Der gebürtige Freiburger Oliver Schiek veranstaltet seit rund 25 Jahren große Endurance-Events auf der ganzen Welt – erst im Radsport wie die Cyclassics in Hamburg oder die Deutschland Tour, heute bei der Ironman Group, für die er sämtliche Triathlon-Events in der DACH-Region verantwortet. 1997 hat er selbst seinen letzten Ironman gefinisht. Der 53-Jährige kennt also den Lohn für die Leiden und wird mitfiebern bei den Ironman 70.3 World Championships am 26. und 27. August 2023 im finnischen Lahti. Für „Challenges of a CEO“ spricht Schiek über die Power, das Potenzial und die Perspektiven der Marke Ironman und über die Tragödie beim Ironman in Hamburg.
Als Regionaldirektor bin ich für alle unsere Ironman Veranstaltungen in der DACH-Region – also Deutschland, Österreich, Schweiz – zuständig. Darüber hinaus betreue ich noch einzelne weitere Ironman-Lizenzen, u. a. in Polen, Kroatien und Ägypten. Zusätzlich zu meiner Tätigkeit bei Ironman bin ich noch im Auftrag des IOC für den Olympic Broadcast Service bei den Olympischen Spielen als Produktionsleiter tätig. Seit London 2012 unterstützte ich die TV-Übertragung bei den Triathlon-Wettbewerben und beim Marathonschwimmen.
Eine Besonderheit des Ironman ist, dass die Profis im gleichen Rennen, auf dem gleichen Kurs und unter den gleichen Voraussetzungen starten wie die „Weekend Warrior“. Da begegnet man einem Jan Frodeno, einem Patrick Lange oder einer Anne Haug auf der Strecke. In welchem Sport hat man das sonst? Die einen finishen nach acht, die anderen nach 16 Stunden. 2.000 bis 2.500 Menschen gemeinsam auf der Strecke und alle kämpfen ihr privates Glück aus. Das macht es für mich aus, und für uns Hobbysportler ist das ein ganz tolles Gefühl.
Triathlon ist ein komplexer Sport mit verschiedensten Ausprägungen. Jeder kann seine eigenen Ziele stecken, ob Top-Athlet*in oder „Best-Ager“, ob Ironman-Wettkampf oder Kurzdistanz. Man kann klein starten, dann auf einen 70.3 gehen, und vielleicht ist die Ironman-Distanz irgendwann die ultimative Challenge. Das Tolle ist, dass man auch ohne Verein einfach anfangen und sich nach und nach verbessern kann.
Menschen suchen und brauchen körperliche Challenges im Leben. Der Triathlon ist perfekt dafür. Ich kann diesen Sport nicht nur mit Mitte bis Ende 20 betreiben, sondern auch mit 60 Jahren. Unsere Athlet*innen sind Menschen, die das Training in ihren Alltag einbauen und dafür auch den Support der Familie benötigen. Diese Menschen schaffen es, sich von einer leidlich sportlichen Fitness in eine Ironman-fähige Verfassung zu bringen. Das bedeutet wirklich eine Menge Leidensfähigkeit. Dafür habe ich größten Respekt. Viele Sportler*innen, die nach zehn, elf Stunden ihren Wettkampf finishen, lassen im Ziel ihre ganzen Emotionen raus, wie ich auch früher. Sie freuen sich und vergessen in dem Moment alles, was sie vorher an ihre Grenzen gebracht hat. Das sind die schönsten Momente. Wenn ich das sehe, habe ich permanent Gänsehaut und das gibt mir Kraft für die folgenden Wochen.
Unser Leitspruch heißt: „Anything is possible.“ Das ist genau das, wofür die Marke Ironman steht. Jemand, der sich heute noch nicht vorstellen kann, 100 Kilometer Rad zu fahren, kann das schaffen, ohne irgendwelche Wunder zu vollbringen. Selbst ein Ironman auf Hawaii ist irgendwann erreichbar. Das sind dann „Life changing moments“, also lebensverändernde Momente. Klar, das klappt nicht von heute auf morgen, aber es ist nicht unmöglich, und wir legen mit unserer Serie dafür das Fundament.
Ironman ist natürlich eng an den Mythos Hawaii geknüpft. Dieses Sehnsuchts-Event schwimmt bei allem mit. Hawaii hat die Langdistanz definiert. Es ist unsere Weltmeisterschaft und es gibt jedes Jahr die Möglichkeit, sich zu qualifizieren – und zwar ohne Profi zu sein oder zu werden. Das ist schon super besonders und zeichnet die Marke Ironman aus.
Triathlon-Weltrekorde
Ironman Männer: Magnus Ditlev (DNK) 7:24:40 Stunden, aufgestellt 2023 bei der Challenge Roth.
Ironman Frauen: Daniele Ryf (SUI) in 8:08:21 Stunden, aufgestellt 2023 bei der Challenge Roth.
