Sebastian Kienle ist Profisportler aus Leidenschaft. Wenn er über Sport spricht, dann mit einer Begeisterung, die ansteckt.
Im Interview mit ISPO.com spricht der Triathlon-Star über das richtige Training, Sport in großer Hitze und die perfekten Tools.
ISPO.com: Sebastian, der Wiedereinstieg in den Sport nach einer Verletzung ist für viele Sportler ein Thema. Gibt es Tipps vom Sportprofi, wie man einen guten, möglichst leichten Einstieg findet?
Sebastian Kienle: Es ist wichtig, sich während der Verletzungspause Bereiche zu suchen, in denen man immer noch trainieren kann – meistens ist ja nicht der ganze Körper verletzt ist, sondern ein Teilbereich. Es liegt auch eine Chance darin, durch die Verletzung in Bereichen zu arbeiten, die sonst vernachlässigt werden – sei es Beweglichkeit oder allgemeine Athletik.
Wenn man wieder in den Hauptsport einsteigt, gibt es die Möglichkeit unterstützende Technologien zu nutzen. Mir hat bei meiner Achillessehnenverletzung etwa das Laufband sehr geholfen, oder Aquajogging, oder ganz simpel: LightSpeed – ein Trägersystem das man am Laufband befestigen kann, um den Impakt zu verringern.
Zudem sollte man auch andere Sportarten testen und die Belastung in der Hauptsportart erst einmal gering halten. Wichtig beim Wiedereinstieg immer: im sehr kontrollierten Umfeld trainieren, keine zu großen Ziele haben.
Wie wichtig ist ein guter Trainer und woran erkenne ich einen guten Trainer? Wie viel macht für Sie die Trainingsgruppe aus?
Ein guter Trainer verfolgt kein Dogma, hinterfragt sich selbst immer wieder und bildet sich stetig weiter; er sieht jeden Athleten individuell. Für einen Copy & Paste Onlinetrainingsplan braucht man keinen Trainer.
Eine Trainingsgruppe ist extrem gut und kann sehr motivierend sein. Es gibt feste Termine mit der Gruppe, die man vielleicht weniger leicht absagt. Gleichzeitig kann so eine Gruppe, gerade wenn sie aus Athleten besteht, die die gleichen oder ähnliche Ziele verfolgen, natürlich auch Konkurrenz bedeuten – dadurch kann Stress aufkommen. Also durchaus ein zweischneidiges Schwert.
Der Wille ist da – aber keine Zeit. Gibt es einen Profi-Trick, wie sich das Training leicht in den Tag einbinden lässt? Was ist etwa mit dem Pendlerweg zur Arbeit, von dem viele Angestellte ein Lied singen können?
Ganz wichtig sind Routinen. Klare Kommunikation mit Familie und allen Beteiligten, wann Zeit für den Sport ist, hilft, Reibereien zu vermeiden und ist effektiv.
Ich merke es an mir: An lockeren Tagen, an denen ich in den Tag hinein lebe, fällt es mir ganz schwer, das kleine bisschen Training überhaupt umzusetzen, weil der straffe Zeitplan fehlt.
Dann gibt es immer Möglichkeiten kleine Zeitlücken mit zu Sport füllen: auch im Büro lässt sich ein kurzes Fitnessprogramm absolvieren - manchmal sind es ja schon 4x15 Liegestützen, die das wohlige Gefühl von leichtem Muskelkater bescheren können.
Auch der Weg zur Arbeit ist perfekt geeignet, ihn gleich für Sport zu nutzen, das ist eine absolute Sport-Chance.
Inwieweit nutzen Sie Trackingtools für das Lauf- und Radtraining?
Ich nutze einige Trainingstools. Strava ist eine super Sache, gerade um motiviert zu bleiben. Zu meinen Wettkämpfen kann ich mich aber nicht zusätzlich den Wettbewerben von sozialen Medien aussetzen, auch da diese Daten im Profibereich einen Wettbewerbsvorteil darstellen.
Auf Trainingspeaks laden die meisten Profis ihre Daten hoch. Auch ich - dazu sammelt meine Polar Uhr Daten und stellt sie in Trainingspeaks ein – mein Trainer nutzt zusätzlich ein Software-Tool, um Radeinheiten zu analysieren. Dazu tracke ich abschnittsweise weiter Daten: Schlafdaten oder ein 24-Stunden-Herzfrequenz-Tracking kann Rückschlüsse darauf zulassen, ob man sich vor einem Rennen zu wenig entspannt hat. Gerade wenn das Rennen nicht so gelaufen ist wie geplant, sind diese Daten in der Nachbetrachtung wertvoll.
Thema Trainingsziele. Wie steckt man Ziele sinnvoll ohne sich gleich zu überfordern? Was sollte man beim Ziele definieren beachten?
