Nachhaltigkeit/30.05.2023

Biodegradable Fashion: vom Bergsport zu Biomasse

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Sie zählt zu den Hoffnungsträgern im Kampf gegen textile Müllberge – Funktionskleidung, die beste Performance bietet und am Ende ihres Lebenszyklus biologisch abbaubar ist. Auf der OutDoor by ISPO präsentierten einige Unternehmen ihre nachhaltigen Materialien und hier erfahrt ihr das wichtigste über den Trend.

Ein wenig Biomasse. Ein bisschen Wasser, dazu noch Kohlenstoffdioxid und, je nach Sauerstoffzufuhr, Methan. Mehr bleibt nicht übrig von den Fasern, die eben noch als Isolierung einer Outdoor-Jacke dienten. Ein irreparabler Schaden setzte dem Textil-Leben ein abruptes Ende. Nun machen sich Mikroorganismen auf einer Mülldeponie über das Material her und zersetzen es, anders als bei Synthetikfasern, innerhalb weniger Monate und ohne Belastung für Boden und Grundwasser. Denn: Die Fasern sind biologisch abbaubar. Und damit einer der heißesten Trends in der Outdoor-Branche.

Besonders Funktionskleidung hatte lange ein echtes Image-Problem. Oft bestand sie aus synthetischen Fasern wie Polyester und Nylon, die jeweils aus Erdöl gewonnen wurden und bei der Herstellung Unmengen an Energie verschlangen. Doch längst hat ein Umdenken in der Textilindustrie eingesetzt.

Unablässig suchen Verantwortliche nach neuen Wegen, ihre Produkte nachhaltiger und widerstandsfähiger zu gestalten und den Prinzipien der Circular Economy zu folgen. Sie verarbeiten alte Textilien und Kunststoffe zu neuen Materialien oder setzen auf natürliche und nachwachsende Rohstoffe. Und sie rücken biologisch abbaubare Stoffe in den Fokus. Ein Thema, das beim Wunsch nach einer nachhaltigen Zukunft zunehmend an Dynamik gewinnt.

Biodegradable materials, das sind Stoffe, die durch biologische Aktivität in ihre Grundmoleküle CO2 und H2O zersetzt werden können. Die entstandenen Spaltprodukte dienen als Basis für neue Rohstoffe. Bei nicht biologisch abbaubaren Stoffen hingegen schaffen es Organismen nicht, diese vollständig zu zerlegen. Stattdessen entstehen nach und nach immer kleiner werdende Partikel – teils mit schwerwiegenden Folgen für die Natur.

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Biodegradable vs. bio based

Nicht zu verwechseln sind biodegradable Materialien mit bio-based Materialien. Letztere werden vollständig oder teilweise aus erneuerbaren Rohstoffen wie zum Beispiel Pflanzen hergestellt. Biologisch abbaubar aber sind sie deswegen nicht zwingend. Und andersherum: Nicht jedes biologisch abbaubare Material ist auch biobasiert. Manche biologisch abbaubaren Kunststoffe etwa sind fossilen Ursprungs.

Doch warum sind Biodegradables zuletzt so gefragt in der Outdoor-Branche? Die Idee, mit biologisch abbaubaren Alternativen ausufernde Müllberge zu vermeiden, ist schließlich nicht neu. Das Problem vieler Naturfasern: Für die Ansprüche, die an Funktionskleidung gestellt wird, bringen sie meist nicht genug Leistung. Mischgewebe können die Performance zwar deutlich verbessern, allerdings zulasten der biologischen Abbaubarkeit.

lavalan: Maisstärke verbindet

Einen Ausweg aus dem Dilemma hat man bei Baur Vliesstoffe gefunden. Für die Wollisolierung lavalan – abgeleitet vom lateinischen Begriff für „waschbare Wolle“ – wird europäischer Schurwolle noch die Mais-basierte Faser Polylactid (PLA) hinzugefügt. Sie verbindet die einzelnen Wollfasern an unzähligen Stellen zu einer sowohl robusten als auch komfortablen Faserfüllung.

