Triggerwarnung: Dieser Artikel enthält Textstellen über Depressionen, Alkohol- und Drogenmissbrauch sowie Mobbing; auch wenn du unter Emetophobie leidest, solltest du diesen Text nicht oder nicht alleine lesen. Hier findest du Informationen und Hilfe.
SIMONE BILES ist die wohl beste Turnerin der Geschichte. Doch die US-Amerikanerin zeigte bei den Olympischen Spielen in Tokio, wie ungesund Erwartungsdruck und Stress sein können: Überraschend sagte Biles kurzfristig fünf ihrer angepeilten sechs Wettbewerbe ab. Der Grund: Angstzustände. Dazu kam ein unerwarteter Todesfall in der Familie. „Ich sage, die mentale Gesundheit steht an erster Stelle. Daher ist es manchmal in Ordnung, die großen Wettbewerbe sogar auszusetzen, um sich auf sich selbst zu konzentrieren. Es zeigt, wie stark du als Wettkämpfer und Person wirklich bist anstatt sich einfach durchzukämpfen“, sagte die 26-Jährige bei einer Pressekonferenz. Monate nach den Olympischen Spielen, als Biles ihre Profisport-Karriere beendet hatte und mit einer Show-Tour unterwegs war, gab sie zu, "noch immer Angst vor dem Turnen" zu haben. Geholfen habe ihr professionelle Hilfe: „Es war eine große Erleichterung für mich, die nötige Psychotherapie zu bekommen, vor allem wenn ich auf Tournee bin.“ Inzwischen ist Biles außerdem Chief Impact Officer bei der Mental-Health-App Cerebral.
MICHAEL PHELPS reagierte tief betroffen auf Biles. Sie zu sehen habe ihm das Herz gebrochen, sagte der mit 23 Goldmedaillen mit Abstand erfolgreichste Olympia-Starter aller Zeiten. Der US-Schwimmer war auch in Tokio, aber das erste Mal nicht als Schwimmer bei Olympischen Spielen, sondern als Fernsehexperte. Phelps hatte in seiner Karriere schon früh mit Depressionen zu kämpfen. Nach außen an die Öffentlichkeit traten diese immer nur indirekt – Phelps fuhr betrunken Auto, er wurde beim Kiffen erwischt. Dass er Suizidgedanken hegte, gab Phelps später zu. Mit 30 Jahren habe er endlich gelernt, zu reden. Der Schweizer Zeitung „Blick“ sagte er unmittelbar vor dem Aus von Biles, „ich möchte mehr Menschen dazu ermutigen, darüber zu sprechen, was sie durchmachen. Ich gebe es zu: Das hat mir das Leben gerettet.“
NAOMI OSAKA war im Einsatz fürs Bewusstmachen psychischer Probleme in den Augen von Michael Phelps ein „Game-Changer“. Japans Tennis-Superstar Japans hat sich mit ihrer Reichweite in den sozialen Netzwerken offen zu ihren Depressionen geäußert. Auch in einer Doku-Reihe auf Netflix hat Osaka aus ihren nagenden Selbstzweifeln kein Geheimnis gemacht. 2021 hatte Osaka als Nummer 2 der Weltrangliste im Damen-Tennis die French Open abgebrochen und dabei ihre psychischen Probleme öffentlich gemacht. Seit den US Open im Jahr 2018 leidet sie demnach an Depressionen. Eskaliert war die Lage in Paris, weil Osaka nicht mit der Presse reden wollte – den Medien warf sie vor, keine Rücksicht auf die psychische Gesundheit von Sportlerinnen und Sportlern zu nehmen. 2022 brach Osaka nach einem Zwischenruf eines Zuschauer in Indian Wells in Tränen aus. Mithilfe einer Psychotherapeutin ging Osaka aus dem Vorfall nach eigener Aussage aber gestärkt heraus: “Sie hat mir Strategien für solche Vorkommnisse beigebracht und ich merke, wie hilfreich sie sind. Ich bin froh, dass die Menschen in meinem Umfeld mir zu diesem Schritt geraten haben.“
NOAH LYLES ist einer der besten Sprinter der Welt, wurde 2022 Weltmeister über die 200 Meter und gewann bei den Olympia-Bronze in Tokyo. Fast noch bewundernswerter als der sportliche Erfolg des US-Amerikaners ist sein Einsatz gegen die Tabuisierung psychischer Probleme. 2020 schrieb Lyles auf Twitter: „Vor kurzem habe ich mich für die Behandlung mit Antidepressiva entschieden. Das war eine der besten Entscheidungen, die ich seit langem getroffen habe. Seitdem bin ich in der Lage, ohne den dunklen Unterton im Kopf zu denken, dass ohnehin alles bedeutungslos sei.“ Später begründete Lyles seinen Tweet, er wolle damit das Stigma brechen, dass medikamentöse Behandlung „nur etwas für Leute sei, die verrückt sind.“ 2020 wurde bei Lyles eine Depression diagnostiziert. „Als es dann in den Lockdown ging, die Black-Lives-Matter Bewegung Fahrt aufnahm und man gefühlt jeden Tag sah, wie ein anderer junger Mensch auf der Straße starb oder ein Amoklauf an einer Schule stattfand, kam in mir immer mehr das Gefühl auf, macht- und hilflos zu sein.“ Gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder hat Lyles seitdem die Lyles Brothers Sports Foundation gegründet, die Jugendliche Sportler finanziell unterstützt sowie in Mental-Health-Fragen, sowie bei Stressmanagement und Anti-Mobbing beratend zur Seite steht.
