Wie können Outdoorprodukte dazu beitragen, dass Natur und Mensch nicht darunter leiden, wenn sie hergestellt, benutzt und entsorgt werden? Es ist die große Herausforderung einer ganzen Branche. Globale Marken wie Danone, Philips, Natura und Vodafone sowie Akteur*innen aus Politik und Verbänden haben diese Themen schon länger im Fokus. Was sie machen, und wie sie es machen, verraten sie ISPO.com.
„Die Outdoorbranche ist das perfekte Ökosystem für regeneratives Wirtschaften“, sagt Walter Link, CEO von NOW Partners. Regenerative Wertschöpfung ist nach seinen Worten die DNA der nächsten Wirtschaftsevolution, auf die alle großen Langzeittrends hinweisen: Konsument*innen und Geschäftskund*innen, Mitarbeiter*innen und Investor*innen erwarten zunehmend mehr Nachhaltigkeit. Das Gleiche gelte für die staatliche Gesetzgebung. Unseren derzeitigen Status quo zu verteidigen, sei zu wenig. Die meisten Lebenssysteme, von denen nicht nur unsere persönliche, sondern auch unsere wirtschaftliche Gesundheit abhängt, degenerieren zunehmend. Wir müssen helfen, sie zu regenerieren – also wieder gesund zu werden –, um unsere evolutionären Potenziale zu unterstützen.
Viele Lieferketten der Branchen sind über Jahre, teils Jahrzehnte gewachsen. Aber nicht jeder Zulieferer kann oder möchte neue Anforderungen an ressourcenschonende Materialien oder Audits für Nachhaltigkeitslabels erfüllen. Und auch für Designer*innen sowie R&D-Teams (Research & Development) bedeutet die Umsetzung neuer Textilstandards letztlich vor allem eines: harte Arbeit. Davon berichtet auch Vaude-Geschäftsführerin Antje von Dewitz. Sie ging mit ihrer Marke dennoch den anfangs steinigeren Weg. „Was am Anfang wie eine Belastung gewirkt hatte, ist inzwischen unser größter Treiber für Innovationen“, so von Dewitz. Der Lohn: Vertrauen – von Kunden und Personal. „Eine Marke zu sein, der vertraut wird, hilft dir, neue Kunden zu finden und damit Veränderungen in der Lieferkette mit einem noch größeren Hebel voranzutreiben.“
Die Zeiten, in denen Nachhaltigkeit als Geschäftsmodell auf C-Level- und Stakeholder-Ebene verpönt war, sind vorbei. Walter Link, CEO von NOW Partners: „Als Führungskräfte müssen wir uns fragen: Was sind kurzfristige Kurseruptionen und was sind wirklich langfristige Megatrends? Und Nachhaltigkeit ist der wohl wichtigste.“ Und das branchenübergreifend. So sackte der Unilever-Börsenwert nach der Verkündung von 50 Nachhaltigkeitszielen des Unternehmens zwar zunächst um zehn Prozent ab. Zehn Jahre später ist der Unternehmenswert um das 300-fache gestiegen. Inzwischen verzeichnen nachhaltige Produktlinien mehr als die Hälfte der Umsatzsteigerung. „Unser Nachhaltigkeitskurs begann Top-Down, inzwischen ist er Bottom-Up“, sagt Antje von Dewitz. Was mit ihrer Entscheidung für eigene Köch*innen in der Kantine und regionale Zutaten begann, wurde vom Küchenpersonal inzwischen in eine rein vegetarische und vegane Kantine weiterentwickelt.
Um Impact zu haben, musst du deinen Impact kennen: Wie groß ist der CO2-Ausstoß eines Unternehmens? Wie viele Material- und Rohstoffabfälle entstehen im Laufe der Produktion? Es gibt inzwischen unzählige Parameter, mit denen der ökologische und soziale Fußabdruck gemessen werden kann. Die gute Nachricht: Outdoor-Brands können sich diese Aufgabe mit externer Hilfe leichter machen. Merijn Dols, Global Head of Open Innovation bei Danone, erklärt, wie selbst der Lebensmittelriese in einem Startup einen wertvollen Helfer fand: „Das Startup ‚How Good‘ hat über 33.000 Inhaltsstoffe für uns untersucht und ihnen einen Score zu ihrem sozialen Fußabdruck zugeteilt.“
Auch bei der Herausforderung Zirkularität gilt: Zusammen geht es leichter. Das beginnt schon bei den Zulieferern. Statt Wagenburgmentalität hilft hier das Teilen von Erkenntnissen und Innovationen. „Jeder in der Lieferkette ist gleichzeitig Kunde und Zulieferer. Kreislaufwirtschaft funktioniert daher nur, wenn wir unsere Ideen und Knowhow miteinander teilen“, sagt Claudio Marenzi, CEO der italienischen Outdoormarken Herno und Montura.
Eine Outdoormarke hat nicht genug Einfluss, um Zulieferer von Nachhaltigkeitslabels zu überzeugen? „Wenn Unternehmen wüssten, dass sie die gleichen Zulieferer haben, hätten sie einen viel größeren Hebel, um gemeinsam auf sie einwirken zu können“, so Tobias Gröber, Head of ISPO Group.
Zugleich können Outdoormarken schon beim Design und der Entwicklung neuer Produkte Recycling-Probleme der Zukunft lösen. „Die Materialzusammensetzung ist der Schlüssel zur Lösung“, sagt etwa Walter Thomsen, CEO der Recycling-Unternehmens SOEX. „Monomaterial macht mich glücklich. Aber das haben wir aktuell immer noch viel zu selten.“ Mit dem Rucksack-Prototyp Novum 3D hat Vaude im Februar genau einen solchen Monomaterial-Rucksack vorgestellt. Ein weiterer Schritt in Richtung Kreislaufwirtschaft.
Auf der Suche nach den besten Talenten der Branche ist soziale und ökologische Verantwortung längst ein Faktor geworden. Dr. Simone Kreyer, Geschäftsführerin der E-Commerce-Plattform SIGNA Sports United, stellt klar: „Wer die Probleme der Zukunft angeht, ist als Arbeitgeber attraktiver.“ Das gelte besonders bei jungen, qualifizierten Fachkräften. „Werte sind wichtiger denn je. Heute 22-Jährigen wollen nicht für Ölriesen arbeiten, sondern für Marken mit Botschaft“, sagt Martin Frick, Director Global Office des UN World Food Programs.
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