- Frauen lieben Sport – in (fast) allen Ländern
- Weibliche Vorbilder fördern Selbstbewusstsein
- Gender-Datenlücke: Frauenkörper tickt anders
- Shrink it and pink it versus Function and Fashion
- Noch mehr Gründerinnen braucht die Welt
- Führungspositionen im Sport: Frauen vor
- Sponsoring für Frauen lohnt sich siebenfach
- Sportförderung – Politik muss mitspielen
Fast die Hälfte der Menschheit ist weiblich! Rund um den Globus leben nach Angaben der Vereinten Nationen 3,976 Milliarden Frauen und Mädchen – das entspricht 49,7 Prozent (Stand 2022). Studien gehen davon aus, dass 30 bis 40 Prozent der Frauen weltweit Sport treiben – allerdings gibt es große Unterschiede in den verschiedenen Ländern:
- USA: Anteil der Sportlerinnen unter 30 Jahren über 60 %
- Deutschland: 85 % der Frauen treiben Sport, 54 % regelmäßig (Männer 89 %) – Quelle: Bundesinstitut für Sportwissenschaft
- Europaweit: Frauen 35 %, Männer 43 % Sportteilnahme
- Polen, Spanien, Slowakei: 14 Prozentpunkte Unterschied zwischen Frauen und Männern
- Höchste Sportteilnahme in EU: Dänemark, Finnland, Luxemburg, Niederlande, Schweden – Frauenanteil fast gleich hoch wie Männer (Quelle: Europäisches Parlament)
Die Olympischen Spiele in Paris waren die am stärksten geschlechterparitätisch ausgerichteten der Geschichte. „Dieser Meilenstein ist ein Beweis für die unermüdlichen Anstrengungen und die bemerkenswerten Leistungen der Sportlerinnen, die Rekorde brechen, Stereotypen überwinden und künftige Generationen inspirieren“, heißt es auf der UN-Women-Website. Auch wenn die Welt des Frauensports sich im Umbruch befindet und eine nie dagewesene Aufmerksamkeit und Anerkennung erfährt – es ist noch ein weiter Weg bis zur Gleichberechtigung im Sport.
Die brasilianische Fußballerin Marta Vieira da Silva ist nur ein Beispiel von vielen erfolgreichen Sportlerinnen, die erkannt hat, dass sich etwas ändern muss. Dass Mädchen und Frauen auf der ganzen Welt weibliche Vorbilder brauchen, um den Mut zu finden, ihre (sportlichen) Träume zu leben. „Ich komme aus einer sehr kleinen Stadt und damals spielten in meiner Stadt keine anderen Mädchen Fußball. Die Leute sagten, Fußball sei nichts für Frauen. Sie sagten, ich würde es nicht schaffen. Heute möchte ich meine Geschichte nutzen, um Mädchen überall zu ermutigen, auf ihr Ziel hinzuarbeiten, in welchem Bereich auch immer das sein mag – im Sport, im Leben, bei der Arbeit“, heißt es auf der Website von UN-Women Deutschland.
Auch die deutsche Weitspringerin Malaika Mihambo ist ein erfolgreiches weibliches Vorbild. Die Olympiasiegerin setzt sich mit ihrem Verein „Malaikas Herzsprung“ dafür ein, dass sich Grundschulkinder neben dem Schulsport sportlich und persönlich weiter entwickeln können. Sie schafft die finanziellen Rahmenbedingungen für eine Mitgliedschaft im Leichtathletikverein. Grundschüler – Mädchen und Jungen – erhalten mindestens eine einjährige kostenlose Mitgliedschaft in einem Leichtathletikverein an ihrem Wohnort. Auf der ISPO Munich 2024 gibt die gebürtige Heidelbergerin Einblicke in ihre beeindruckende Karriere als Weitspringerin und nimmt die Zuhörer*innen mit zu den Finals der Olympischen Spiele in Tokio 2021 und Paris 2024. In einem offenen Interview berichtet sie über ihren Erfolgsweg, erklärt, wie Sport Selbstbewusstsein fördern kann und wie sie sich jeden Tag aufs Neue motiviert. Außerdem spricht Mihambo über Alltagsrassismus und welche Grenzen Diskriminierung und Ausgrenzung haben sollten.
Frauen sind keine kleinen Männer – das sollte sich mittlerweile herumgesprochen haben. Ähnlich wie in der Medizin gibt es eine große Forschungslücke zwischen männlichen und weiblichen Athleten. Wie schreibt das deutsche Nachrichtenmagazin Der Spiegel: „Seit der Antike galt der männliche Körper als Norm. Das Leiden der Frauen wurde ignoriert, bagatellisiert, verhöhnt.“ Diese „Gender-Datenlücke“ habe gravierende Folgen für Sportlerinnen und gefährde sogar deren Gesundheit.