JACKIE BAUMANN wäre womöglich bei den Olympischen Spielen Tokio für Deutschland am Start gewesen, über 400 Meter Hürden. 2015 und 2016 war Baumann Deutsche Meisterin in der Disziplin, 2020 galt sie als Favoritin bei den damaligen nationalen Titelkämpfen. Doch mit gerade mal 24 Jahren beendete die Tochter von 5000-Meter-Olympiasieger Dieter Baumann wenige Tage vor den Meisterschaften ihre Karriere. Zur Begründung nannte sie mentale Gründe, sie habe Wettkämpfe nicht genießen können, vielmehr hätten diese sie belastet und sich negativ auf ihre mentale Gesundheit ausgewirkt. Am Ende sei sie nicht mehr bereit gewesen, dem Druck standzuhalten, sagte sie damals zu ihrem überraschenden Schritt im Deutschlandfunk. „Irgendwann kommt man aus der Spirale nicht mehr raus, man ist gefangen in seinem eigenen Kopf.“ Schlafstörungen, schnelle Gereiztheit, Würgereize bis zum Übergeben seien ihre Symptome vor Wettkämpfen gewesen. Massiv wurden die Probleme rund um ihre Teilnahme an den Olympischen Spielen in Rio 2016 – einer Wiederholung dieses Drucks in Tokio entging Baumann durch den Rücktritt.
MARK CAVENDISH ist ein Beispiel für viele Radprofis, die unter dem Druck des Gewinnenmüssens an die Grenzen ihrer psychischen Belastbarkeit gelangen oder darüber hinaus kommen. Der Brite ist einer der ganz großen Namen im Radsport. Er gewann bei der Tour de France oder beim Giro d’Italia etliche Etappen. Er ist einer der wenigen Namen, die auch einer breiteren Öffentlichkeit jenseits der Radfans etwas sagt. 2020 offenbarte er, dass er neben körperlichen auch seelische Probleme hat. „Es war nicht nur meine körperliche Gesundheit, die in den letzten Jahren einen Schlag erlitten hat. Ich habe in dieser Zeit ziemlich hart mit Depressionen gekämpft“, sagte der mittlerweile 1985-Geborene der britischen Zeitung „The Times“. Cavendish stand aber wieder auf, 2021 bei der Tour holte er sogar seinen 34. Etappensieg und steht nun auf eine Stufe mit der Legende Eddy Merckx. Doch auf Cavendish warten weitere Bewährungsproben – nach dem Karriereende verfielen eine Reihe Radprofis in psychische Probleme, fielen durch Drogen- oder Alkoholmissbrauch auf. Der für einen der größten Dopingskandale stehende ehemalige Tour-Sieger Jan Ullrich etwa verfiel in einen Burnout.
PER MERTESACKER ist der wohl prominenteste deutsche Fußballspieler, der auf den Leistungsdruck folgende psychische Probleme öffentlich machte. Kurz nach seinem Karriereende berichtete der Weltmeister von 2014 im Jahr 2018 im „Spiegel“ davon, wie ihm der Leistungsdruck im wahrsten Sinne des Wortes auf den Magen schlug. Er habe vor jedem Spiel mit Brechreiz und Durchfall reagiert – „als sei das, was dann kommt, symbolisch gesprochen, einfach nur zum Kotzen“. Ihm seien seine Privilegien bewusst gewesen. Doch „irgendwann realisierst du, dass alles eine Belastung ist, körperlich und mental. Dass es null mehr um Spaß geht, sondern dass du abliefern musst, ohne Wenn und Aber.“ Verletzungen, die ihn zum Aussetzen zwangen, empfand er nicht als Drama, sondern als Erleichterung. „Denn es ist der einzige Weg, eine legitimierte Auszeit zu bekommen, mal raus zu sein aus der Mühle“, sagte der frühere Verteidiger von Werder Bremen und Arsenal London.
