Bei einem Deep Dive in den Markt und die Gegebenheiten gibt uns Jeff Carter als Experte Einblicke. Er ist Director of Merchandising für den US-Retailer Mast General Store, welcher zehn Filialen in vier verschiedenen US-Staaten betreibt. Das Unternehmen gibt es bereits seit 1883, und auf die lange Historie stützt sich auch das Storytelling im stationären Handel. Knarzende Holzböden, antike Kuriositäten an der Wand, Süßigkeiten an der Theke - mit dem Betreten der Filialen begibt man sich auf eine Zeitreise.
Jeff beschreibt diesen Ansatz als Erlebnis-Einzelhandel. Das Herzstück der Retail-Kette bildet die Zentrale, auf deren Basis die anderen Filialen gestaltet wurden. „Als General Store gab es bei uns traditionell alles, von der Wiege bis zum Sarg. Und auch heute gibt es etwas für alle bei uns - von Outdoor-Ausrüstung und Bekleidung bis hin zu Oldschool-Süßigkeiten.“
Retail als besonderes Erlebnis steht also im Mittelpunkt. „Wir fokussieren uns stark auf das Erlebnis des Gastes, wie wir unsere Kund*innen nennen.“ Die In-Store-Experience solle sich anfühlen wie eine Einladung nach Hause. "Genauso wollen wir die Leute im Laden behandeln und ihnen ein Erlebnis bieten, das sie in typischen Einzelhandelsgeschäften nicht bekommen.“ Dabei vermittelt eine hohe Anzahl an Kundenberater*innen auf der Fläche ein hochwertiges Einkaufserlebnis. „Zusammenfassen würde ich unser Konzept unter dem Motto ‚persönlicher Service mit Nostalgie-Flair‘.“
Persönlicher Service spielt dabei eine besonders große Rolle, auch als Loyalitätstreiber. Wie in Europa zahlen sich Expertise und individuelle Anpassung auf die Bedürfnisse der Zielgruppe aus. Persönliche Kund*innenbeziehungen sind in den Mast General Stores ebenfalls das Stichwort, womit man sich etwa von großen Department-Stores abhebt. Zwar hat der Retailer auch eine E-Commerce-Plattform, der Fokus liegt aber auf dem persönlichen Kontakt. Entsprechend gibt es statt Self-Service Check-outs intensive Kund*innenbetreuung.
Für den stationären Händler ist dies durchaus sinnvoll, denn mit der Lage der Läden in unmittelbarer Nähe des Appalachian Trails werden Produktdemonstrationen und Community-Events angeboten, ebenso wie verschiedene Events in der Nähe unterstützt werden. Die Fach-Expertise im Footwear-Bereich, genauer im individuellen Fitting, zahlt sich ebenfalls aus. „Die meisten unserer Vertriebspartner machen mit uns zusammen Schulungen in den Geschäften sowie Vorführungen in den Filialen. Unsere Mitarbeiter sind also sehr, sehr gut geschult, was die Anpassung von Schuhen angeht“, erklärt Jeff einen weiteren Touchpoint, an dem ein loyaler Kundenstamm aufgebaut werden kann. Wie auch im Deloitte Retail Industry Outlook für 2024 beschrieben, ist Loyalität aktuell ein wichtiger Faktor.
Was die Order angeht, sind Messen, um die Ware vor sich zu haben und anzufassen, nach wie vor essentiell für das 18-köpfige Team im Einkauf, dem Jeff voransteht.
Neben Community-Aktivierungen und Angeboten zur Stärkung der Kund*innenbindung braucht es im Moment weitere Strategien, um auch preisbewusste Kund*innen abzuholen. Darin sieht Jeff Carter die aktuell größte Herausforderung.
„Was wir in den letzten 18 Monaten festgestellt haben, ist eine Preissensibilität der Kund*innen, wie wir sie noch nie zuvor erlebt haben. Natürlich haben wir alle während COVID einige überraschende Zuwächse erlebt. Die Verbraucher*innen müssen jetzt anders als zuvor entscheiden, welche Art von Produkten sie kaufen wollen und wie viel sie kaufen müssen."