Die Forschung zu frauenspezifischer Trainingsmethodik, wie etwa zyklusorientiertem Training, ist noch in den Anfängen. Laut Prof. Dr. Jana Strahler (Universität Freiburg) fehlen aufgrund mangelnder Studienqualität allgemeingültige Richtlinien für sportliche Leistungsfähigkeit im Zyklusverlauf. Zwar zeigen Studien (McNulty 2020, Sports Med) eine mögliche höhere Ausdauerleistung in der frühen Follikelphase, der Einfluss des Zyklus auf die Ausdauer bleibt jedoch unklar.
Beim Krafttraining gibt es in der Follikelphase positive Effekte, aber sie sind vermutlich geringer als die individuelle Anpassungsfähigkeit der Sportlerinnen. Im Bereich Verletzungen ist das vordere Kreuzband gut untersucht: Frauen haben im Fußball ein bis zu 9,5-mal höheres Risiko für Kreuzbandrisse, was teils mit der Anatomie und hormonellen Einflüssen zusammenhängt.
Allerdings warnt Prof. Strahler – die mit dem Thema „Auswirkungen des Menstruationszyklus im Leistungssport“ auf der Konferenz German Trainers‘ Summit im Rahmen der ISPO Munich 2024 zu Gast ist – in diesem Zusammenhang: „Wir dürfen nicht jeden Geschlechterunterschied reflexartig mit dem Menstruationszyklus erklären. Stattdessen sollten Faktoren berücksichtigt werden, die mit Geschlecht, aber nicht mit Biologie zu tun haben. Dass Athletinnen für bestimmte Verletzungen anfälliger sind, könnte nicht nur hormonell, sondern auch strukturell begründet sein: mit weniger professionellen Trainingsbedingungen und mit schlechterer medizinischer, rehabilitativer und physiotherapeutischer sowie materieller Versorgung.“
3.976.000.000 Frauen und Mädchen leben auf der Welt – und sie sind keine kleinen Männer. Sie haben andere Bedürfnisse und ihre Körper funktionieren anders. Zum Beispiel steigt die Körpertemperatur laut Prof. Strahler während der Menstruation um 0,5 bis 1 Grad. Das sei relevant beim Aufwärmen, aber auch Abwärmen und der Regeneration. „Hier wären Materialien zu empfehlen, die in diesen Phasen besonders atmungsaktiv und temperaturregulierend sind.“ Aus dem Leistungssport-Bereich gebe es auch Studien, die zeigen, „dass ein guter Sport-BH ist nicht nur für die Brustgesundheit wichtig ist – er verbessert auch die Performance“. In Bezug auf die Rennleistung nennt die Sportpsychologin eine Verbesserung durch den richtigen Sport-BH um bis zu sieben Prozent.
Allerdings: In der Realität sind Sport-BHs ein schwieriges Thema für Athletinnen. Biathletin Selina Grotian sieht Nachholbedarf: „Auch Sport-BHs haben manchmal ungünstige Nähte und sind vor allem in Kombination mit dem Brustgurt nicht immer optimal. Obwohl ich die Brustgurte reinige, haben diese immer einen unangenehmen Geruch.“ Ähnlich geht es Lara Lessmann. Die BMX-Fahrerin hätte gerne Sport-BHs, „die eine gute Passform haben und nicht rutschen“.
Ein weiterer Punkt, den Sportartikelhersteller laut Prof. Strahler noch mehr beachten könnten: „Wurde das Material, der Artikel auch an Frauen getestet?“ Denn auch Frauen legen großen Wert auf Funktion und Form. Abenteurerin Sophie Planque ärgert sich regelmäßig darüber, „dass das Männerprodukt oft widerstandsfähiger ist als das Frauenprodukt“.
Über die Frage, ob der Artikel auch an Frauen getestet wurde, darüber müssen sich Maria Paulsson Rönnbäck und Jemina Pomoell keine Gedanken machen. Denn die beiden Skandinavierinnen haben eine Outdoormarke von Frauen für Frauen aufgezogen: Astrid Wild ist eine schwedische Outdoormarke und eines der wenigen von Frauen gegründete Unternehmen in der Branche. Nach fünf Jahren erfolgreicher Etablierung bei den Outdoor-Konsumentinnen in Skandinavien startete die schwedische Marke kürzlich ihren Online-Shop für Deutschland. Ob Kari Traa, La Munt, Girlfriend Collective oder Jeanne Baret – Marken für Frauen boomen. Diese Brands haben erkannt, dass Frauen besondere Bedürfnisse in Bezug auf Sportklamotten haben.
Die Führungsrolle von Frauen im Sport sei ein entscheidender Faktor, um Investitionen und eine bessere Sportpolitik in Bezug auf die Gleichstellungsziele voranzutreiben, konstatiert UN-Woman. In den vergangenen zehn Jahren seien zwar beachtliche Fortschritte erzielt worden, aber es bestehen nach Worten der Organisation weiterhin Lücken.
Beispiel Deutschland:
- Der Frauenanteil in der Bevölkerung beträgt 51 Prozent.
