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Mike Von/Unsplash.com
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Sportbusiness/06.08.2024

Von Sport zu Fashion: Wie Outdoor-Brands die Modewelt erobern

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Auf dem Trail wie auf der Fashion Week, am Berg und auf den großen Bühnen, beim City-Trip wie beim Camping – wer in der Modewelt etwas auf sich hält, tut es Outdoor-Enthusiasten und Profi-Sportler*innen gleich und trägt adidas TERREX, Snow Peak, Salomon, The North Face oder Arc’teryx. Wie haben es diese und andere Outdoor-Marken geschafft, einen neuen Mega-Modetrend zu definieren? Wir haben uns die spannendsten Businessmodelle und Marketingmaßnahmen angeschaut und fassen die wesentlichen Punkte für eine fashionable Geschäftsstrategie zusammen – insbesondere für Brands, die noch ganz am Anfang stehen.

Believe the Hype

Der globale Hype um funktionale It-Pieces trägt den Namen Gorpcore – eine Wortschöpfung aus den Begriffen „Normcore“ und „Gorp“. Das Akronym für „Good old raisins and peanuts“ ist ein anderer Ausdruck für den unter Wanderern beliebten Trailmix. Seit das New York Magazine den Begriff 2017 zum ersten Mal verwendete, wächst der Trend und bestimmt spätestens seit dem Ende der Corona-Pandemie die Looks der modebewussten Gen Z rund um den Globus.

Trailrunner von adidas TERREX, Salomon oder On, chunky Outerwear von Patagonia oder The North Face, Rucksäcke von Sandqvist, Sonnenbrillen von Oakley und Hiking Boots von Hanwag bewegen sich nicht mehr nur auf Laufstrecken und am Berg, sie laufen durch Großstädte, durch Büros, über Laufstege und vor allem: auf TikTok und Instagram. Selbst praktische Thermobecher erleben einen viralen Hype und werden zum Fashion-Accessoires, wie die Stanley Cups beweisen. Sportswear verkörpert das neue Lebensgefühl von Gen Z und Generation Alpha und gilt mittlerweile als beständigster Trend der letzten 100 Jahre.

Laut McKinsey stieg der Umsatz mit Outdoor-Produkten bereits im Jahr nach der Pandemie um 24 Prozent. Das beeinflusst nicht nur die Modewelt, sondern verändert auch den Outdoor-Sektor. Der Einstieg in den Fashion-Markt bietet definitiv große Chancen und kann bereits für Outdoor-Start-Ups sehr vielversprechend sein. Klar ist aber auch: Die Modewelt ist seit jeher viel härter umkämpft, der Sektor wesentlich größer und die Zielgruppen schwieriger zu erreichen. Wie kann man es trotzdem schaffen? 

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Technische Innovation

Was hat Outdoor, was Fashion  nicht hat? High-Performance-Gear und nachhaltige Innovation! Hochtechnisierte Textilien, funktionale Schnitte und umweltverträgliche Kleidung setzen die Trends der Stunde und sind gefragter denn je. Keiner befriedigt das besser als Outdoor- und Sport-Sektor, denn hier entstehen die spannendsten Innovationen, und zwar aus eigenem Antrieb. On Running aus der Schweiz liefert dafür das beste Beispiel. Im Interview für die ISPO-Serie „Challenges of a CEO“ erzählte Caspar Coppetti letztes Jahr noch vom Schock, als die Führungsriege erkannte, dass ihre Cloud-Schuhe von „Architekten auf den Straßen Zürichs“ getragen wurden. Damals wollte das Start-Up unbedingt verhindern, als Fashion-Brand wahrgenommen zu werden. „Wir entwickeln High-Performance-Produkte für Athleten und Menschen, die fit und gesund bleiben möchten. Unser Erfolg basiert auf unserer einzigartigen Cloud-Technologie, die wir jahrelang entwickelt haben – im Kern sind wir ein Innovationsunternehmen.“

Mit dieser Strategie hat es On nicht nur an die Börse geschafft, sondern letztendlich auch den Einzug in Architekturbüros auf aller Welt nicht verhindern können. Die High-Performance-Schuhe gehören zu den gefragtesten Brands der Gorpcore-Bewegung und On konkurriert dank des Mottos „form follows function“ heute mit Branchenriesen wie Adidas und Nike.

Viele führende Technologien entspringen dem Outdoor-Segment. Die Modebranche bedient sich zum Beispiel längst an Textilentwicklungen wie Polyola™, Nox™ oder Sympatex™ – alles Innovationen der Outdoor-Industrie. Damit gesteht sie ihr eine immense Bedeutung zu. Andersherum funktioniert das mitunter auch und ist wesentlich weniger verpönt als noch vor ein paar Jahren. Wieso sollte der Laufschuh nicht auch im trendy Neon-Look auf den Markt kommen? Zumindest bei On hat sich die Designsprache im Laufe der Jahre deutlich weiterentwickelt und es macht den Anschein, als stünden Caspar Coppetti und sein Team der Fashion-Welt gar nicht mehr so skeptisch gegenüber.

