, das ganze Sortiment darzustellen, ist aber nicht der primäre Verkaufskanal. - Elho
Die Comeback-Marke sieht den Handel in der Funktion des Brandbuilding und setzt vorrangig auf DTC, auch wegen der Marge. - Uppervoid
Die chinesisch-kanadische Outdoorbrand gibt es seit zwei Jahren in China und sie möchte nun in Europa Fuß fassen – dies soll mit der Hilfe von Distributoren und einem klassischen Händlernetzwerk gelingen. - Elastic Suite
Maddie Oelhoft von der B2B-Plattform Elastic Suite weist auf einen ganz anderen wichtigen Aspekt hin. Auch im B2B-Bereich sei es wichtig, dass Prozesse digitalisiert sind, egal, ob die Produkte dann online oder offline verkauft werden. Marken müssten ihre Produkte und Inhalte digital mit guten Beschreibungen, Videos und Bildern zur Verfügung haben. Davon profitierten Händler*innen, Kund*innen, Distributoren, Vertreter*innen und alle weiteren am Verkaufsprozess Beteiligten. - Doubledeck
Die Snowboardmarke, die ihre Bretter zum Verleih statt zum Verkauf anbietet, setzt in ihrer Vertriebsstrategie auf Direktverleih und auf ausgewählte Händler*innen. Dadurch erspart Doubledeck den Händler*innen eine hohe Kapitalbindung, die Boards unterliegen durch festgesetzte Verleihpreise keinem Wertverlust und die Reparatur und Pflege der Bretter übernimmt Doubledeck für seine Partner.
Es gibt viele Stellschrauben, an denen Marken und Handel gemeinsam drehen können, um Konsument*innen zufriedenzustellen. Verlassen können sie sich dabei auf die Käufer*innen, das zeigen viele Studien, unter anderem die Deloitte Retail Study und der Consumer Insights Report Q4/2023. Konsument*innen schätzen nach wie vor das physische Einkaufserlebnis und die Beratung.
Hier können Brands und Retailer der gesamten Branche vom Outdoor-Segment lernen: Unter anderem bedingt durch die Corona-Pandemie ist hier die Konsument*innen-Basis in den letzten Jahren extrem gewachsen. Dennoch bleiben auch für die breitere Zielgruppe Aspekte wie Performance, Passform und Komfort von großer Bedeutung – und somit auch die Beratung und das haptische Erlebnis vor dem Kauf.
Ein weiteres Tool, mit dem sowohl Marken als auch Händler*innen Kund*innen an sich binden können, die immer mehr Wert auf Nachhaltigkeit und bewussten Konsum legen, sind Rental-Programme, wie sie neben Doubledeck auch The North Face, beispielsweise für Zelte, anbieten. Auch Repair-Services, das Zurücknehmen und Weiterverarbeiten oder Aufarbeiten von gebrauchten Produkten oder Secondhand-Services stehen bei den Kund*innen hoch im Kurs.
Im Panel Talk von ISPO 520M by Highsnobiety „Different Retail Perspectives on Outdoor“, waren sich die Diskussionsteilnehmer*innen von The North Face, Zalando und This Thing of Ours einig:
- Kund*innen müssen erst Vertrauen zu einer Marke aufbauen.
- Das Produkt wird auch zukünftig der Held der Konversation bleiben.
Und – zumindest aktuell – ist es der stationäre Handel, der den Kund*innen die dafür nötige Expertise bestmöglich bieten kann. Auch wenn der Online-Handel weiter wachsen wird: Bei der Planung der Vertriebsstrategie sollten Marken dies auch für die Zukunft im Hinterkopf behalten.
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