- Der Anteil weiblicher Mitglieder im organisierten Sport beträgt nur 39 Prozent.
- Der Frauenanteil in Führungspositionen im deutschen Sport nur noch 31 Prozent (Quelle: Deutscher Olympischer Sportbund).
Bei der Organisation gibt es deshalb Überlegungen, eine Quote für seine Mitgliederversammlung einzuführen, auch wenn dies für „einige wie eine taktische Herausforderung erscheinen“ mag. Doch es sei wichtig zu reflektieren, dass dies keine Frage des Machtverlustes ist, sondern vielmehr ein Spielzug, der das gesamte Team stärkt.
Frauen in Führungspositionen bringen eine Vielfalt an Perspektiven, Fähigkeiten und Erfahrungen mit, die die Bandbreite der Strategien und Lösungsansätze erweitern. Dabei wirkt sich die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen auch positiv auf die Berücksichtigung und Inklusion anderer Gruppen aus, die in Entscheidungsprozessen bisher nur rudimentär, bis gar nicht bedacht worden sind.
Etwas weiter ist hier das Internationale Olympische Komitee (IOC): 41 Prozent seiner Mitglieder sind weiblich – 100 Prozent mehr als 2013 – und es gibt mehr Vielfalt in Bezug auf Alter und regionale Vertretung (Quelle: UN Woman).
2024 findet sich keine einzige Frau auf der Forbes-Liste der 50 bestbezahlten Sportler*innen der Welt. Und das, obwohl das Beratungsunternehmen Deloitte festgestellt hat, dass sich das Sponsoring von Frauen siebenfach auszahlt. Ein Unternehmenssponsor bekommt für jeden Dollar, den er im Frauensport ausgibt, mehr als sieben Dollar zurück. „Eine der größten Hürden, die Vermarkter leise flüstern, ist, dass Marken wissen, dass sie mehr für den Frauensport tun sollten, aber nicht wissen, wo sie anfangen sollen“, schreibt die englische Marketing Week.
Natürlich gibt es auch positive Nachrichten. Zum Beispiel, dass die Zahl der Sponsoringverträge im Frauenprofisport laut den neuesten Daten von Sports United im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 22 Prozent gestiegen ist, oder Caitlin Clark, Superstar der Women's National Basketball Association (WNBA), sich 2024 einen noch nie dagewesenen Sponsoringvertrag als Markenbotschafterin für den Sportartikelriesen Wilson gesichert hat.
Und wie sieht es in Deutschland mit lukrativen Sponsoring-Verträgen für Sportlerinnen aus? Darüber sprechen auf der Konferenz Sport Marke Medien im Rahmen der ISPO Munich 2024 drei Expertinnen: Bianca Rech, Direktorin Frauenfußball, FC Bayern, Julia Retzlaff, Geschäftsführerin, Volleyball-Bundesliga, und Jessica Weber, Leitung Sponsoring, Allianz Deutschland.
Im Oktober fand die zweite Frauen-Teamsportkonferenz in Berlin statt. Denn: Trotz des enormen Erfolgspotenzials stehen auch die Frauen-Teamsportarten in Deutschland ihren männlichen Pendants immer noch in vielen Aspekten nach. Ein nachhaltiger Wandel muss nach den Worten der Veranstalter auf diversen Ebenen erfolgen. Die Interessengemeinschaft deutscher Mannschaftssportverbände „Teamsport Deutschland“ wirbt mit dieser Konferenz für einen Schulterschluss zwischen Sport und Politik, „um diese große und wichtige Herausforderung gemeinsam zu bewältigen“. Denn ohne Förderung kann der Frauensport nicht weiter Fahrt aufnehmen und Deutschland wird im internationalen Vergleich weiter zurückfallen. Schon jetzt sind die skandinavischen Länder bei Weitem besser aufgestellt. Ein Grund dafür ist, dass mit der Gleichstellung der Geschlechter auch die Aussicht auf sportlichen Erfolg steigt. Beispielsweise hat der norwegische Fußballverband bereits 2017 beschlossen, die Nationalspielerinnen in der gleichen Höhe zu entlohnen wie ihre männlichen Kollegen. Zudem hat das kleine Land nach dem schlechten Abschneiden bei den Winterspielen in Calgary seine Sportförderung und sein Sportkonzept komplett umgestellt – mit Erfolg.
Jemand, der sich mit diesen Themen auskennt, ist Britta Ernst, Präsidium Special Olympics Deutschland, Ministerin a.D. für Bildung, Jugend und Sport
Brandenburg. Sie spricht im Rahmen des Kongresses „Sport, Marke, Medien“ auf der ISPO Munich 2024. In ihrer Keynote geht es nicht nur um die Frage, wo Deutschland in der politischen Realität steht, sondern auch welche Zuständigkeiten und Notwendigkeiten es gibt, um Sport und Jugendarbeit für alle zugänglich zu machen.
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