02

Storytelling

Neben Gorpcore wächst der weiterführende Mode-Trend Mountaincore und ausgerechnet eine Bayerische Traditionsmarke gehört zu den großen Gewinnenden im neuen Fashion-Game. Hanwag-CEO Thomas Gröger wagte sich mit einer bunten Neuauflage eines Schuhklassikers ins High-Fashion-Segment und berichtet in diesem ISPO-Artikel von der überraschend positiven Resonanz der Szene. „Ich bin jetzt seit mehr als 30 Jahren im Outdoor-Geschäft. In unserer Branche haben wir unsere Historie; 100 Jahre Schuhhandwerk und nachhaltige Fertigung in Europa rauf und runter gebetet. Am Ende ging es meistens immer nur um den Preis. Aber der spielt im High-Fashion-Segment kaum eine Rolle. Die Leute interessieren sich wirklich für unsere Story!“

Nur eines von vielen Beispielen, dass die Wichtigkeit der Markenbotschaft beweist. Patagonia oder Ortovox beteiligen sich an Dokumentarfilmen, um ihre Anliegen zum Thema Umweltschutz oder Klimagerechtigkeit zu verdeutlichen. Diesen pädagogischen Aspekt haben Outdoor-Brands den Modemarken voraus: Einen Bezug zum Sport, zur Natur, zur Umwelt, zum gesunden Erfolg. Wirkliche Nachhaltigkeit aus Überzeugung anstatt Greenwashing und Fast Fashion. Wer sich darauf konzentriert und sich auf sein (digitales) Storytelling fokussiert, hat gute Chancen, bei der Gen Z gut anzukommen.

03

Show up!

Zeigen, wer man ist, was man macht und warum: diese Botschaft wird zum A&O für alle Outdoor-Brands, die sich im Fashion-Markt positionieren möchten. Die Branche ist riesig und darauf zu warten, entdeckt zu werden, nicht sehr vielversprechend.

Für dieses Unterfangen ist gutes Social-Media-Marketing natürlich Pflicht – und zwar genau da, wo die Zielgruppen sind: auf TikTok und Instagram. Wer ins Gespräch kommen möchte, muss guten Content liefern: die eigene Markenstory in hochwertigen Bildern und Videos verpackt, gemeinsam mit (Fashion-) Influencer*innen erzählt und von sportlichen Markenbotschafterinnen mit großer Reichweite verbreitet.

Es gibt aber auch offline Chancen, in den Modemarkt einzusteigen. Im Fall von Hanwag brachte ein Pop-Up-Store auf der Pariser Fashion Week den Durchbruch im Fashion-Segment. Der Retro-Rotpunkt war sofort ausverkauft. Auch andere Sportswear-Brands präsentieren Neuauflagen ihrer Klassiker oder innovative Outdoor-Kollektionen im High-Fashion-Segment: Auf den Fashion Weeks in Mailand, Paris und Tokyo, auf den Laufstegen großer Luxus-Modemarken oder in eigenen Showrooms – auch während Möbelmessen wie dem Salone del Mobile in Mailand.

04

Kooperation

Wer sich in der Modewelt so gar nicht auskennt, sollte sich gute Kooperationspartner suchen. Viele Fashion-Agenturen sind aktiv auf der Suche nach Outdoor-Brands, um ihr Angebot zu ergänzen. Sie wissen, worauf es ankommt und wo die Trends besonders gefragt sind. Und sie haben Kontakte zu den großen Luxusmarken, die händeringend nach Kooperationspartnern aus dem Outdoor-Segment suchen. Vorgemacht haben das in den vergangenen Jahren zum Beispiel New Balance x Ganni, Moncler x Adidas, On x Loewe, The North Face x Gucci, Jil Sander x Arc’teryx und Maison Margiela x Salomon – auf den ersten Blick vielleicht ungewöhnlichen Kooperationen, die dennoch mitunter die größten Erfolge der letzten Jahre markieren – für beide Seiten.

Neben großen Luxusmarken sind Sportler*innen nach wie vor die vielversprechendsten Partner*innen, denn der Megatrend Sportswear wächst parallel zum Hype um Athlet*innen. Laut einer Prognose von PwC wird der Sport-Sponsoring-Markt bis 2030 auf 109 Milliarden US-Dollar wachsen. Sowohl für Fashion- als auch für Outdoor-Brands ein riesiger Markt, um neue Zielgruppen zu erreichen. Viele High-Fashion-Labels haben das bereits erkannt und holen sich Sportler*innen für Werbekampagnen ins Boot oder statten sie mit Luxusprodukten aus, die dann auf ihren Social-Media-Kanälen millionenfach gesehen werden.

Die Luxus-Gruppe LVMH, zu der unter anderem Christian Dior, Givenchy und Louis Vuitton gehören, ist Partner der Olympischen Spiele in Paris – ein kluger Schachzug, von dem sich die Outdoor-Branche etwas abschauen kann. Wo entstehen Fashion-Trends? Wer setzt sie? Und wozu passt die eigene Markenbotschaft?

Wer diese Fragen immer wieder stellt und für seine Brand beantwortet, hat große Chancen, in den Fashion-Markt einzusteigen und damit neue Zielgruppen zu erschließen, die durchaus treu sind.

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Klasse statt Masse

Die Gen Z liebt Micro-Trends. Sie will besonders sein und sich vom Mainstream abheben. Sneaker-Brands wie Veja oder New Balance profitieren davon seit Jahren: So gut wie all ihre limitierten Modelle erlebten einen ungeahnten Hype und werden online für ein Vielfaches gehandelt.

Auch die wachsende Beliebtheit von Athlet*innen und Sportevents lässt sich dadurch erklären: Beides markiert Momentaufnahmen, Erfolge, die begrenzt sind, im Jetzt stattfinden und dann nicht mehr wiederholbar sind. Die Erfolgsfaktoren lauten Einzigartigkeit und Diversität. Was heißt das für die Outdoor-Branche, die ja das Gegenteil von kurzweilig sein will und damit auch schon erfolgreich ist? Dass der Fokus auf echte Nachhaltigkeit der richtige Weg ist, denn auch der modische Luxusbegriff wird definiert von Handarbeit, Unikaten, High-Tech-Innovation und – seien wir ehrlich – Seltenheit. Wer sich mit limitierten Kollektionen also ein bisschen rar macht, ist sicher gut beraten.

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