- Ausweg Gebrauchtwaren
- Secondhand als Trend im Outdoor Retail
- Abwicklung über Spezialisten
- Kauf und Verkauf: Wer will Secondhand?
- Von Produktcheck bis Foto: Prozess eines Secondhand-Stücks
- Crux für Secondhand Online-Shops: Genügend Ware
- Einschränkungen durch Sicherheit und Komplexität
- Secondhand für Outdoor-Marken
- Secondhand ist Wachstumsmarkt
„Etwa 50 Prozent aller produzierten Kleidungsstücke werden nicht getragen“, sagt Friederike von Wedel-Parlow, Direktorin des Beneficial Design Institutes und Expertin für nachhaltige Mode. Der Grund: Wir horten zu viel Fast und mittlerweile Ultra Fast Fashion, die nach kurzem Tragen nur noch im Kleiderschrank liegt – oder schnell im Abfall landet. Gleichzeitig steigen laut einer Studie von Greenpeace Produktion und Konsum stetig an: Pro Jahr werden rund 70 Millionen Tonnen Bekleidung produziert. Mode ist eine der schädlichsten Branchen für die Umwelt. Um die Pariser Klimaziele einzuhalten, muss deshalb ein Umdenken stattfinden.
Das nachhaltigste Produkt ist das, was man schon hat. Nur blöd, wenn es nicht mehr passt, gefällt oder nicht mehr gebraucht wird. Secondhand kann hier eine Lösung sein. Auf jeden Fall ist es ein Schritt weg von Überproduktion und Wegwerfgesellschaft hin zur Einsparung von CO₂ und umweltfreundlicherem Konsum. Der geschieht vermehrt über Secondhand-Plattformen, die sich von herkömmlichen Anzeige-Diensten durch den Mode-Fokus absetzen, etwa mit einem zusätzlichen Qualitätscheck.
Selbst, wenn sich auf den ersten Blick die Frage stellt, ob Secondhand nicht das Kerngeschäft kannibalisiert, haben große Händler den Mehrwert vom Wiederverkauf gebrauchter Ware längst erkannt. „Bei Bergzeit versuchen wir, so nachhaltig wie möglich zu arbeiten und CO₂ einzusparen. Dabei haben wir aber festgestellt, dass wir als Händler nur auf einen bestimmten Teil der Emissionen Einfluss haben. Etwa 90 Prozent entstehen bei der Produktherstellung und nur zehn Prozent bei uns“, erklärt Martin Stolzenberger, Geschäftsführer von Bergzeit, die Überlegungen des Händlers. Es gilt also, insgesamt weniger zu produzieren und als Retailer seinen Beitrag dazu zu leisten.
Deshalb wurde mit der Re-Use-Plattform von Bergzeit vor rund einem Jahr eine Online-Anlaufstelle für den Weiterverkauf von Secondhand-Ware geschaffen. Und auch der stationäre Riese Globetrotter bietet gebrauchte Ware zum Weiterverkauf an.
Im Boot mit dabei ist Recommerce-Spezialist reverse.supply, mit dem auch Marken wie Armedangels, Hessnatur und Ortovox zusammenarbeiten. Grund dafür ist die Komplexität: Der Handel mit gebrauchter Ware benötigt besondere Prozesse zur Kontrolle und Qualitätssicherung der Produkte. Das Berliner Start-up reverse.supply bietet genau dafür ein integriertes Online-Shopsystem mit Trade-In-Lösungen und übernimmt parallel die Abwicklung – alles aus einer Hand.
Während viele Konsument*innen gerne bewusster kaufen würden, können sich lange nicht alle neue, nachhaltige Produkte leisten. An dieser Stelle kommt gebrauchte Bekleidung ins Spiel, die vor allem in jüngeren Generationen auch Trendcharakter hat. Es gilt: je jünger, desto affiner für Secondhand. Das bedeutet auch, dass sich die Zielgruppen von Secondhand- und Neuware unterscheiden. Vor allem in älteren Käuferschichten mit weniger Kaufkraft schlummert für Gebrauchtware noch viel Potenzial, wenn die Voreingenommenheit abgebaut werden kann.
Laut Bergzeit Re-Use-Umfrage sind Secondhand-Käufe vor allem von Preis getrieben. An zweiter Stelle wird Nachhaltigkeit als Motiv genannt. Daneben spielt die Motivation, einen einzigartigen Artikel zu erstehen, ebenso eine Rolle wie der Wunsch, Originale oder Produkte zu ergattern, die es so nicht mehr zu kaufen gibt. Kaufende und Verkaufende von gebrauchter Kleidung sind gleichzeitig nicht unbedingt die gleiche Zielgruppe. Dennoch sind beide wichtig, damit Produkte wieder in den Kreislauf gelangen und nicht länger nur im Schrank liegen.