Produkte auch zu Einstiegspreispunkten und entsprechend in der Zusammensetzung des Angebots zu berücksichtigen, hält Jeff für wichtig, um aktuell Wachstum zu generieren. „Wir mussten einige Marken neu positionieren und uns nach Marken im unteren Preissegment umsehen, um unseren Gästen zu zeigen, dass wir für jeden etwas haben.“
Nach wie vor gibt es aber auch einen Markt für hochpreisige und technische Produkte. „Während wir feststellen, dass der obere Preisbereich sich bei seinen Bestandskund*innen behauptet, liegt das Wachstum für uns bei den Marken im unteren Preisbereich, die wir jetzt in die Läden bringen.“ Während Mast General Store auf starke und langjährige Beziehungen mit seinen Lieferanten setzt, wurde hier markenbasiert eng zusammengearbeitet, um mehr Produkte im Einstiegspreissegment anzubieten. Zugleich bietet es sich immer an, für Innovationen oder ansprechende Angebote von neuen Marken offen zu bleiben.
Was Innovationen angeht, sieht Jeff Carter vor allem Nachhaltigkeit als ein Thema, das in den USA im Outdoor-Retail und vor allem im Messe-Bereich noch nicht die gleiche Gewichtung wie in Europa erfährt. Er erläutert dies am Beispiel der OutDoor 2023: „Die Show und auch die Aussteller*innen konzentrieren sich viel mehr auf Nachhaltigkeit als das, was ich zumindest in unserem Teil der Staaten und bei den Shows, zu denen wir gehen, gesehen habe. Auch wenn wir sicherlich darüber reden, geschieht es bislang nicht mit dem Nachdruck, den ich hier gesehen habe.“
Jeff sieht auch darin einen Vorteil für alle Retailer, die sich mit dem Thema auseinandersetzen. „Ich weiß, dass sich unser Unternehmen immer darauf konzentriert hat, umweltfreundlich zu sein und unsere Lieferanten zu unterstützen, die das nicht sind. Die OutDoor hat mich in dieser Hinsicht noch einmal bestärkt und ermutigt. Das Wichtigste, was ich bisher mitgenommen habe, ist der Fokus auf Nachhaltigkeit und die echte Chance, die wir in den Staaten noch haben, dies zu einer größeren Priorität für uns zu machen.“
Vor allem in den jüngeren Zielgruppen sieht er einen größeren Fokus auf grüne Themen - auch bis hin zur Bereitschaft, mehr für ein nachhaltigeres Produkt zu zahlen. Es besteht ein größeres Interesse an Unternehmen, egal ob Marken oder Einzelhandel, die darauf Wert legen, umweltfreundlicher zu wirtschaften.
Zugleich ist auch am US-Markt ein genereller Mindset-Shift der Outdoor-Kund*innen zu beobachten. Das große Stichwort: Athleisure. „Es ist viel mehr casual und Fashion fokussiert, auch bei den meisten unserer Outdoor-Marken, selbst wenn sie nach wie vor technische Aspekte haben. Viele von ihnen haben sich in Richtung Fashion bewegt. Und ich denke, dass unsere Kund*innen das auch wollen. Es ist nicht mehr so wichtig, wie schnell ein Shirt trocknet im Gegensatz zu dem, was gefällt.“ Style und Schnitt spielen also eine immer wichtigere Rolle, ob nun in Kombination mit der Funktion des Kleidungsstücks oder als vorrangiger Aspekt davon.
Ebenso wichtig ist der Multisport-Aspekt der Ausrüstung - „vor allem die jüngere Zielgruppe achtet darauf.“ Besonders weil Verleih und Second-Hand-Ausrüstung im Bereich von Mast General Store keine große Rolle spielen, sind vielfältige Einsatzbereiche für Ausrüstung ebenfalls ein Argument im Hinblick auf nachhaltigeres Kaufverhalten.
- Erlebnishandel: Persönlicher Service mit Nostalgie-Flair funktioniert.
- Servicequalität: Schwerpunkt auf der Beratung zu Schuhen und der richtigen Ausrüstung für die Mitarbeiter: interne Schulungen und Produkt-Demos usw.
- Nachhaltigkeit: In Europa ist Nachhaltigkeit ein größerer Schwerpunkt als in den USA.
- Preissensibilität: In aktuellem Kaufklima eine große Herausforderung – Neupositionierung von Marken, um alle Kund*innen anzusprechen. In diesen Bereichen bieten sich aktuell Wachstumspotentiale.
- Fokus auf Lifestyle- und Fashion-Aspekte von Outdoor-Ausrüstung: Kund*innen geben Passform und Stil den Vorrang vor technischen Details.
- Multisportprodukte mit Fokus auf Nachhaltigkeit in jüngeren Zielgruppen.
- Sports Business10 Herausforderungen und Chancen in der Sportartikelbranche
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