Bereits im März 2023 hatte der Leichtathletik-Weltverband Athletinnen, die eine „männliche Pubertät“ durchlaufen haben, von Weltranglistenwettkämpfen ausgeschlossen. Ebenso festgeschrieben ist ein bestimmter Testosteronwert für Frauen, auf die DSD (Differences of Sex Development) zutrifft. Ein prominentes Beispiel ist hier Caster Semenya, die intergeschlechtlich geboren und als Frau eingestuft wurde. Die Leichtathletin darf bei Wettkämpfen nicht mehr bei den Frauen starten – dieses Verbot bestätigten 2020 zwei Gerichte, vor denen die Leichtathletin geklagt hatte. Allerdings kam der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zu einer anderen Entscheidung: Der Internationale Sportgerichtshof und das Schweizer Bundesgericht hätten die Rechte von Semenya verletzt. Die Vorgabe, Testosteron-senkende Medikamente nehmen zu müssen, um bei den Frauen zu starten, sei ein schwerwiegender Eingriff. Was der Gerichtshof auch noch feststellte: Es gebe viel zu wenig Studien, die einen körperlichen Vorteil von Frauen mit höheren Testosteronwerten auf der Mittelstrecke bestätigen.
Hier liegt das Problem aller Debatten – während diverse Weltverbände wie beispielsweise auch der Weltschwimmverband Regelungen eingeführt haben, agiert das Internationale Olympische Komitee (IOC) zögerlich. Trump will deshalb noch einen Schritt weitergehen, will Druck auf das IOC aufbauen, sodass dieses die Regeln für Trans-Athlet*innen verschärft. Für die Spiele 2028 in Los Angeles hat er auch schnell noch die Teilnahmeregeln geändert: „Männer“, die sich „betrügerisch als weibliche Athletinnen ausgeben“, bekommen nach seinen Worten kein Visum.
Schon vor einem Jahr porträtierte ISPO.com Transgender-Rolemodel Anne Hofmann, bekannt als "Freeride Anne". Auch im Podcast von sportingWOMEN Podcast mit Anneline Knauf, Marie-Therese Riml, Bine Herzog und Chris Beaufils über ihre mitreißende Geschichte, die MTB-Community und Transgender im Profisport. Symbolisch steht sie für viele Athlet*innen, die im aktuellen Diskurs zwischen Sport und Identität Orientierung suchen.
Der Bann des US-amerikanischen Präsidenten betrifft alle Möglichkeiten für Transgender-Frauen unter Gleichgesinnten Sport zu treiben – angefangen bei Schulen bis hin zu Colleges und Universitäten. Auch Schulen, die Transmenschen in Umkleideräume lassen, die nicht mit dem Geschlecht „assigned by birth“ übereinstimmen, müssen Sanktionen fürchten. Wo sollen Transgender-Frauen zukünftig ihren Sport ausüben dürfen? Das bleibt offen.
Der US-amerikanische Transgender-Triathlet Chris Mosier zeichnet ein düsteres Bild für die Zukunft von LGBTQ+-Rechten in den USA. Er sieht die Verordnung als einen Kick-off für weitere Maßnahmen. Im CNN-Interview betont der 45-Jährige, dass er eine zunehmende Diskriminierung der Transgender-Community in Bezug auf den Zugang zum Gesundheitssystem, die Sicherheit in Schulen und eine Anpassung der Schulpläne befürchte. Der erste Transgender-Athlet, der die USA bei internationalen Wettkämpfen vertrat, führt weiter aus: „Es gibt keinen Beweis dafür, dass transsexuelle Sportler einen Vorteil gegenüber anderen Sportlern haben.“ Trans-Athlet*innen würden Sport aus denselben Gründen wie alle anderen auch treiben: „Aus Liebe zum Spiel, um Teil eines Teams zu sein, um uns selbst herauszufordern und vor allem, um Spaß zu haben, wenn es um die Jugend geht. Und jeder junge Mensch verdient die Möglichkeit, authentisch zu sein und den Sport zu treiben, den er liebt, ohne einen Teil von sich selbst zu verleugnen.“ Der Aktivist ist nach eigenen Worten der erste Transgender-Athlet, der sich für die Olympischen Spiele in dem Geschlecht qualifiziert hat, das er angibt. Bereits 2016 launchte Nike im Rahmen seiner Unlimited Campaign während der Olympiade in Rio de Janeiro einen Spot, der den transsexuellen Triathleten beim Training zeigt.
1976 gewinnt Bruce Jenner die Goldmedaille bei Olympischen Spielen im Zehnkampf, heute ist Transgender-Frau Caitlyn Jenner eine glühende Verehrerin von Trump und seiner Verordnung. Selbst als Mann geboren, outete sich die Amerikanerin 2015 und unterzog sich anschließend einer Geschlechtsumwandlung. Die heute 75-Jährige setzt sich vehement dafür ein, dass „keine Männer im Frauensport“ zu finden sind.