Ironman 70.3 Männer: Marten Van Riel (BEL) 3:26.06 Stunden, aufgestellt 2022 in Dubai
Ironman 70.3 Frauen: Laura Philipp (GER) in 3:53:03 Stunden, aufgestellt 2022 in Dubai
Ein limitierendes Element bei der Veranstaltung von Triathlon-Wettkämpfen ist das Thema Platz – für die Strecke, die Wechselzonen, die Versorgung usw. Deswegen haben wir bereits 2022 bei der Ironman-WM auf Hawaii mit zwei Wettkampftagen am Donnerstag und Samstag einen Split zwischen beiden Geschlechtern vollzogen. Das ist uns besonders im Hinblick auf die Entwicklung der Frauen-WM wichtig. Leider sind aber zwei Tage in Hawaii nicht mehr umsetzbar. Deswegen findet die Männer-WM 2023 am 10. September in Nizza statt, während die Frauen ihre Weltmeisterschaft am 14. Oktober wie gewohnt in Kona auf Hawaii austragen. 2024 tauschen Männer und Frauen dann die Orte.
Kona ist als Venue sehr gut, da man nur eine Wechselzone hat. Das ist für die Zuschauer super und macht es auch uns leichter. Solche Gegebenheiten hat man aber nicht immer. In Frankfurt zum Beispiel wäre es toll, im Main schwimmen zu können, um nur eine Wechselzone zu haben. Da das aktuell nicht geht, schwimmen wir im Langener Waldsee und nutzen eine zweite Wechselzone in der Innenstadt. Das macht die Organisation komplizierter und aufwendiger.
Corona hat uns als Gesellschaft belastet, aber auch uns als Eventbranche und Sporttreibende, und das ökonomisch und soziologisch. Als Ironman Group sind wir immer noch nicht zu 100 Prozent zurück. Selbst 2022 war noch kein normales Jahr. Gewisse Dinge haben sich allerdings verbessert. So haben wir stark an unserer digitalen Performance gearbeitet. Und da kein Vereinssport möglich war, haben während Corona viele Menschen mit Laufen oder Radfahren begonnen. Davon profitiert auch der Triathlon. Gleichzeitig haben zwei Winter mit geschlossenen Hallenbädern der Schwimm-Performance nicht gerade geholfen.
Triathlon-Wettbewerbe und -Distanzen
Die Ereignisse in Hamburg waren furchtbar und haben mein Team und mich stark getroffen. (Anm. d. Red.: Ein Kamera-Motorrad kollidierte Anfang Juni 2023 auf der Radstrecke mit einem Amateur-Triathleten. Der 70 Jahre alte Motorradfahrer erlag noch an der Unglücksstelle seinen Verletzungen.) Wie es dazu kommen konnte, ist nun Teil einer staatsanwaltschaftlichen Ermittlung, die wir zu 100 Prozent unterstützen. Fakt ist, dass das Motorrad dort nicht hingehört hat, da es sich auf der gegenüberliegenden Fahrbahn befunden hat. Bei allem, was wir als Veranstalter machen, stellen wir die Sicherheit immer in den Vordergrund. Das haben wir vor Hamburg schon getan und auch danach. Wir haben sofort nach dem tragischen Vorfall den Einsatz von Begleitfahrzeugen angepasst und für die sogenannte Profi-Bubble fast schon übertrieben strenge Regeln aufgestellt. So haben wir die Anzahl an Begleitmotorrädern extrem limitiert. Externe akkreditierte Fotografen auf Motorrädern haben zum Profi-Feld keinen Zugang mehr. Beim Ironman in Frankfurt wurde das bereits umgesetzt und wird auch weiter so gehandhabt.
Natürlich wollen wir unsere Veranstaltungen besser, sicherer und attraktiver machen. An neuen Triathlon-Formaten arbeiten wir zwar derzeit nicht – die Athleten-Experience weiter zu steigern, ist schon Aufgabe genug – aber wir haben über die Triathlon-Wettbewerbe hinaus einige namhafte Ultra-Trailrunning und Fahrrad-Veranstaltungen in petto, die wir weiter ausbauen wollen. Da ist zum Beispiel für Mountainbiker die MTB Epic Series zu nennen, in der man sich für das Highlight Cape Epic in Südafrika qualifizieren kann. Dieses Event ist meist extrem schnell ausverkauft und eine Qualifikation eine tolle Möglichkeit, einen Startplatz zu erhalten.
Trailrunning ist ebenfalls ein extremes Wachstumssegment, was auch an dem Trend liegt, weg von der überfüllten Straße und aus den Städten zurück in die Natur zu kommen. Seit 2022 kooperieren wir mit der UTMB, sprich der Ultra Trail Mont Blanc, und wollen in den nächsten fünf bis zehn Jahren damit eine ähnlich weltweit bekannte Marke schaffen, wie es Ironman ist. Die Serie ist auch als Qualifier konzipiert, Finale der Serie ist der Wettkampf am Mont Blanc Massiv, dem Mekka des Ultra-Trailrunnings. Das ist bei uns relativ neu, aber unter den Athlet*innen sehr beliebt und stark im Wachstum.
Historie des Ironman
Mitte der 1970er-Jahre wurde in San Diego in Kalifornien erstmals ein Triathlon ausgetragen – und zwar in umgekehrter Reihenfolge über 6 Meilen (ca. 10 km) Laufen, 5 Meilen (ca. 8 km) Radfahren und 500 Yards (ca. 0,5 km) Schwimmen. Unter den damals 46 Teilnehmern waren der später auf Hawaii stationierte Navy-Offizier John Collins und seine Frau Judy, die 1978 zu den Gründungsmitgliedern des ersten Hawaii Ironman Triathlons zählten. Der Ironman Hawaii ist nicht nur die offizielle Weltmeisterschaft über die Triathlon-Langdistanz, sondern gilt auch als eine der größten sportlichen Herausforderung im Ausdauer-Bereich.
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