Biles steht in allen Disziplinen des Geräteturnens an der Spitze. Ihren ersten Weltmeistertitel holte sie im Alter von 16 Jahren in Antwerpen und war bereits vor Olympia 2020 mit insgesamt 19 Gold-, 3 Silber- und 3 Bronzemedaillen die erfolgreichste Teilnehmerin an Turnweltmeisterschaften aller Zeiten. Auch bei nationalen US-Meisterschaften ist sie mit dem siebenfachen Gewinn im Mehrkampf Rekordmeisterin.
Ihre schwächste Disziplin ist der Stufenbarren, doch selbst da zählt sie zu den Favoritinnen. Nach der Verschiebung der Olympischen Spiele hatte auch Biles ihr Karriereende extra nach hinten geschoben und Olympia in Tokio sollte krönender Abschluss ihrer Turnkarriere werden.
Biles ist 142 cm groß und wiegt 47 Kilogramm. Damit bringt sie den idealen Körperbau fürs Turnen mit. Sie verfügt in etwa über die Muskelmasse von größeren Kontrahentinnen, kann sich aber auf Grund ihrer kleineren Größe Hebelwirkungen perfekt zunutze machen. Beim Antritt vor Überschlägen und Sprüngen beschleunigt sie schneller als andere und kann mehr Elemente auf dem begrenzten Raum der Matte während der Kür zeigen. Ihr Trainingsrezept ist trotzdem einfach und es lautet: „Üben, üben, üben.“ Um bei Olympia in Tokio in Topform zu sein und damit jede Übung sitzt, trainiert sie viele Stunden am Tag.
Wenn neue Elemente auf internationalen Turnwettkämpfen vorgeführt werden, werden sie auch nach ihrer Erfinderin oder ihrem Erfinder benannt. Bereits vier verschiedene Tricks tragen Simone Biles Namen. Zuletzt turnte sie bei den Weltmeisterschaften in Stuttgart 2019 zwei neue Elemente. Ihr „Triple-Double“ am Boden, ein Doppelsalto gehockt mit integrierter Dreifachschraube, ist so schwierig, dass die Bewertungsskala des internationalen Turnverbandes FIG erweitert und allein deswegen der neue Schwierigkeitsgrad „J" eingeführt wurde.
In Worten beschrieben, geht der „Triple-Double“ so: Biles springt ab und macht in etwas mehr als einer Sekunde einen doppelten Rückwärts-Überschlag, während sie sich gleichzeitig dreimal um sich selbst dreht. Offiziell heißt dieser Trick nun „Biles II“, da sie am Boden bereits einen Doppelsalto rückwärts gestreckt mit halber Schraube und blinder Landung geschaffen hatte, der den Namen „Biles“ trägt. Darüber hinaus ist auch ein Element am Sprung, ein Jurtschenko mit halber Drehung in der ersten Flugphase und gestrecktem Vorwärtssalto mit zwei Schrauben, sowie ein Doppelsalto rückwärts mit integrierter Doppelschraube als Abgang vom Schwebebalken nach ihr benannt. Klingt kompliziert? Ist es selbst für ihre Kontrahentinnen auf internationalem Top-Niveau und auch männliche Turner können oft nicht nachmachen, was Biles leistet.
Als erste weibliche Turnerin zeigte Biles als erste Frau einen Jurtschenko mit Doppelsalto rückwärts gebückt am Sprung. Da sie diesen allerdings noch nicht auf internationalen Wettkämpfen gezeigt hat, trägt er noch nicht ihren Namen.
Der Boden ist ihre liebste Disziplin im Turnen, so Biles, weil sich dort in der Kür die meisten Möglichkeiten ergeben, Persönlichkeit zu zeigen. Charakter zeigt sie aber auch neben der Wettkampffläche, indem sie für sich und andere einsteht. Sie nutzt ihre große Reichweite in den sozialen Medien, um Stellung zu beziehen und auf soziale Ungerechtigkeit hinzuweisen, etwa im Zuge der Black-Lives-Matter-Bewegung.
Auch bei einem noch persönlicheren Thema meldete sich Simone Biles zu Wort. 2018 machte sie in Zusammenhang mit der Online-Bewegung #metoo neben anderen prominenten Turnerinnen öffentlich, von Larry Nassar, dem früheren Arzt des US-Turnteams, sexuell missbraucht worden zu sein. Biles thematisierte später auch das Fehlverhalten des Turnverbandes und beschrieb ihre Frustration mit Funktionären, die mitwissend waren und sie selbst und andere Betroffene dennoch nicht geschützt hatten. Besonders tragisch: Nachdem das FBI ersten Missbrauchshinweisen nicht wie vorgeschrieben nachging und Nassar so noch monatelang weitere Taten ermöglichte, hat Simone Biles Mut, ihre Erlebnisse zusammen mit anderen prominenten und nicht prominenten Turnerinnen auszusprechen, dazu beigetragen, den schuldigen Arzt zu überführen.
