Bildcredit:
Fauzan Saari/unsplash
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Find the Balance/01.08.2023

Sportswashing: faires Sponsoring oder erkauftes Image?

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Skifahren in Saudi-Arabien, Rad-WM in Ruanda, Autorennen in Aserbaidschan: Die Landkarte der Megaevents im Sport wird immer diverser. Mittendrin autokratische Regime und zweifelhafte Investoren, die sich ein positives Image erkaufen wollen. Rund um das Sportswashing läuft ein erbitterter Fight, dessen Ausgang mehr denn je offen ist.

Seriously? Eine Milliarde Euro für ein Jahr? Wie der saudische Fußball-Erstligist Al-Hilal in den europäischen Transfermarkt reingrätschen wollte, sorgte für ungläubiges Kopfschütteln: 300 Millionen Ablöse und 700 Millionen Jahresgage für Kylian Mbappé! Selbst wenn der Franzose letztlich das Angebot ablehnte, das ihn zum bestbezahlten Fußballer aller Zeiten gemacht hätte: Es zeigt, wie maßlos es im Sport zugehen kann, wenn Geld keine Rolle spielt. Hauptsache, die Welt schaut bei Demokratie und Menschenrechten nicht mehr so genau hin.

Gegner und Befürworter streiten unversöhnlich

Sportswashing ist aktuell ein heißes Thema. Geht es um eine echte Förderung des Sports oder zielen Investitionen rein auf Imagepflege ab? Gegner und Befürworter streiten unversöhnlich. Machen die Milliarden von Autokraten den Sport kaputt? Die Top Drei der Kontroversen:

  • Muss man den Finger in die Wunde legen und moralische Kritik loswerden, wenn Verbände, Vereine und Stars den Verlockungen des großen Geldes erliegen und das Thema der Menschenrechte ausblenden? Oder darf sich der Sport auf eine unpolitische Position zurückziehen?
  • Verzerren politisch motivierte Sponsoren – etwa im Fußball – den fairen Wettbewerb? Oder ermöglichen erst solche neuen Geldquellen das noch spektakulärere Next Level im Sport? 
  • Soll die Missachtung von Menschenrechten mit einem Boykott beantwortet werden? Oder spielt der Sport eine wichtige Rolle, um für neue Regionen und Publikumskreise nachhaltige gesellschaftliche Veränderungen anzustoßen?

Sportswashing weit verbreitet

Die Wechsel von Ronaldo, Benzema und anderen in die Jahre gekommenen Superstars in die erste saudische Fußballliga und erst recht die Mbappé-Offerte warfen ein Spotlight auf die Strategie. Autokratische Herrscher, ihre Staatsfonds und Unternehmen buttern Geld in alles, was hohe Aufmerksamkeit verspricht. Sie lieben Fußball: Für die WM in Katar, die Club-WM in Saudi-Arabien, der Aufstieg der saudischen Liga zur Fußballmacht in Asien oder das Sponsorship für Manchester City, Paris Saint Germain und andere Klubs greifen sie tief in die Kassen. Wenn Traditionsstrecken in Europa die Kohle ausgeht, zieht die Formel 1 nach Bahrain, Saudi-Arabien, Katar, in die Vereinigten Arabien Emirate oder nach Aserbaidschan. Und auf Skifahren in der arabischen Wüste muss man erstmal kommen – die asiatischen Winterspielen 2029 jedenfalls finden in Saudi-Arabien statt. Kein großes Radrennen kommt ohne die Top-Teams mit den Sponsoren Bahrain, VAR und Saudi-Arabien auf den Trikots aus. Auch Ruanda als Austragungsort der Rad-WM 2025 wirft Fragen nach der dortigen Menschenrechtssituation auf. Wobei der Verband die Vergabe damit begründet, dass die erste Weltmeisterschaft in Afrika dem dort langsam ins Rollen kommenden Radsport Rückenwind geben soll.

Geld setzt sich im Golf durch

Ist es möglich, sich gegen das große Geld aus Staatskassen zu wehren? Die traditionsreiche US-Golf-Tour PGA hat es probiert. Als der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman 2022 durch seinen Staatsfond die mit zwei Milliarden Dollar finanzierte Konkurrenz-Tour LIV an den Abschlag schickte, drohte die PGA allen wechselwilligen Golfern mit einem Ausschluss. Was hat es genützt? Nichts. Die PGA musste einlenken und wird vom kommenden Jahr an mit der LIV zusammenarbeiten.

