Megatrends sind die „Blockbuster“ des Wandels – langfristige Ströme der gesellschaftlichen Veränderungen bei Gewohnheiten, Verhaltensweisen und Moralvorstellungen. Das globale Sportnetzwerk, die ISPO Group, verfolgt mit ihren vielfältigen Plattformen sogar eine eigene an Megatrends orientierte Strategie. Megatrends sind für uns der Schlüssel und Navigationshilfe, die vielfältigen Formen des Wandels zu begreifen und danach zu handeln. Und so stehen diese nicht nur regelmäßig auf der weltweit größten Sportfachmesse, der ISPO Munich, im Mittelpunkt des Interesses. Die Sport-Community diskutiert diese hitzig bei Keynotes, Workshops und Parties.
Sport definiert sich bei diesem Austausch weitaus größer, als man zuerst annehmen könnte: über das Individuum (Me) zur Gesellschaft (We) bis hin zu unserem Planeten (Us). Auf dieser Philosophie basiert die Vision der ISPO Group, den Zugang zu Sport und Outdoor zu fördern und ihre weltverändernde Kraft freizusetzen. Sport erreicht die Menschen und kann viel positiven Wandel bewirken, für den Einzelnen, für die Gesellschaft und die Umwelt. Vorweg: Diese Art der Denke ist insbesondere für die Unternehmen spannend, die sich selbst nicht dem Sport zuordnen würden: Es gibt nicht mehr länger eine Branche!
Es gibt viele gesellschaftliche Trends, doch die wichtigsten sind die Megatrends: Nach der Definition des Zukunftsforscher Matthias Horx sind dies Trends, die mehr als 25 Jahre bestehen, weltweit oder zumindest international auftreten und Auswirkungen auf viele Bereiche des Lebens haben. Sie entwickeln sich selbständig aus der Gesellschaft heraus und können im Unterschied zu Moden nicht geplant geschaffen werden. Das von Horx gegründete Zukunftsinstitut sieht aktuell 12 Megatrends: Individualisierung, Gender Shift, Silver Society, Knowledge Culture, New Work, Gesundheit, Neo-Ökologie, Konnektivität, Globalisierung, Urbanisierung, Mobilität und Sicherheit.
ISPO hat sich hier sechs entscheidende Megatrends für die eigene Strategie ausgesucht und individuell interpretiert:
Welche Lebensweise die Richtige ist und welche Lebensentscheidungen man für sich selbst treffen kann, wird immer zwangloser und gesellschaftliche Erwartungshaltungen dabei immer öfter durchbrochen. Beruf, Sexualität, Familie, Konsum – alles ist davon betroffen. Daraus leitet sich auch eine „Casualisierung der Gesellschaft“ ab. Zwanglos wird gelebt: Der Sneaker ist längst salonfähig, Kleidung folgt der Stimmung und weniger dem Anlass, das Gleiche gilt für das Freizeitverhalten. Und wenn man alles sein darf, dann braucht man weniger vom einzelnen. Minimalismus und on-demand stellen sich ein. Weniger ist mehr, dafür aber hochwertiger und auf Nachfrage. Der Einrichtungsstil ist „Japandi“, das sieht gut aus und ist universell. Die Wahl der Fortbewegung bestimmt durch die CarSharing-App und die zerfetzte Jeans passt heute gut zum Designer-Sakko. Dank des „Vanlife“ ist man sogar im Urlaub überall zu Hause. Aber nicht nur Casual- oder Sportswear profitieren davon, Sharing-Modelle, Abo-Plattformen und Mass-Customization-Angebote (von Möbelindividualisierung bis zum einzigartigen Sneaker) haben Rückenwind.