„Die funktionalen Vorteile von Wolle kommen in der Isolierung von Outdoor-Produkten perfekt zur Geltung“, sagt Peter Krommer, Director International Sales & Marketing. „Wolle besteht zu 80 Prozent aus Hohlräumen und kann daher die Körperwärme sehr gut speichern.“ Darüber hinaus könne sie bis zu 36 Prozent ihres Trockengewichts an Feuchtigkeit aufnehmen und diese permanent abgeben. „Das macht Wolle unerreicht atmungsaktiv.“ Und da sie schlechte Gerüche neutralisiert, muss sie auch nach längerem Tragen nicht oft gewaschen werden.

Auf der Suche nach kombinierbarer Wolle

Die Herausforderungen bei der Produktion von lavalan sieht Krommer insbesondere in der Beschaffung des Rohstoffs. „Da wir nur Wolle europäischer Schafe verwenden, müssen wir erst einmal Schäfereien finden, die uns gut kombinierbare Wolle liefern.“ Wegen der recht kleinteiligen Schafhaltung in Europa bedeutet das einen hohen Rechercheaufwand und den Aufbau von Netzwerken.

Heute findet man lavalan Wollwattierung unter anderem in Heimtextilien und Kinderwagen, in Schlafsäcken und Helmen, in Ski- und Outdoorbekleidung. „Auf die Schweizer Marke Mover, die uns als erste Outdoor-Firma nach einer leichten Wollwattierung für ihre Funktionsjacke fragte, folgten Ortovox, Bergans und Napapijri“, erinnert sich Krommer. Inzwischen zählen auch Grüezi Bag, Maier Sports, Röckl, Sasta, Snowlife, Vaude und Ziener zum Kundenkreis.  

Neben der hohen Funktionalität punktet lavalan mit seinen nachhaltigen Eigenschaften. Die Wollisolierung besteht schließlich aus einem nachwachsenden Rohstoff und kann recycelt werden. Und: Sie ist biologisch abbaubar. Auch die im Labor hergestellte Molekülstruktur von PLA kann von Mikroorganismen zerlegt werden.

Auf der diesjährigen OutDoor by ISPO wird Baur Vliesstoffe im Sustainability Hub vertreten sein. „Wir haben unser lavalan zum Ansehen und vor allem Anfühlen mit dabei“, sagt Krommer, „und ein paar Produkte, in denen es verarbeitet ist. Unser Team und ich freuen uns auf Besucher*innen, jede Menge Fragen und ein angeregtes Netzwerken.“

Re:Down: Federfüllung ohne Neudaunen

Ebenfalls im Sustainability Hub präsentiert das Team von Re:Down ein anderes Material, das wegen seiner hervorragenden Isolierungseigenschaften in der Outdoor-Branche gefragt ist: Daunen. „Zudem sind sie sehr leicht und praktisch, wenn es ums Wandern oder Reisen geht“, beschreibt Eric Firmann, Mitbegründer der Firma. Und, im Fall von Re:Down, überaus nachhaltig. „Wir brauchen keine Neudaunen von Enten oder Gänsen. Unser Füllmaterial entnehmen wir aus gebrauchten Artikeln.“

Das Rohmaterial stammt aus Alttextil-Containern aus ganz Europa. „Die gebrauchten Artikel kaufen wir Textilsammlern ab“, erklärt Firmann. Die alten Daunen und Federn werden in warmem Thermalwasser gewaschen und bei 135 Grad Celsius getrocknet. Dann sind sie perfekt sterilisiert. Fallen Federabfälle an, werden diese zu Biodünger verarbeitet. Die übrigen Daunen finden sich nach bestandener Qualitätskontrolle in Bettdecken, Schlafsäcken, Kissen oder Jacken wieder, etwa von Patagonia, bergans of Norway oder Mountain Equipment.

Wie oft Daunen letztlich wiederverwendet werden können, hängt von verschiedenen Faktoren ab. „Es kommt sehr darauf an, wie das Produkt gebraucht und gepflegt wurde“, sagt Firmann. „Nur eines ist sicher: Sie können nicht ewig recycelt werden, weil wir bei jedem Recyclingablauf an Menge und an Qualität verlieren.“ Als umweltschädlicher Textilmüll endet die Isolierung aber trotzdem nicht – auch Daunen gehören zu den biodegradable Materialien.

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