In einem Fernseh-Beitrag mit Fox News sagt sie im November 2024: „Für mich wäre es unfair, wenn ich im Sport gegen Frauen antreten würde“, und als Argumente nennt sie die biologischen Vorteile von Transgender-Frauen, die eine männliche Pubertät erlebt haben. Dabei gehe es ihr vor allem um das Thema „Fairness“. Es könne nicht sein, dass Transgender-Frauen Sportstipendien bekommen und an Wettkämpfen teilnehmen. „Das killt den Frauensport“ und würde junge Mädchen und Frauen davon abhalten, überhaupt in den Genuss von Sportförderungen zu kommen. Im Dezember 2024 legte der TV-Star nach: „Ich werde nicht aufhören, für diese Frage des gesunden Menschenverstands zu kämpfen“ und beglückwünschte die LPGA-Tour für ihre striktere Gender-Politik. Ab 2025 werden Athletinnen ausgeschlossen, die eine männliche Pubertät durchliefen. Auslöser für die Änderung: Die Erfolge der Transgender-Golferin Hailey Davidson.
Vor dem Start bei den Millrose Games in New York verkündet die nicht-binäre Athlet*in kürzlich voller Stolz: „In ein paar Tagen stehe ich an der Startlinie eines Frauenlaufs bei einem der größten Hallenwettkämpfe der Welt und laufe eine Meile vor ausverkauftem Haus in New York City, und wissen Sie was? Ich werde mich IMMER noch nicht als Frau zu erkennen geben. Die Stadionsprecher und NBC-Sprecher werden auch meine Pronomen richtig aussprechen, und ich werde Trainer, Sportkameraden, Freunde, Familie und eine ganze Gemeinschaft haben, die mich anfeuern und dabei meine Identität als Trans-Person anerkennen und respektieren.“ Nikki Hiltz sagt außerdem, dass ein unterschriebenes Papier das Leben von Trans-Athlet*innen schwieriger mache als nötig, aber es "NIEMALS unsere Existenz oder unsere Freude auslöschen“ könne. Auch wenn der Erlass vor allem auf Transfrauen abziele, „und obwohl das nicht meine Identität ist, stehe ich voll und ganz hinter jeder Transperson, die im Sport aktiv ist. Wir gehören dazu. Ich hoffe, ich kann dieses Wochenende bei den Millrose Games für alle Trans-Athlet*innen ein kleines Leuchtfeuer der Hoffnung und eine Form des Widerstands sein“. Die Mittelstreckenläufer*in hat einen jahrelangen Kampf hinter sich: 2021 hatte sie sich als nicht-binär geoutet und begonnen, die Pronomen they/them zu verwenden. Anschließend sieht sich die US-Amerikanerin Anfeindungen, Hass und Fake News ausgesetzt – darunter dem Vorwurf, sie sei ein „biologischer Mann“ und starte bei den Frauen. 2024 kommt Nikki Hiltz ihrem großen Traum näher und steht bei den Olympischen Spielen in Paris im Finale.
„Einige Kritiker von Transgender-Athlet*innen behaupten, sie hätten einen unfairen Vorteil im Sport, aber das ist nicht das, was die Forschung zeigt“ – mit diesen Worten beginnt der Instagram-Post der amerikanischen Kampfkünstlerin Fallon Fox. Und sie beschwert sich bei CNN, dass „sie endlich die echte Wissenschaft über Transgender-Athlet*innen geliefert haben, nachdem wir verboten wurden“. Die Ex-Profisportlerin bezieht sich dabei auf einen Bericht des US-amerikanischen Senders. In diesem wird konstatiert, dass die Forschung zwar begrenzt sei und fortgesetzt werde, aber eine 2017 in der Fachzeitschrift Sports Medicine veröffentlichte Studie fand „keine direkten oder konsistenten Forschungsergebnisse“, die belegen würden, dass transsexuelle Menschen einen sportlichen Vorteil hätten. Und weiter heißt es: Ein aktuellerer Forschungsbericht vom Oktober 2023 käme zu dem Schluss, dass sich nach der Pubertät Geschlechtsunterschiede entwickeln, aber viele von ihnen „im Laufe der Zeit durch eine geschlechtsangleichende Hormontherapie verringert, wenn nicht sogar aufgehoben werden“.
Mack Beggs ist Protagonist der preisgekrönten Dokumentation „Changing the Game“, die drei Highschool-Athlet*innen bei Sportwettkämpfen, in ihrem Privatleben und als Transgender-Teenager*innen begleitet. Der Jugendliche erzählt seine Geschichte als Transgender-Junge, der als 17-Jähriger die Landesmeisterschaft im Ringen für Mädchen gewinnt. Mack wollte eigentlich in der Jungenklasse antreten, aber in Texas schrieb bereits damals die staatliche Politik vor, dass Schüler*innen entsprechend ihrem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht und nicht entsprechend ihrer Geschlechtsidentität antreten müssen. Er hatte also nur die Möglichkeit, mit Mädchen zu ringen oder gar nicht. Über den jungen Athleten brach eine Welle der Empörung herein, und er musste mit einer enormen medialen Aufmerksamkeit zurechtkommen. Mittlerweile engagiert sich auch Mack Beggs für die Rechte der LBGTQ+-Community. Im Vorfeld der Diskussionen um Trumps Verordnung gibt er ein Interview für Skynews und spricht von einer „irrationalen Angst vor Transgender-Menschen im Sport“. In seiner Reaktion auf die Verordnung macht er aber eines klar: „Kein Gesetz hält mich auf. Ihr müsst mich schon umbringen, bevor ich aufhöre zu sein, wer ich bin. Ich habe keine Angst. Komm und nimm es.“
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