Ziele sind das A und O, ohne ist es schwierig einen guten Plan zu verfolgen und motiviert zu bleiben. Ich unterscheide zwischen einer Art „Mission Statement“, also einem sehr langfristigen, vielleicht sogar nie endgültig erreichbarem Ziel, wie immer gesund und fit zu bleiben. Und eher kurzfristigen, halbjährlichen bis jährlichen Zielen: das können durchaus Wettkämpfe oder Zeiten sein.
Wichtig ist dabei, sich ein selbst kontrollierbares Ziel zu setzen, unabhängig von den Mitbewerbern. Platzierungen als Ziel sind schwierig, weil sie nicht ausschließlich die eigene Leistung wiederspiegeln. Allerdings sind im Triathlon auch Zeiten ein schwieriges Thema, da diese auch von den Bedingungen abhängen und nicht nur primär von der Leistungsfähigkeit. Sinnvoller ist, sich ein Zeitfenster als persönliches Ziel zu setzen.
Trainieren im Freien bedeutet auch mit unterschiedlichste Wetterbedingungen umgehen. Die heißen Temperaturen im Sommer sind nicht ungefährlich. Worauf sollte man beim Trainieren im Sommer achten?
Wichtig ist vor allem eine langsame Anpassung. Gerade bei plötzlichen Wetterumschwüngen sollte man den Extremen aus dem Weg gehen, den Sport auf Morgens verlegen und den langen Lauf nicht in der Mittagshitze antreten. Später kann man den Körper durchaus einem extra Reiz auszusetzen, besonders, wenn ein Wettkampf unter selbigen Bedingungen geplant ist. Gerade in der Vorbereitung auf heiße Rennen macht es Sinn, sich direkt nach einer lockeren Trainingseinheit in die warme Badewanne zu legen oder in die Sauna zu gehen.
Sucht man bewusst das Extrem, ist es hilfreich, kleinere Runden zu laufen, mit der Möglichkeit abzubrechen, ein Getränk zu deponieren und eine Begleitung auf dem Rad mitzunehmen. Trinken ist elementar, logisch.
Worauf ist bei der Wahl des Sportequipments zu achten, was hilft beim Training?
Auch als Profi motivieren mich noch immer neue Gadgets und Tools. Manches wird dann fester Bestandteil, manches verschwindet. Wichtig ist, sich nicht zu verhaspeln, sonst trainiert man nur noch mit extra Gerätschaften, das kostet ja auch Zeit. Gerade beim beim Schwimmen kommen die Leute mit Säcken von Equipment, schlussendlich geht es aber darum, was ich im Rennen können muss. Da ist weniger manchmal mehr.
... für das Rad: Klar ist erst mal das Fahrrad und die entsprechender Ausrüstung wichtig (lacht). Aber das wichtigste Tool ist da ein Powermeter, ein Leistungsmessgerät, weil man damit das Training genau steuern kann. Das bedarf aber Expertise, sprich eines Coaches und einer Leistungsdiagnostik. Nur Daten sammeln macht wenig Sinn.
... fürs Laufen: Ganz simpel: ein guter Schuh. Gang- und Laufbandanalyse sowie gute Beratung helfen, den richtigen Schuh zu finden. Das einzige Equipment, das ich regelmäßig nutze, ist ein ganz normales Hüpfseil.
... fürs Schwimmen: Beim Schwimmen ist der Schnorchel eines der wichtigsten Tools. Damit kann man den nicht gerade leichten Technikbereich Atmung ausschalten. So lässt sich konzentriert am Armzug und Beinschlag arbeiten. Viele Equipments beim Schwimmen zielen darauf ab, einen Technikbereich auszuschalten.
Als Triathlet der Weltspitze haben Sie natürlich eine Vorbildfunktion. Gibt es etwas, was Sie jedem Sportler, egal ob Freizeitsportler, Amateur oder Profi mit auf den Trainings Weg geben möchtest?
Es ist am Ende nur Sport (lacht) – auch wenn es sich für mich manchmal wie mein ganzes Leben anfühlt und teilweise auch ist. Wichtig ist, den Spaß nicht zu verlieren. Ein Aspekt, der mir Spaß bringt: Anfänger und das Feuer in deren Augen. Wenn ich Etwas dazu betragen kann, andere zum Sport zu animieren, ist viel gewonnen.
Also: wenn ihr es schafft ein oder zwei Leute für Sport zu begeistern, habt ihr was Großes gepackt. Das gibt einen Kaskadeneffekt, mehr Leute kommen zum Sport - das muss kein Triathlon sein. Menschen die regelmäßig Sport treiben sind weniger gestresst, damit habt ihr auch weniger gestresste Menschen um euch herum und das sorgt letztlich dafür, dass es uns allen besser geht (lacht)
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