Viertelfinale der BOSS German Padel Open. In kleinen Gruppen stehen Menschen auf dem Vorplatz der Mehrzweckhalle Castello in Düsseldorf. Zwischen ihnen schlendert die Weltelite der Padel-Szene zum Eingang, entspannt, die großen Taschen über die Schultern geschwungen, mal in ein Gespräch vertieft, mal ganz fokussiert auf die anstehende Aufgabe. Und: praktisch unbehelligt von den Umstehenden.
In Padel-Hotspots wie etwa Spanien oder Argentinien wäre das kaum denkbar. Dort hätten etliche Autogrammwünsche und Selfie-Anfragen die Ankunft von Paula Josemaría und Ariana Sánchez oder Arturo Coello und Agustín Tapia in der Players Lounge wohl erheblich verzögert. Einerseits zeigt die relative Anonymität, mit der sich selbst absolute Top-Duos auf einem deutschen Turnier bewegen können, dass die Entwicklung des Padel-Sports hierzulande noch in den Kinderschuhen steckt. Andererseits aber spricht die Tatsache, dass ein internationales Event mit Tausenden Fans überhaupt auf deutschem Boden stattfindet, für das steigende Interesse an der Trendsportart.
Die könnte nun einen gehörigen Schub bekommen: Während der German Padel Open, dem ersten Stopp der World Padel Tour in Deutschland, machten die Profis mit spektakulären Ballwechseln beste Werbung für ihren Hochgeschwindigkeitssport im Glaskäfig. „Wir gehen davon aus, dass das eine Strahlkraft hat“, sagte Jasper Ahrens, Vorstand des Deutschen Padel Verbands, in Düsseldorf über die Veranstaltung. „In Schweden zum Beispiel ist die Entwicklung nach dem ersten großen Turnier noch einmal explodiert.“
Ahrens‘ Überzeugung nach soll Padel Tennis durch eine Veranstaltung wie die German Padel Open in Deutschland abheben. Möchte man sprachlich in der Raumfahrt bleiben, hat der Trendsport in anderen Nationen längst die Umlaufbahn erreicht – insbesondere im spanischsprachigen Raum. Angesichts der Historie des Sports verwundert das nicht.
Ursprünglich stammt Padel aus Zentralamerika. Ende der 1960er Jahre ließ der Geschäftsmann Enrique Corcuera den verkleinerten Tennisplatz seines Ferienhauses in Acapulco mit hohen Wänden und einem Metallzaun umgeben. Ob die Mauern als Barriere zum Nachbargrundstück oder als raffiniertes Extra für spannende Ballwechsel gedacht waren, scheint unklar. Gesichert jedoch ist das Ergebnis. Im Urlaubsort am Pazifik war „Paddel Corcuera“ geboren.
Ein paar Jahre später brachte ein spanischer Freund des Padel-Erfinders die neue Sportart mit auf die Iberische Halbinsel. In einem Tennis-Club in Marbella errichtete Alfonso of Hohenlohe-Langenburg zwei Courts, bald wurden die ersten Turniere entlang der Costa del Sol gespielt. Darauf wurde Julio Menditenguia aufmerksam. Der argentinische Millionär rückte den Sport Mitte der 1970er Jahre in seiner Heimat ins Rampenlicht. Inzwischen finden auch in Brasilien, Chile, Paraguay oder Uruguay große Turniere statt.
Und die Popularität steigt weiter an. Padel ist eine Sportart, die alle Altersgruppen und Fitnesslevel anspricht. Durch die Spielform im Doppel kommt eine starke soziale Komponente hinzu. Darüber hinaus können Prominente ihre Fans mit dem Padel-Fieber anstecken – selbst dann, wenn sie aus anderen Sportarten stammen.
In Deutschland haben Hansi Flick oder Jürgen Klopp in Padel investiert. In Schweden ist es Zlatan Ibrahimovic. Gemeinsam mit Thomas Sandström gründete das Enfant terrible des schwedischen Fußballs „Padel Zenter“ und brachte seinen Landsleuten damit den Sport näher. Schätzungen zufolge spielen mehr als sieben Prozent der schwedischen Bevölkerung Padel Tennis. Derzeit herrscht „König Zlatan“ über fünf Einrichtungen, deren Plätze höchsten internationalen Ansprüchen genügen. Die meisten Anlagen des Landes werden allerdings von We Are Padel und Padel United betrieben.
Mit insgesamt 4.200 Plätzen belegt Schweden im europäischen Vergleich Rang 3. Unangefochten an der Spitze liegt Spanien, laut Global Padel Report zählte man dort Anfang 2023 15.300 Courts. Platz 2 geht an Italien mit 6.470 Plätzen. Deutschland rangiert mit derzeit etwa 250 Plätzen am Ende der Tabelle. Außerhalb Europas hat Argentinien mit knapp 5.000 Plätzen die Nase vorn.
Daran, dass Padel in den kommenden Jahren weiter wächst, gibt es kaum Zweifel. Von aktuell fast 40.000 soll sich die Anzahl an Plätzen weltweit bald mehr als verdoppeln. Rund 85.000 könnten es bis 2026 sein.
