Bereits die Verfehlung des 1,5-Grad-Ziels um ein halbes Grad Celsius wird dazu führen, dass 2 Milliarden Menschen extremer Hitze ausgesetzt sein werden, und zwar schon in fünf bis zehn Jahren. 50 Prozent der Weltbevölkerung werden unter Trinkwassermangel, Dürreperioden und Flutkatastrophen leiden. Alles wird sich ändern – zum Schlechten.
Um diese Katastrophen abzuwenden und letzten Endes als Marke zu bestehen, müssen bis 2030 die weltweiten Emissionen um 50 Prozent reduziert werden, bis 2050 sogar um 90-100 Prozent. Mit den aktuellen politischen Maßnahmen wird das nicht klappen. Die Industrie muss das 1,5-Grad-Ziel dringend über kurzfristige Politik stellen, um Net Zero zu erreichen.
Auf der OutDoor 2024 gab es dazu regen Austausch. Im Sustainability Hub, im Speakers Corner und auf der Green Stage wurden Studien vorgestellt und die erfolgreichsten Maßnahmen und Erkenntnisse geteilt. Recycling, Circularity, erneuerbare Energien in der gesamten Supply Chain, Monitoring – der Outdoor-Sektor ist ein produktives Testlabor für klimapositive Wirtschaft, auch weil er verhältnismäßig klein ist.
„Die Outdoor-Branche stellt den Gegenpol zu Fast Fashion, Fast Food und Fast Social Media dar: Wir vermitteln Werte, indem wir die Menschen motivieren, rauszugehen. Das schafft einen nachhaltigen Lifestyle, eine nachhaltige Gesellschaft“, fasst Jan Lorch, CSO von VAUDE und Mitglied der Outdoor Climate Innovation Initiative (OCII), zusammen.
David Ekelund, der sich mit seiner Marke ICEBUG ebenfalls der OCII angeschlossen hat, ist sich sicher: „Wir können dazu beitragen, den Lifestyle der Menschen zu verändern. Wir wollen qualitativ und gesünder gestalten und dabei gleichzeitig Ressourcen sparen.“
Das funktioniert: Seit 2019 ist das schwedische Schuhlabel klimapositiv. Wie haben sie das geschafft?
ERNEUERBARE ENERGIEN
David Ekelund erzählt auf der OutDoor, dass sein Unternehmen die Energieversorgung in seinen Produktionsstätten auf Solarenergie umgestellt hat und damit den größten Sprung Richtung Net Zero gemacht hat. In Kombination mit Kompensationsprojekten wie 1% for the Planet und Kooperationen mit großen Playern wie Microsoft hat ICEBUG es als erste Schuhmarke geschafft, klimapositiv zu werden – ohne finanzielle Einbußen.
MONITORING
Ein weiteres großes Stichwort im Kampf gegen die Emissionen lautet LCAs – Life Cycle Assessments. Diese Lebenszyklusanalysen machen die Umweltauswirkungen eines Produktes sichtbar, anhand von Datensätzen des gesamten Produktlebenszyklus.
Zwar starte Dekarbonisierung nicht damit, Daten zu erheben, sondern damit, Entscheidungen zu fällen, meint Ekelund. Trotzdem müsse das Monitoring Tool viel mehr Wertschätzung erfahren – genau wie eine gute Buchhaltung.
„80 Prozent der Emissionen sind auf 20 Prozent der erfassten Daten zurückzuführen“, untermauert Maximilian Hagmann von der Firma Carbonfact das Argument. Das Unternehmen unterstützt Brands mit umfassenden Datenanalysen, um den tatsächlichen Fußabdruck der Produkte zu messen und Punkte in deren Lebenszyklus auszumachen, an denen schnell positive Veränderung möglich ist.
CIRCULARITY
„Wir müssen unseren CO2-Ausstoß nicht nur reduzieren, wir müssen ihn so gut es geht vermeiden“, sagt Jan Lorch im Panel Talk der Outdoor Climate Innovation Initiative.
Zirkularität ist das Stichwort und ein möglichst kleiner Fußabdruck des gesamten Produktlebenszyklus das Ziel. Es geht um Materialien, die einen geringen Impact haben, weil sie recycelbar sind. Um kurze Lieferketten, eine Produktion, die mit erneuerbaren Energien betrieben wird, eine lange Lebensdauer und gute Verwertbarkeit danach.
Aber: Jedes neue Produkt hat eine Auswirkung und beim Wörtchen „klimaneutral“ leuchtet schnell der Greenwashing-Alarm. Es reicht tatsächlich nicht, sein schlechtes Gewissen mit dem Pflanzen von Bäumen zu beruhigen. Die Kompensation muss da stattfinden, wo Emissionen verursacht werden. Oder wie Kai Landwehr von myclimate es sagt: „Übernehmt endlich Verantwortung für eure Emissionen!“
DEKARBONISIERUNG
Nicht falsch verstehen: Kompensation ist ein wichtiges Mittel. Aber um Net Zero zu erreichen, bedarf es unbedingt auch technischer Innovationen, wie beispielsweise der Luftfilteranlagen von Climeworks. Auf der OutDoor erklärten die Ingenieur*innen, wie sie mithilfe ihrer Technologie an mehreren Standorten weltweit Emissionen in Stein meißeln.
In Island zum Beispiel filtert die Climeworks-Anlage ORCA seit drei Jahren CO2 aus der Luft, 360.000 Tonnen insgesamt. Gelagert wird es unterirdisch, in Basaltgestein, ganz ohne Umweltrisiko. Kooperationspartner wie Mammut erreichen dadurch tatsächliche Klimaneutralität: nicht durch klassische Kompensation, sondern durch die tatsächliche Emissionsbeseitigung mithilfe der Climeworks-Luftfilteranlagen.
Insgesamt gibt es aktuell 15 bekannte Technologien, um CO2 aus der Luft zu entfernen, sagt Kyra Vertes von Climeworks. Im Unternehmen arbeitet man mit fünf davon. Neben den erfolgreichen Luftfilteranlagen ist das die Umwandlung von Biomasse in Kohle, die dauerhafte Einlagerung von CO2 in Mineralkügelchen, die überirdische Lagerung in Stein und weitere Filtertechnologien. Das aus der Luft gefilterte CO2 am Pilot-Standort Zürich geht beispielsweise an Coca-Cola, als Kohlensäure.
1,5 Grad – ein Ziel, viele Maßnahmen und in der Gesamtheit bisher zu wenige Erfolge. Auch wenn die Outdoorbranche nur einen kleinen Teil zum Gesamtproblem beiträgt, ist sie bereits ein Musterbeispiel für Veränderung. Und die Stimmung auf der Messe war positiv, denn was vielleicht manchmal unerreichbar klingt, ist wirklich möglich, wenn wir umdenken.
„Es geht nicht darum, perfekt zu sein, sondern darum, anzufangen und aktiv zu werden“, plädiert David Ekelund. Ein schöner Impuls kommt auch von Massamba Thioye, Manager des UN Climate Change Innovation Hub: „Lasst uns nicht nur über Probleme sprechen. Lasst uns eine Zukunft entwerfen, die allen Menschen auf diesem Planeten ein lebenswertes Leben ermöglicht!“
Die Outdoor-Branche ist nah dran: mit der Fähigkeit, die Menschen mit ihrer Umwelt zu verbinden. Und mit vielen innovativen Ideen und Maßnahmen für einen regenerativen Planeten.
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