Sponsoring poliert das Image auf

Für Autokraten ist Sportsponsoring ein bewährtes Mittel. Sie wollen damit ihre Macht zementieren. Nach innen bieten sie dem sportbegeisterten Volk Identifikation, Emotion und Ablenkung. Nach außen erkauft man sich mit den Events Ablenkung von der Politik und poliert das verölte Image auf – was im Zuge der Energiewende weg von fossilen Quellen immer notwendiger erscheint. Dabei versprechen die reichlich in den Sport fließenden Milliarden ein langfristig lohnendes Investment.

Der größte Südenfall: Olympia in Nazi-Deutschland

Sportswashing ist jedoch kein neues Phänomen. Schon im alten Rom wussten die Machthaber, dass sie sich mit Brot und Spielen die Zuneigung der Massen erkaufen konnten. Zweifelsfrei der größte Sündenfall des Sports passierte 1936 mit den Olympischen Spielen in Berlin. Machthaber Adolf Hitler und seine Propagandisten missbrauchten die Begeisterung in Deutschland und aller Welt, um vom Terror des Nazi-Regimes abzulenken, der nur drei Jahre nach Olympia zum Zweiten Weltkrieg und zum Tod von sechs Millionen Juden führte.

IOC und FIFA mit Lippenbekenntnissen 

Das IOC und die FIFA stehen als mächtigste Sportverbände der Welt bei der Vergabe ihrer Events unter besonderer Beobachtung. Der Fußball verlor seine politische Unschuld schon mit der zweiten Weltmeisterschaft: Die Titelkämpfe 1934 mit dem Turniergewinn des Gastgeberlandes gestattete dem italienischen Diktator Benito Mussolini breite Propaganda für seinen Faschismus. Und während 1978 die deutsche Fußball-Nationalmannschaft gemeinsam mit Udo Jürgens ein fröhliches „Buenos Dias Argentina“ sang, erwogen zahlreiche andere europäische Länder einen – letztlich aber nicht durchgezogenen – Boykott gegen die gewaltsam herrschende Militärdiktatur im WM-Gastgeberland Argentinien. Menschenrechtsorganisationen kritisierten auch die vergangenen vier Weltmeisterschaften scharf: 2010 in Südafrika, 2014 in Brasilien, 2018 in Russland und vor allem 2022 in Katar.

Symbolische Zugeständnisse, aber keine Symbole 

FIFA-Präsident Gianni Infantino bringt die von seinem Vorgänger Sepp Blatter angeworfene Gelddruckmaschine auf immer höhere Umdrehungen. Der Fußball-Boss spricht von der Zukunftsvision einer FIFA 2.0. Die schöne Ablenkung funktionierte allerdings nicht so wie erhofft. Immerhin leitete der äußere Druck einen Prozess ein, in dem der mächtige Verband indirekt zugab, dass seine Aktivitäten im sozialen und politischen Umfeld durchaus problematisch sein können. 2016 legte die FIFA als erster Sportverband eine Strategie zur systematischen Achtung der Menschenrechte, basierend auf den korrespondierenden UN-Leitprinzipien, vor. Infantino sah in der Diskussion um das Turnier in Katar keinen Widerspruch zwischen der eigenen Menschenrechtscharta und den Geldströmen aus dem autokratischen Golfstaat sowie der Ausbeutung von Fremdarbeitern beim Stadionbau. Er setzte sich intern gegen die kritischen Stimmen vor allem aus europäischen Verbänden durch, wie die Posse um die regenbogenfarbene Kapitänsbinde einiger europäischer Mannschaften und der One-Love-Binde des deutschen Teams verdeutlichte.

Kann der Sport Veränderungen auslösen?