Um Berührungsängste rund um den Kauf von gebrauchter Kleidung abzubauen, muss vor allem die Abwicklung einfach sein. Dazu zählen
- eine intuitive Dateneingabe,
- Produktbewertung und Preisvorschlag via Algorithmus,
- der kostenlose Versand und Rückversand.
„Gleichzeitig wollen wir Secondhand aus der Flohmarkt-Ecke bringen, indem wir auf die Präsentation achten“, so Stolzenberger.
Alle Produkte werden nach einem Check aufbereitet und professionell fotografiert, beim Verkauf über die Plattform erhält man eine zusätzliche Qualitätsbewertung von Experten. Sollte ein Produkt nicht passen, kann es kostenlos zurückgeschickt werden. Generell ist der Anteil an Retouren aus dem Secondhand-Shop mit durchschnittlich 35 Prozent laut Bergzeit aber geringer als im Kerngeschäft.
Der Knackpunkt, damit Secondhand aktuell online funktioniert, liegt nicht nur an interessierten Käufer*innen, sondern auch an genügend Ware – idealerweise in unterschiedlichen Größen und passend zur Saison. Gar nicht so leicht, denn klassisch sind es im Secondhand eher Einzelstücke. Im Re-Use Shop von Bergzeit gibt es rund 6.000 angemeldete Secondhand-Artikel, 2.000 wurden bereits verkauft. Besonders gut gehen beliebte Marken wie Patagonia oder Arc’teryx. Insgesamt funktionieren zeitlose Styles, zum Beispiel Jacken in Schwarz, aber auch Wanderschuhe und Kindersachen. Genauso finden Hype-Produkte und Modelle, die es so nicht mehr im regulären Handel zu kaufen gibt, meist schnell Interessenten.
Neben gebrauchten Sachen von Endkund*innen nimmt Bergzeit auch Retourenware mit in den Shop, die nicht mehr regulär verkauft werden kann. Ansonsten fährt der Händler einige Pilotprojekte mit Markenpartnern, um deren B-Ware zusätzlich zu verkaufen, zum Beispiel von der Klettermarke Chillaz. Der Großteil der Ware im Re-Use-Shop stammt mit 65 Prozent aber tatsächlich von Endkonsument*innen.
Im Vergleich zum regulären Shop von Bergzeit mit 40.000 gelisteten Artikeln besteht natürlich noch Potenzial zum Ausbau. Aber es eigenen sich auch lange nicht alle Produkte zum Weiterverkauf, selbst wenn der Re-Use Shop auf 169 unterschiedliche Produkt-Kategorien kommt: „Safety-Equipment wie Helme oder Kletterseile eignen sich aufgrund des Sicherheitsaspekts zum Beispiel nicht“, erklärt Stolzenberger. „Aber auch bei komplexeren Produkten, wie etwa bei Zelten, ist es wesentlich aufwändiger und wir müssen erst sehen, ob sich das rentabel aufsetzen lässt.“
Bekleidung ist einfacher zu prüfen und zu handhaben. Und damit auch für den Umsatz besser, so Stolzenberger: „Je mehr Prozesse dazwischen gelagert sind, desto teurer wird es. Dabei wollen Käufer einen attraktiven Preis und auch Verkäufer etwas mitnehmen. Wenn wir das nicht hinbekommen, funktioniert das Modell nicht.“ Je mehr Handling und Prozesse, desto schwieriger wird es also, für Händler und Partner genug Ertrag zu erwirtschaften. Outdoor-Produkte, die in der Regel hochpreisig sind und eine gewisse Wertstabilität haben, bieten sich aus zweiter Hand besonders an, mit ausreichend Marge für Plattform und Händler.
Neben den Pilotprojekten mit Partnern von Bergzeit springen andere Marken auch selbst auf den Re-Use-Zug auf. Neben der nachhaltigen Fashion Brand Armedangels zum Beispiel auch Ortovox. Bei der bayerischen Bergsportmarke werden Retouren in der unternehmenseigenen Werkstatt gecheckt und aufbereitet, um anschließend über den Ortovox Second Life Shop zu attraktiven Preisen weiterverkauft zu werden.
Outdoor mit hochpreisigen Produkten bietet also ein spannendes Feld in Sachen Secondhand. Markenbekanntheit und Begeisterung spielen hier ebenso hinein, wie die Wertigkeit der Produkte. Noch dazu handelt es sich um einen absoluten Wachstumsmarkt: „Secondhand wächst 21 Mal schneller als der klassische Handel“, so Max Grosse Lutermann, Co-Founder von reverse-supply.
Secondhand zahlt also nicht nur auf die großen Zukunftsthemen der Outdoor-Branche ein, Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft, sondern bietet auch Chancen auf Erlös und Imagegewinn. Doch der Handel mit Gebrauchtwaren steht gerade erst am Anfang einer Professionalisierung. Es gibt noch viel Entwicklungsraum in Richtung breiteres Sortiment und Optimierung der Prozesse.
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