Yogis legen Wert auf ein nachhaltiges und bewusstes Leben. Und doch scheitern viele schon am Equipment. Hören tun das natürlich die wenigsten gern. Denn der Yoga-Lifestyle ist bereits ein grüner. Zumindest auf Instagram.
Die Wahrheit ist bitter: Die meisten Yogamatten stammen aus China. Billig produziert aus PVC, der Abrieb ist oft umweltschädlich, die Lebensdauer nur kurz.
Auch Anna Souvignier und Sophie Zepnik leben einen achtsamen, bewussten Lifestyle. Zumindest glauben sie das. Bis ihnen im Jahr 2016 eine Künstlerin in einer Ausstellung in Göteburg unbequem den Spiegel vorhält. Jenes Werk prangert die Ambivalenz der Yogis an. Wenig Plastik, ein ökologischer Fußabdruck und fair produzierte Kleidung - schön und gut. Aber dennoch praktizieren die meisten Yoga auf einer günstigen Matte - schnell gekauft im Internet.
Ertappt. So fühlen sich die beiden Studentinnen von Nachhaltigkeitsmanagement in Mälmo, als sie die Ausstellung verlassen. Alles an ihnen ist grün - nur die Matte nicht. Noch abends recherchieren sie, ein nachhaltige Yogamatte soll her. Nur: Sie finden keine.
„Also haben wir beschlossen, wir machen was“, sagt Sophie Zepnik.
Es ist ein Risiko, Menschen den Spiegel vorzuhalten und aufzuzeigen: Ihr macht nicht genug. Und doch ist es wichtig in Zeiten von Klimawandel und Umweltverschmutzung. hejhej-mats setzt genau da an. Nicht mit dem Vorschlaghammer, sondern mit ganz viel Liebe.
Wer eine hejhej-mat kauft, kann aufatmen: Alle Materialien sind nachhaltig, 100% recyclebar und ressourcenschonend. Das Startup hejhej-mats ist die erste closed-loop Yoga-Brand, das im Sinne der Kreislaufwirtschaft Materialien nutzt, die bereits im Überfluss vorhanden sind. Ein überzeugendes Argument, nicht nur für Menschen, die Yoga lieben und auf ein bewusstes Leben achten. Und doch eines, das zum Nachdenken anregt. Und riskant ist. Denn niemand - gerade in der Yogaszene - hört gerne Kritik am eigenen grünen Handeln.
Dass sich die beiden Studentinnen selbst hinterfragen und etwas verändern müssen, ist ihnen sofort klar. Dass sie eine ganze Szene aufmischen und ihr liebevoll den Spiegel vorhalten werden, nicht sofort. Für sie steht das Ziel - eine nachhaltige Yogamatte - im Mittelpunkt, Risiken blenden sie aus.
Mit hejhejmats wollen sie das schaffen, das so viele Yogamatten verpassen. Nachhaltigkeit und Umweltschutz. „Das heißt: Wir wollten Materialien nutzen, die es im Überfluss gibt und die man wieder recyclen kann.“ Das Produkt soll recyclebar und im Sinne der Kreislaufwirtschaft auch abbaubar sein, der Kunde oder die Kundin sollen das Produkt nach seinem Lebenszyklus - sprich dem Gebrauch bis zur Abnutzung - wieder beim Unternehmen abgeben können.
Doch kann das funktionieren? Noch 2016 gründen Anna Souvignier (29) und Sophie Zepnik (28) nach ausgiebiger Vorarbeit ihr Yoga-Brand hejhej-mats. Überzeugt von der eigenen Idee.
„Bei unserer Materialrecherche wollten wir ein Material finden, das keine Nutzung mehr findet. Hängengeblieben sind wir dann bei der Schaumstoffproduktion für Möbel und Matratzen“, erzählt Sophie Zepnik. Bei der Herstellung bleiben zahlreiche Schnittreste übrig, die im Mülleimer landen. „Und das, obwohl die Ressource einwandfrei, ja wie neu, ist.“
Bevor die beiden Gründerinnen Schaumstoffproduzenten kontaktieren, erarbeiten sie eine hejhej-mats Proto-Matte. Sie gefällt. „Der Großteil unserer Matte besteht aus Schaumstoffresten, oben drauf kommt eine medizinisch-konforme Membran, die sehr langlebig - und natürlich recyclebar - ist.“
Die Matte steht, also ab in die Produktion. Doch so schnell geht es für hejhej-mats nicht. „Die Schaumstoffproduzenten-Suche war sehr schwer. Wir haben ganz viele Menschen kontaktiert, unsere Idee geschildert und nur Absagen bekommen“, erzählt die 28-jährige Gründerin. Yoga und Schaumstoff - ein unbekanntes Risiko, das sich viele Produzenten nicht zutrauen.