Ob durch WhatsApp, TikTok oder Zoom-Calls im Homeoffice: Über das Internet sind wir ständig mit anderen Menschen vernetzt. Verstärkt wurde dieser Megatrend durch die Corona-Pandemie, als persönliche Treffen durch Chats, Online-Computerspiele (eSports) und Videocalls ersetzt werden mussten. Dies hat auch Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen. Auf der eine Seite führt die Digitalisierung dazu, dass sie sich weniger bewegen, da sie mehr Zeit vor Bildschirmen oder mit dem Smartphone verbringen. Doch sie kann auch zu einer Chance für Sport und Gesundheit werden, indem sie neue Möglichkeiten schafft – durch Wearables, Smart Devices und digitale Trainings-Communities. Dazu entstehen immer marktfähigere Augmented Reality und Virtual Reality Angebote, welche die Einstiegsbarrieren reduzieren – nicht nur zum Sport.
Nie waren wir gesünder: Wir leben immer länger, bei immer besserer Gesundheit. Trotzdem beschäftigen sich die Menschen mehr mit ihren Körpern als je zuvor. Denn ihr Verständnis, was Gesundheit bedeutet, ist dabei sich zu verändern. Längst steht sie nicht mehr für die Abwesenheit von Krankheiten. Vielmehr wird Gesundheit als Synonym für ein gutes, zufriedenes Leben verstanden. Ein wichtiger Teil davon ist die Achtsamkeit, die bewusste Wahrnehmung und das Erleben des aktuellen Momentes. Ziel ist eine Gesamtgesundheit von Körper und Seele, die Kraft und Lebensenergie gibt. „Healthstyle“ nennt ISPO den Wunsch nach ausgeglichener körperlicher und mentaler Fitness, der zunehmend ein eigener Lebensstil wird. Dabei steht die Selbstoptimierung im Fokus: Ein gesunder Geist im sportlichen Körper ist zu einem Statussymbol geworden, das nicht gekauft und geerbt, sondern nur erarbeitet werden kann. Mittendrin sind auch die Veränderungen der Essgewohnheiten und Lebensmittel.
Jutebeutel statt Plastiktüte, Fahrrad statt Auto und Bauernmarkt statt Supermarkt: Als der wichtigste Megatrend der 2020er gilt die Neo-Ökologie. Umweltbewusstsein ist längst zum Mainstream geworden, es erschüttert auch die Definition von Luxus. Es verändert nicht nur die gesellschaftlichen Werte, unseren Alltag und die Politik, sondern stellt auch klassisches unternehmerisches Denken infrage. Umweltbewusstsein und Nachhaltigkeit werden zu einem zentralen Wirtschaftsfaktor. Anstatt sich allein die Maximierung ihrer Gewinne zu konzentrieren, sind Unternehmen zunehmend gefordert, Nachhaltigkeit, Postwachstum und das Gemeinwohl in ihre Planung mitaufzunehmen. Gerade die Sport- und Outdoorindustrie muss den Zielkonflikt zwischen Natur erleben und Natur bewahren auflösen. Die steigende Erwartungshaltung an bessere Arbeitsbedingungen, rohstoffschonende Materialien und Co2-arme Infrastruktur und Logistik trifft alle Industrien. Die Politik befeuert diesen Trend. So hat die Europäische Kommission im März 2020 den neuen Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft (CEAP) verabschiedet. Er soll den Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft in Europa einleiten. Dieser Megatrend ist zwingend, denn es ist für uns alle überlebenswichtig, dass qualitatives Wachstum das quantitative Wachstum nicht zu spät ablöst.
Los Angeles, New York, Paris, Shanghai, Tokyo, Mexico City und Berlin sind einige der von adidas definierten Key-Cities, welche die Menschheit in ihren Lebensstilen maßgeblich beeinflussen. Die Key-City Strategie macht Sinn, denn mehr und mehr Menschen leben in Städten und Urbanisierung trifft auch das Land. Der Wohnflächenverbrauch pro Kopf steigt weltweit. Gegensatz von Stadt und Land werden sich zunehmend auflösen. Einst für die Stadt typische Lebensmodelle wie Individualität und Pluralisierung erreichen das Land. Umgekehrt bilden sich auch in der Stadt dörfliche Strukturen, der Kiez wird zum Lebensmittelpunkt. Eine lebenswerte Großstadt wird mittlerweile durch ihren Zugang zur Natur und Sport definiert: Grün- und Wasserflächen, Sport-Einrichtung wie Basketballplätze, Laufstrecken, Half-Pipes oder Boulder-Hallen werden zu Treffpunkten. Die Stadt wird zum sportlichen und kulturellen Spielplatz, eine direkte Folge ist der „Urban Outdoor“-Trend. Smart Cities entstehen und beinhalten dabei auch technisch-getriebene infrastrukturelle Lösungen: Smarte Wasseraufbereitung oder kühlende grüne Hochhäuser für die aufgeheizten Städte, sind noch die klein gedachten Konzepte.