Der FIFA-Präsident verweist in dem Zusammenhang auf die Kraft des Sports, in Ländern wie Katar Veränderungen auszulösen: „Natürlich gibt es Dinge, die noch nicht funktionieren. Es ist ein Prozess. Lasst uns versuchen, andere durch Austausch zu überzeugen, nicht durch einseitige Moral“, sagte er. Für Infantino stand in Katar ohnehin fest, dass die Debatte vor allem von Medien und einer „woken“ Minderheit losgetreten wurde und der Sport alle lästigen Debatten übertönen würde. „Natürlich wird es die beste WM aller Zeiten. Sobald der Ball rollt, konzentrieren sich die Leute darauf. Weil es das ist, was sie wollen, das ist der Zauber des Fußballs.“

„Athleten spielen nur eine Statistenrolle“

Im IOC lächelt Präsident Thomas Bach den Konflikt um zweifelhafte Geldquellen, Verantwortung für Menschenrechte und seine Nähe zu den Mächtigen nach wie vor mit seiner These vom unpolitischen Sport weg. Was natürlich so noch nie richtig war: Bei Olympia reisten 1976 vor allem afrikanische Delegationen im Kampf gegen die Apartheidsregimes in Südafrika und Rhodesien von den Spielen in Montreal ab. 1980 blieben nach der sowjetischen Invasion in Afghanistan 65 westliche Staaten den Olympischen Spielen fern, was vom Ostblock vier Jahre später mit dem Boykott der Spiele in Los Angeles beantwortet wurde. Und zuletzt waren die Winterspiele 2014 in Sotchi und 2022 in Peking mit Verweis auf die Menschenrechtssituation von Vorwürfen des Sportswashing begleitet. Biathlon-Olympiasieger Arnd Pfeiffer übte als TV-Experte scharfe Kritik: „Thomas Bach argumentiert immer, die Olympischen Spiele seien unpolitisch. Das ist aus meiner Sicht Augenwischerei. Sport ist immer eng verzahnt mit Politik.“ Und angesichts des Gigantismus der Spiele stellte Biathlet Erik Lesser nüchtern fest: „Staaten wollen sich mit den Spielen präsentieren und die eigene Stärke betonen. Die Athleten spielen da nur eine Statistenrolle.“ Es ist eine spannende Diskussion zu erwarten, falls sich Saudi-Arabien – wie in Medien kolportiert – für die Austragung Olympischer Spiele bewerben wird.

Sportler*innen und Fans zwischen Begeisterung und Kritik

Und mitten zwischen den Kontrahenten stehen Sportler*innen und Fans. In der Diskussion um Sportswashing suchen sie intuitiv ihren Weg zwischen notwendigen Fördergeldern, unbeschwerter Begeisterung für großartige Wettbewerbe und Political Correctness. Vor allem die Verbände stehen in der Verantwortung, den Sport nicht bedenkenlos dubiosen Finanzquellen zu opfern. Denn die Fans wollen ihre Liebe zum Sport mit der einzigartigen Fülle an Emotionen möglichst unbeschwert ausleben. Fröhliche Events rund um den Globus beweisen den friedlichen, menschenverbindenden Charakter des Sports in seinen vielfältigen Facetten. Grenzüberschreitende Turniere, wie sie die FIFA und die UEFA schon mehrfach ausrichteten, verbinden Nachbarländer – wie aktuell bei der Frauenfußball WM in Australien und Neuseeland.

Anlauf für Olympische Spiele 2036 in Berlin

Die Fußball-Europameisterschaft 2024 in Deutschland macht Hoffnung auf eine Wiederholung des Sommermärchens von 2006. Ob wieder eine derartige Begeisterungswelle das ganze Land und seine Gäste erfasst, hängt wahrscheinlich eher von der Leistung der deutschen Nationalmannschaft ab als von der Jubelbereitschaft der Menschen. Wie gut man hierzulande mit dem Sport große Partys feiern kann, beweisen die Fans nahezu jedes Wochenende. Nur mit Olympia fremdeln Teile von Politik, Medien, Verbänden und Öffentlichkeit. Was sicherlich auch an dem von Sportswashing, ungebremsten Finanzwachstum und Korruptionsaffären ramponierten Image des IOC liegt. Die Olympiabewerbungen von München für die Winterspiele 2022 und Hamburg für die Sommerspiele 2024 sind in Volksentscheiden krachend gescheitert. Jetzt nehmen die Region Rhein-Ruhr und Berlin für 2036 einen neuen Anlauf. Eine breit angelegte Informationskampagne des Deutschen Olympischen Sportbundes soll dabei helfen. Das Land und die Fans sind sicher bereit für emotionale, nachhaltige und völkerverbindende Spiele – genau 100 Jahre nachdem die NS-Propaganda die Olympische Idee verraten hatte.

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