- Kite Foiling als olympische Sportart
- Trainerin und Hoffnungsträgerin der französischen Nationalmannschaft
- Vorbereitung auf das Heimspiel
- Ein typischer Trainingstag
- Das Foil, die neue Ausrüstung der fliegenden Kiter
- Der Versuch des nachhaltigen Segelns
- Gemischte Teams im Kitesurfen
- Ein Sport, der zum Träumen anregt
- Flora Artzner als Pionierin für Veränderung in der Welt des Segelns
- Das Wichtigste zu Olympia 2024 in Marseille
Könnten Sie sich vorstellen, mit verrückter Geschwindigkeit über das Wasser zu schweben, fast so, als ob Sie fliegen würden? Das ist jetzt mit Kite Foiling möglich. Kite Foiling ist eine neue olympische Sportart, bei der ein mit Tragflächen versehenes Brett von einem Drachen angetrieben wird. Das Ergebnis? Ein Sport, bei dem man mit Höchstgeschwindigkeit über die Wasseroberfläche gleitet. Die Disziplin soll bei den nächsten Spielen zu einer olympischen Sportart werden. Bei den Olympischen Spielen 2024 in Paris werden zwei neue Segeldisziplinen in das Programm aufgenommen: Windsurfen mit IQFoil und der „Formkite“, auch Kitefoil genannt. Wenn man an jemanden denkt, der besonders gut in der Lage ist, die Veränderungen in der Welt des Segelsports zu beurteilen, fällt einem niemand besser ein als Ariane Imbert. Sie ist für die Ausbildung des französischen Kitefoil-Teams verantwortlich und arbeitet eng mit dem französischen Segelverband zusammen.
Ariane Imbert: „Ich komme aus Nizza und bin zwischen Meer und Bergen aufgewachsen. Meine erste Leidenschaft ist das Snowboarden, ich habe mehrere Jahre lang an Wettkämpfen teilgenommen. Nachdem ich eine STAPS-Lizenz (sciences et techniques des activités physiques et sportives/Wissenschaft und Technik der körperlichen und sportlichen Aktivitäten) erworben und gleichzeitig ein pädagogisches Projekt für Kinder begleitet hatte, habe ich mich auf Coaching, Skifahren und Training konzentriert. Nach einigen Jahren fernab des Meeres bin ich nach Hyères gekommen, wo ich das Kitesurfen für mich entdeckt habe. Ich habe dann beschlossen, den professionellen Kite-Schein zu machen, um unterrichten zu können. Dann habe ich eine Kite-Schule gegründet und damit begonnen, Kinder zu unterrichten. 2012 entwickelte sich die Disziplin hin zu einer professionellen Spitzensportart. Mittlerweile arbeitet der französische Segelverband eng mit meiner Schule zusammen.“
Durch Wettkämpfe lernt man schneller.
„In meinem Trainingskonzept steht der/die Athlet*in im Mittelpunkt. Er/sie übernimmt die Organisation des Projekts und schafft sich das gewünschte Umfeld. Der Coach steht ihm/ihr zur Beratung beiseite und sorgt für die richtige Voraussetzung dafür, dass sich die Lernenden weiterentwickeln. Mir ist Achtsamkeit wichtig, deshalb bin ich für Strategien zur Entwicklung und Organisation von Aktionen zuständig. Ich bin da, um zu ermutigen und in schwierigen Momenten zu pushen, und zu motivieren. Ich führe die Surfschuhe nach einem amerikanischen Management-Stil, in dem jede*r seine/ihre Aufgaben kennt und greife nur ein, wenn es Probleme gibt. Ich habe die Rolle einer Person, die reguliert und motiviert, helfe aber auch bei der Entwicklung neuer Strategien, bei der auf Gesundheit, die Form der/des Athlet*in und die Wetterbedingungen ankommt. Ich booste meine Schüler*innen in starken Momenten, bremse sie manchmal aber auch.“
Meine Vision ist es nicht, alles zu entscheiden, der/die Athlet*in steht im Mittelpunkt des Projekts.
„Beim Segeln ist es sehr wichtig, das Gewässer und seine Eigenheiten zu kennen. Im Training üben wir in unterschiedlichen Bedingungen. Navigationsstile variieren je nach Windstärke und -richtung, Zustand des Wassers, Seegang, Wellen und vielen weiteren Einflussfaktoren. Die Bedingungen in Marseille sind technisch anspruchsvoll, weshalb wir auch auf ähnliche Wasserflächen in Frankreich und im Ausland zum Üben zurückgreifen. Wir versuchen, strategische Muster zu entwickeln. Dazu verfolgen wir den internationalen Wettbewerbskalender, um verschiedene Arten von Trainings national und international zu absolvieren. Wir arbeiten mit Regatta-Trainer*innen und nehmen an Wettbewerben teil. So sind wir für die Olympischen Spiele gut aufgestellt und haben die Leistung auf allen Ebenen optimiert. Sich mental gut zu fühlen, ist ebenfalls wichtig. Die Athlet*innen sollen dem Druck dieses Ereignisses, welches das erste Mal bei uns zu Hause stattfinden wird, nicht erliegen.“
Bei den Trainingsroutinen gilt: Je besser man sein Aktionsfeld kennt, desto besser wird man im Wettkampf abschneiden.