Auch wenn es scheinen mag, als flögen Simone Biles ihre Siege auf internationalem Parkett förmlich zu, wurde ihr diese Leichtigkeit nicht in die Wiege gelegt. Nachdem ihre leibliche Mutter auf Grund von Drogen und Alkohol nicht im Stande war, für ihre Kinder zu sorgen, verbrachte Simone ihre Kindheit in Pflegefamilien und wurde später von ihren Großeltern aufgenommen und adoptiert. Mit sechs Jahren wurde ihre Begabung fürs Turnen bei einem Schulausflug erkannt, von da an trainierte sie regelmäßig, bis mit 16 Jahren ihr erster Weltmeistertitel folgte. Bei ihren ersten Olympischen Spielen in Rio gewann sie viermal Gold und einmal Bronze.
Heute nutzt Biles ihre Bekanntheit, um junge Menschen dazu zu inspirieren, auf ihre Ziele hinzuarbeiten. Sie ist an der „University of the People“ in Betriebswirtschaftslehre eingeschrieben und engagiert sich als Markenbotschafterin der Universität ebenfalls dafür, Kindern aus Pflegefamilien den Zugang zu Bildung zu erleichtern.
Insgesamt möchte sie vor allem jungen Mädchen und Frauen ermutigen, ihre athletischen Ziele zu verfolgen und ihr Leben selbstbewusst zu gestalten. Dies schlägt sich nun auch in der Wahl ihrer Sponsoren nieder: Simone Biles ist kürzlich von Nike zu Athleta, einer Sportbekleidungsmarke für Frauen gewechselt. Gemeinsam mit Athleta möchte sie Produkte für junge Athletinnen entwerfen und sich für den „Power of She Fund“ von Athleta engagieren, der Finanzierungsmöglichkeiten und verschiedene Programme für Mädchen und Frauen anbietet, um ihr Leben durch Sport zu verbessern und auch in Form von Nachwuchsförderung zu unterstützen.
Sie war der Hoffnungsträger für die olympischen Spiele in Tokio: Doch gleich zu Beginn der Wettkämpfe in Tokio gab Simone Biles zu: "Ich habe mentale Probleme."
Grund für ihr öffentliches Statement: Beim Mehrkampf der Turnerin verließ Biles bereits nach der ersten Disziplin die Halle. Ihre US-Kolleginnen sowie die Zuschauer vor dem TV bangten um die 24-Jährige. Eine Verletzung? Nein! Die Rekordhalterin gab später zu, sie habe sich nicht gut gefühlt und sei lieber vom Wettbewerb zurückgetreten.
Unter Tränen sagte Simone Biles: "Ich fühle mich nicht so gut, wie zuvor, ich bin nervöser beim Turnen und habe weniger Spaß." Mentale Probleme machten ihr zu schaffen. Der größte Kampf, den sie gerade zu kämpfen habe, sei der mit sich selbst. Dass es ausgerechnet bei Olympia zum Vorschein käme, ärgere sie. „Ich sage, die mentale Gesundheit steht an erster Stelle. Daher ist es manchmal in Ordnung, die großen Wettbewerbe sogar auszusitzen, um sich auf sich selbst zu konzentrieren. Es zeigt, wie stark du als Wettkämpfer und Person wirklich bist anstatt sich einfach durchzukämpfen“, betonte sie bei der nachfolgenden Pressekonferenz. Auch ihr Einzelfinale wenige Tage später sagte sie ab. Ihre mentale Gesundheit geht eben vor.
Für den Wettkampf am Schwebebalken kehrte sie dann doch noch einmal zurück. Und gewann eindrucksvoll, auch wenn sie einige schwierige Elemente ausließ, die Bronzemedaille. Ein krönender Abschluss für Biles, die in den letzten Jahren so hart auf diese Olympiateilnahme gekämpft hatte. Am Schwebebalken anzutreten, das habe sie nur für sich selbst gemacht, betont Biles: "Es hat mir die Welt bedeutet, da wieder rauszugehen".
- Awards
- Bergsport
- Bike
- Fitness
- Health
- ISPO Beijing
- ISPO Munich
- ISPO Shanghai
- Running
- Brands
- Nachhaltigkeit
- Olympia
- Outdoor
- Promotion
- Sportbusiness
- Textrends
- Triathlon
- Wassersport
- Wintersport
- eSports
- SportsTech
- OutDoor by ISPO
- Heroes
- Sport Fashion
- Urban Culture
- Challenges of a CEO
- Messen
- Sports
- Find the Balance
- Produktreviews
- Magazin