BEAR GRYLLS veröffentlichte 2022 sein Buch "Mind Fuel - Simple Ways to Build Mental Resilience Every Day". Da der Abenteurer schon diverse außerordentlich gefährliche Hindernisse überwunden hat, könnte man meinen, dass Mental-Health-Probleme für ihn ein Fremdwort sind. Susanna Reid, Moderatorin von Good Morning Britain, bezeichnete den Abenteurer sogar als "rock solid".
Aber sogar er blieb nicht verschont: Bear Grylls öffnete sich, spricht über seine Probleme mit Selbstvertrauen und Selbstzweifeln sowie Angst, und geht damit als Vorbild für vermeintlich starke Männer voran.
FELIX NEUREUTHER zählt zu den erfolgreichsten und beliebtesten Wintersportlern Deutschlands. Der ehemalige Skifahrer punktet neben seinen sportlichen Erfolgen vor allem mit seiner humorvollen, authentischen und sympathischen Persönlichkeit. Was ihn noch mehr zum Vorbild macht? Seine Initiative "Beweg dich schlau!“ in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität München, mit der er Kindern und Jugendlichen die Wichtigkeit von Sport und körperlicher sowie mentaler Gesundheit näherbringt.
LEBRON JAMES hatte keinen leichten Start ins Leben und arbeitete sich dennoch zum erfolgreichen Basketball-Spieler herauf – the American Dream. Neben seinem Einsatz für soziale und politische Gerechtigkeit liegt ihm auch mentale Gesundheit am Herzen. In einem Interview mit Kindern sagt er: "Manchmal ist es in Ordnung, etwas zurückzuhalten, aber wenn man es zu lange zurückhält, kann es überwältigend werden." Er gibt ihnen mit, dass man über Druck und schwierige Dinge reden muss, um sich besser zu fühlen. Deshalb schrieb er auch das Kinderbuch "I am more than" mit der Message, dass Kinder an sich selbst glauben sollen.
LINDSEY VONN, Wintersport-Hero und Olympia-Gold-Gewinnerin, leidet seit ihren Teenagerjahren an Depression und das, obwohl sie immer das Gefühl hatte, mit ihr sei nichts falsch – heute sagt sie, obwohl sie Depressionen hat, ist immer noch nichts falsch mit ihr. Gerade im Sport sind Mental-Health-Probleme stigmatisiert, da es scheinbar unmöglich ist, gleichzeitig sportlich stark zu sein und trotzdem Schwächen zu haben. Und deshalb erhebt sie ihre Stimme. Lindsey redet öffentlich über ihre Krankheit und ihren Weg der Genesung, um Depression und andere psychische Krankheiten zu normalisieren.
ROGER FEDERER, 20-facher Grand Slam-Gewinner, bestärkt jugendliche Tennis-Spieler*innen darin, dass psychische Probleme normal sind. "Man kennt es, Reisen, Training, Jetlag. Da darf niemand sagen, dass man heute müde ist. Denn das sieht aus, als ob man schwach ist. Das ist der Grund, warum Spieler manchmal mentale Probleme haben, weil man immer Stärke zeigen soll." Er schließt sich mit dieser Aussage seinen Tennis-Kolleg*innen an, erzählt aber auch, dass der Umgang mit psychischen Problemen in der Tennis-Szene in den letzten Jahren offener geworden sei.
SERENA WILLIAMS spielte jahrelang Tennis in der Spitzenliga und gewann sämtliche Titel. Doch mit ihrem Austritt musste sie lernen, sich Grenzen zu setzen und auch mal abschalten zu können nach dem Druck und der dauerhaften Angst, die eine Tenniskarriere mit sich bringt. Den Zustand ihrer mentalen Gesundheit und Tools, wie sie mit diesem umgeht, teilte sie auch öffentlich und unterstützt die Initiative "Wondermind" von Selena Gomez.
Das Stigma, dass mentale Krankheiten und Leistungssport nicht koexistieren können, gibt es immer noch. Und das in einem Zeitalter, in dem mentale Gesundheit so wichtig ist, wie noch nie. Wenn du mehr über mentale Gesundheit im Leistungssport erfahren willst, dann höre hier doch mal rein!
- Awards
- Bergsport
- Bike
- Fitness
- Health
- ISPO Beijing
- ISPO Munich
- ISPO Shanghai
- Running
- Brands
- Nachhaltigkeit
- Olympia
- Outdoor
- Promotion
- Sportbusiness
- Textrends
- Triathlon
- Wassersport
- Wintersport
- eSports
- SportsTech
- OutDoor by ISPO
- Heroes
- Sport Fashion
- Urban Culture
- Challenges of a CEO
- Messen
- Sports
- Find the Balance
- Produktreviews
- Magazin