In Europa formen Frankreich, Großbritannien und Deutschland die „Big 3“ der vielversprechenden Märkte. Im Vereinigten Königreich will Padel United als mutmaßlich größter Padel-Anbieter der Welt die Expansion in alle Regionen vorantreiben, von London über Glasgow bis nach Bristol. In Frankreich kündigte gar Präsident Emmanuel Macron den Bau von 500 Padel Courts im Vorfeld der Olympischen Spiele 2024 an.
In Deutschland setzt man unter anderem auf die Kooperation zwischen Deutschem Padel Verband und Deutschem Tennis Bund. „Es wird für ein weiteres Wachstum nicht reichen, wenn es Padel-Courts nur in großen Städten wie Hamburg, München, Berlin und Köln gibt“, sagte Peter Mayer, Geschäftsführer Deutscher Tennis Bund, während der German Padel Open. „Wir wollen und müssen den Sport nach und nach in die Fläche und damit näher zu den Menschen bringen.“ Dafür habe der DTB mit seinen 9.000 Clubs und Tennis als drittgrößte Sportart Deutschlands sehr gute Voraussetzungen.
Weitere spannende Märkte entstehen in arabischen Staaten oder in den USA. In Kuwait etwa ist der Trendsport nicht nur bei den Erwachsenen angekommen, sondern auch bei Kindern und Teenagern. Und in den Vereinigten Staaten soll es bis 2030 rund 30.000 Courts geben. Derzeit sind es 180 Plätze, schreibt das Padel Magazine.
Wachstum ist im Padel allerdings nicht gleichbedeutend mit der Entstehung neuer Plätze. In Spanien, wo die boomende Sportart mit rund fünf Millionen Aktiven lediglich dem Fußball den Vortritt lassen muss, besteht kaum noch Bedarf. Schon jetzt kommen 325 Plätze auf eine Million Einwohner. Nun stehen unter anderem Start-ups im Fokus, die digitale Services rund um die Sportart entwickeln, oder Platzbauer, die ihr Know-how global anbieten.
Im Jahr 2022 erreichte der globale Padel-Markt bereits ein Volumen von geschätzt zwei Milliarden Euro. Die Infrastruktur machte mit 1,2 Milliarden Euro für Betreiber und 200 Millionen Euro für Hersteller von Anlagen einen Großteil aus. Der Global Padel Report stellt in Aussicht, dass sich der Wert des Marktes für den Betrieb der Padel-Clubs bis 2026 vervierfacht. Gründe dafür sind neben dem Neubau von Courts auch steigende Preise für die Nutzung.
Weitere 550 Millionen entfielen auf Equipment wie Schläger, Bekleidung und Bälle. Nimmt die Anzahl an Padel-Begeisterten zu, können sich Retailer entsprechend auf eine steigende Nachfrage an Sportartikeln einstellen.
Der dritte Bereich des Padel-Marktes ist das professionelle Segment. 2022 erreichte es 50 Millionen Euro, unterteilt in Tickets (15) sowie TV und andere Medien (35). Auch hier ist die Entwicklung längst nicht abgeschlossen. Im Gegenteil: Ein weiterer Meilenstein steht kurz bevor.
Zuletzt gab Qatar Sports Investment, unter anderem Eigentümer des französischen Fußball-Giganten Paris Saint-Germain, die Übernahme der World Padel Tour vom spanischen Bierhersteller Damm bekannt. QSI möchte die Turnierserie mit der eigenen Premier Padel Tour zusammenführen und dadurch ein noch attraktiveres Produkt schaffen.
„Ich wünsche ihnen nur das Beste und bin sicher, dass sie Erfolg haben werden“, sagt Enrique Marques. Wie genau sich der professionelle Padel-Sport entwickeln wird, kann aber auch der CEO der World Padel Tour nicht vorhersagen. „Das Wachstum ist nicht in allen Ländern gleich. In einigen ist Padel riesig, in anderen noch ganz am Anfang.“ Man müsse einen Markt jedoch immer mit einer angemessenen Geschwindigkeit beitreten. „Es bringt nichts, Dinge zu überstürzen. Zuerst müssen die Leute Padel spielen. Dann werden sie sich für eine professionelle Liga interessieren.“
Deutschland sieht Marques auf einem guten Weg, nicht zuletzt wegen der German Padel Open. „Die Spielerinnen und Spieler sind nicht nur zufrieden, sie sind begeistert. Sie sehen diesen besonders gestalteten Center Court und das professionelle Setup und wissen auch, dass Padel in Deutschland noch im Kommen ist. Ich bin fest davon überzeugt, dass Padel nach diesem ersten WPT-Turnier auch in Deutschland durch die Decke gehen wird.“ Vielleicht werden Paula Josemaría, Arturo Coello & Co. schon beim nächsten Event nicht mehr umhinkommen, zwischen Parkplatz und Halleneingang zahlreiche Autogrammwünsche zu beantworten.
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