Mittendrin in der Veränderung ist der Begriff von Mobilität: „Freude am Fahren“ muss neu erfunden werden, wenn autonomes Fahren Realität wird und das Auto im Mobilitätskonzept des Einzelnen nur noch ein Bestandteil unter vielen ist. Als den „dritten Raum“ bezeichnet man den gewonnenen Moment beim autonomen Fahren zwischen Wohn- und Arbeitsort. Vor allem zur Förderung von mentaler und körperlicher Gesundheit möchte die Automobilindustrie diese Fahrtzeit nutzen. Dieser dritte Raum wird sich irgendwann in die „Seamless Mobility“ einreihen. Der nahtlose Übergang von verschiedenen Mobilitätslösungen: öffentlicher Nahverkehr trifft auf Car-Sharing trifft auf Bike und mehr. Denn die Mobilitätswende wird vom Fahrrad angeführt, vor allem durch seine Elektrifizierung. Der Bike-Boom wird weitergehen: Breite Radwege mit E-Bikes, Bike-Sharing-Stationen und Lastenräder prägen zunehmend das Stadtbild.
„Collect memories, not money“ ist ein bezeichnender Spruch, der gerade bei den jüngeren Generationen gerne mal auf Instagram & Co. zitiert wird. Dahinter steht allerdings nicht nur die Generation Y und ihr hinterfragender Charakter, sondern vielmehr der steigende Wert von einzigartigen Momenten in einer vernetzten Welt. Immer mehr on-Demand Entertainment-Angebote und der ständig verfügbare Zugang zu Informationen, schnelleres Internet und günstigeres Cloud-Storage steigern den Wert von einzigartigen Momenten und lassen ihn zu ganz besonderen Erlebnissen werden.
Die wachsende Anzahl von Film-, Food- und Musikfestivals vor der Corona-Pandemie war bereits ein klares Phänomen davon. Ganz vorne aber mit dabei spielt der Moment des Live-Sports. Man kann den Leidens- oder Erfolgsweg der Athleten meist über die Spielsaison hinweg mitverfolgen, aber allem voran, ist das jeweilige Endergebnis bis zum Schluss ungewiss. Die Spannung der Ungewissheit toppt alles. Kaum steht das Ergebnis fest, ist es bereits in allen Medien verfügbar – das einzigartige Live-Erlebnis lässt sich durch „Wiederholung“ also nicht mehr herstellen. Verpasst ist verpasst und die Bedeutsamkeit verschwunden.
Davon profitieren aber nicht nur der Sport, seine Sponsoren, Wettanbieter und die Eventveranstalter mit ihrer Peripherie von Gastronomie und Hotellerie, etc. sondern vor allem auch Medienplattformen, die den Live-Moment außerhalb des Free-TVs transportieren. Damit steigt das Angebot an Sportwettbewerben und es wird immer diverser. Das Wachstum von E-Sports und der Plattform Twitch ist ein exemplarisches Beispiel unter vielen. Und es gilt, je bedeutungsvoller ein Moment, desto eher möchte er auch festgehalten werden – hier knüpft sich wiederum eine ganz andere Industrie an. Klar ist, die Bedeutung des Live-Moments und somit des Events steigt, nicht nur wegen der Pandemie.
Dieser Artikel erschien zuerst als Gastbeitrag von ISPO.com im Magazin „Niederbayerische Wirtschaft“ der Industrie- und Handelskammer Niederbayern.
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