„Die Ausrüstung ist in Wassersportarten sehr wichtig. Sie ist der Schlüssel zur Leistung. Kitefoil ist ein Sport, bei dem die Ergebnisse stark von der Wahl des Materials, den Einstellungen und dem Zustand der Wasseroberfläche abhängen. Wir haben verschiedene Arten von Brettern und Segeln, um uns an die klimatischen Bedingungen, den Wind und den Seegang anzupassen – das ist essenziell. Bei den Olympischen Spiele in Paris 2024 werden die Foils erstmals die Finnen ersetzen. Im Gegensatz zu einem Boot, das nach dem archimedischen Prinzip schwimmt, sind Foil-Boards für die Geschwindigkeit von Vorteil. Foil- (Wasserflügel)- und IQFoils sind über eine Art Mast mit dem Board verbunden. Vergleichbar ist es tatsächlich mit einem Flugzeug, das durch das Wasser fliegt. Es erzeugt minimalen Luft- bzw. Wasserwiderstand und drückt sehr wenig auf die Oberfläche. So kann man bei leichterem Wind fahren, da es weniger bremst. Der Winkel am Wind und die Geschwindigkeit sind ebenfalls besser. Beim IQFoil gilt das gleiche Prinzip für den Heckflügel. Das Wasser strömt auf der Unterseite der Flügel ein und beschleunigt an der Oberseite, was einen Überdruck erzeugt, der nach oben trägt. Am Heck hat das Höhenleitwerk ein umgekehrtes Profil, das nach unten trägt. Durch das Zusammenspiel der Kräfte entsteht ein Gefühl des Fliegens und Schwebens.
Beim Kitefoil gibt es ein Segel mehr, das einem Gleitschirm ähnelt, der mit dem Geschirr verbunden ist. Dieser Drache erzeugt Zugkraft, die dem Auftrieb des Foils entgegengesetzt ist. Dieses Phänomen von Zug und Gegenzug lässt uns sehr schnell vorwärtskommen und gleiten.“
Man kann nicht mit zwei Pferden zu einem Formel-1-Rennen antreten, das funktioniert nicht.
„Umwelttechnisch sind wir sehr engagiert, denn wenn das Meer durch Plastik oder Algen, die durch den Klimawandel entstehen, verschmutzt ist, können wir nicht foilen. Lauriane Nolot, die ich für die Olympischen Spiele 2024 trainiere, ist einmal wegen einer Plastiktüte im Wasser gestürzt. Wir arbeiten mit Surfrider™ und Clean Ride™ zusammen, sammeln während des Trainings Müll im Meer und am Strand ein. Es gibt auch Bereiche, in denen wir uns verbessern müssen, insbesondere bei der Ausrüstung und den Reisen, Spitzensport ist leider nicht immer mit der Ökologie vereinbar, dessen sind wir uns bewusst. Wir verbrauchen viel Material – Sonnencreme, Boote, Drohnen, Kabel und Datenmüll ... Überschüssige Ausrüstung wird deshalb an Jugendliche der französischen Nationalmannschaft oder an benachteiligte Sportler*innen gespendet. Ich nehme an einem Programm der Marke Sooruz™ teil, die Anzüge zurücknimmt, um sie zu recyceln. Wir haben das Ziel, einen lokalen Lebensstil zu pflegen, konsumieren deshalb lokale Bio- und Saisonprodukte und haben ein spezielles Programm für bestimmte Athlet*innen. Zum Segeltraining nutzen wir nur das Meer und den Wind, aber ich brauche dafür trotzdem ein Motorboot, was eigentlich nicht mit dem Umweltschutz vereinbar ist. Das ist ein globales gesellschaftliches Problem, für das es im Moment noch keine Lösung gibt.
In Bezug auf Wettbewerbe müssen wir Flugreisen unternehmen, damit jeder teilnehmen kann und der Wettkampf fair bleibt. Wettkämpfe müssen deshalb auf der ganzen Welt stattfinden. Für das Training könnte man vielleicht Elektroboote einsetzen, obwohl Batterien natürlich auch Nachteile mit sich bringen.
Wir appellieren an den Verband, handeln lokal und müssen ein Gleichgewicht zwischen Erschöpfung und Leistung mit der Energie, die dies verbraucht, finden.“
„Zu gemischten Wettbewerben: Wir hatten viele Jungen und ein Mädchen, am Anfang war es pures Chaos. Wir haben einen Auswahl- und Rekrutierungskreislauf entworfen, sodass wir mittlerweile mehr weibliche Athleten auf sehr hohem Niveau haben. Diese Dichte bringt mehr Menschen zu unserem Sport. Im französischen Segelverband sind wir zwei Trainerinnen in zehn Klassen: Françoise Lecourtois, Trainerin der Nationalmannschaft im 49er (Jollentyp), und ich. Sporterfahrung- und -erfolg sind leider oft mit dem Familienleben nicht vereinbar. Man darf sich dahingehend nicht vergleichen, denn wenn man genug Erfahrung hat, ist man im Alter, eine Familie zu starten, und manchmal ist das nicht miteinander kompatibel. Meine Philosophie: Keine Fragen stellen, man muss einfach machen.“
In meiner Karriere habe ich aus Leidenschaft eine Welle genommen, die ich bis zum Ende reite. Im Leben muss man nach vorne schauen.
„Bei den Olympischen Spielen erwarten wir gute Reaktionen des Publikums, da es sich um einen wunderbaren Sport handelt. Die Ästhetik und Technik dieses Sports sind erstaunlich und die Geschwindigkeit lässt einen träumen. Gerade, wenn man losfährt, die Nähe zu den Athlet*innen ist beeindruckend schön. Im Moment gibt noch nicht viele Menschen auf der Welt, die diesen Sport ausüben. Es könnte ein Hype werden, weil es so Spaß macht. Andererseits sind die Regeln des Sports kompliziert, weil man den Wind verstehen muss.“
Die Beziehung zur Umwelt, der Kontakt mit dem Wasser, das Gefühl der Freiheit beim Gleiten, die Bewegung, die den Kopf frei macht und die Glücksgefühle steigert, sind das, was diesen Sport ausmacht. Kiten und Surfen können die Umwelt und die Gesellschaft verändern, und die besten Sportler*innen machen es uns vor. Das war auch der Kern von Flora Artzners Rede auf dem Surf Summit 2023. Flora ist Biodiversitätsingenieurin und Meeresumweltberaterin sowie Spitzensportlerin und beweist, dass ein bewusster, integrativer und Low-Tech-Ansatz denkbar ist. Sie weist auf die Widersprüche des Hochleistungssports hin. In ihrer Disziplin erwähnt sie Probleme mit dem Material der Boards, auch wenn durch erste Boards aus recyceltem Karbon Fortschritte erkennbar sind. Wettkämpfe auf der anderen Seite der Welt und die fehlende Inklusivität sind für sie schwer zu bewältigen. Um all diese Herausforderungen zu meistern, veranstaltete sie 2021 in Hyères den weltweit ersten ökologisch verantwortungsvollen Foil-Wettbewerb: La Roca Cup™. Der nächste findet im April 2024 statt. Um die ökologische Verantwortung in der Industrie zu fördern und umweltschädigende Praktiken im weitesten Sinne zu vermeiden, haben die Verbände Eurosima™ und Surfrider™ Europe ein Referenzdokument unterschrieben. Mit der Unterzeichnung dieser Standards wollen sie sich der Problematik von chemischen Abfällen, Mikroplastik und Treibhausgasen gemeinsam stellen. Oft sind es auch gemeinnützige Organisationen, die sich um die Folgen der industriellen Produktion kümmern (z. B. The microfiber consortium, Ellen Macarthur foundation, Sea shepherd).
Die wichtigsten Facts zu den Olympischen Spiele 2024: Das RS:X-Board wurde kürzlich durch ein Foil-Board namens IQFoil ersetzt, die Finn-Kiteboards durch die Kite Foils. Die gemischten Wettbewerbe wurden neu organisiert, um einen Frauen- und einen Männerwettbewerb anzubieten. Alle Segelwettbewerbe, einschließlich IQKite und Kitefoil, werden im Yachthafen von Marseille ausgetragen, wo im Juli 2023 bereits Testrennen stattfanden.
Beim Kitesurfen geht es nicht nur darum, die Technik zu beherrschen; es geht darum, Ängste zu überwinden und sich den Herausforderungen der Elemente zu stellen. Diese neue, wenig bekannte Disziplin ist eine großartige Entwicklungsmöglichkeit für auf Segelsport spezialisierte Ausrüster. Die jungen fliegenden Segler*innen haben trotzdem noch einen langen Weg vor sich, um die schöne und ästhetische Sportart zu zeigen, die Kraft, Disziplin, Instinkt und Loslassen erfordert.
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