„Wir hatten oft den Eindruck, wir wurden als junge Studentinnen mit unserer außergewöhnlichen Idee nicht so wirklich ernst genommen.“ Aufgeben ist keine Option - und die beiden Gründerinnen werden belohnt. Ein Familienunternehmen findet die Idee wenig später super und steigt ins Yogamatten-Business mit ein.
Das Startup startete mit 300 Matten in die Produktion. Heute produzieren die beiden Gründerinnen alle ein bis zwei Monate 2000 Stück. Produziert wird noch immer gemeinsam mit dem Familienunternehmen in der Nähe von Nürnberg. „Uns war wichtig, dass wir auch lokal produzieren und so CO2-Emmissionen einsparen. Außerdem haben wir hier so einen genauen Überblick über die Arbeitsbedingungen.“ Noch immer ist mindestens eine Gründerin bei jeder Produktion dabei, checkt die Qualität und Arbeitsabläufe.
Auch in der Logistik legt hejhej-mats Wert darauf, ein nachhaltiges wie soziales Unternehmen zu sein. „Wir haben ganz lange noch unsere Matten selbst verschickt, bis wir gemerkt haben, das schaffen wir nicht mehr.“ Doch statt mit einem riesigen Logistik-Unternehmen zusammenzuarbeiten, entscheiden sich Sophie Zepnik und Anna Souvignier mit einer Werkstatt mit Menschen mit Behinderung den Versand zu regeln. „Wir sind so glücklich darüber, dass die Menschen dort unsere Pakete verpacken, das Logo aufnähen und unsere Produkte verschicken.“ Noch schauen die beiden immer mal wieder bei ihrem Team vorbei, langfristig wünschen sich die Gründerinnen, die Menschen direkt bei sich anzustellen.
Mut zum Risiko zeigen die beiden Gründerinnen auch beim Thema Finanzen. Noch gilt hejhej-mats als Startup. Mutig wie die beiden Frauen sind, haben sie Investoren bewusst abgelehnt. „Wir wollten unser Unternehmen nicht von Null auf 100 bringen, sondern lieber langsam wachsen.“ hejhej-mats ist zu 100% selbstfinanziert, lediglich zwei Crowdfunding-Kampagnen schalteten die Gründerinnen. „Wir sind nach wie vor sehr glücklich mit diesem Weg. Wir wollten unser Ding machen und nicht all unsere Entscheidungen im Sinne der Nachhaltigkeit gegenüber jemanden rechtfertigen müssen.“
Nachhaltigkeit ist auch innerhalb des Unternehmens ein Thema. „Wir bringen nur Produkte auf den Markt, die im Rahmen der Kreislaufwirtschaft recyclebar und abbaubar sind.“ Neben der bekannten hej-mats ist das mittlerweile eine Yogatasche, ein Gurt sowie ein Kissen. „Wir sind komplett auf Nachhaltigkeit aufgebaut. Jede Entscheidung, die wir treffen, soll nachhaltig sein.“ Das Team, das mittlerweile aus fünf Menschen besteht, arbeitet zu 100% remote aus dem Homeoffice. Hierarchien gibt es nicht. Und für jedes verkaufte Produkt wird ein Euro an das Earthchild Project in Südafrika gespendet, das Kindern Yoga näher bringt. „Wir wollen was zurückgeben.“
Und wie reagierte die Yogaszene auf hejhej-mats?
„Wir bekommen viele Nachrichten von Menschen, die sagen, dass sie so froh sind, endlich eine nachhaltige Yogamatte aus Deutschland gefunden zu haben.“ Viele Yogafans begleiten die Gründerinnen von Anfang an. Richtig böse war ihnen keiner, den Spiegel vorgehalten bekommen zu haben. Im Gegenteil. Ein grüner Lifestyle ist mit hejhej-mats eben noch besser möglich.
Und doch sind sich Sophie Zepnik und Anna Souvignier auch hier einig: „Uns ist es wichtig, unseren Käufer:innen zu vermitteln, dass man nur Produkte kaufen soll, die man wirklich braucht. Funktioniert die alte Matte noch? Dann bitte behalten. Muss eine neue her? Dann vielleicht doch eine nachhaltige von hejhej-mats.“
Der Erfolg gibt ihnen recht. Und das, obwohl der Weg zum sozialen wie nachhaltigen Unternehmen manchmal steinig war. „Es gab sicher Momente, wo wir hätten abbrechen können“, sagt Sophie Zepnik. Ihre Idee hatte die beiden aber so überzeugt, dass sie niemals ans Aufgeben dachten. „Wir haben einfach weitergemacht, jede Herausforderung angenommen.“
Und das Risiko, mit so einer Idee zu scheitern? Weggewischt. „Wir waren Studentinnen, als wir angefangen haben. Nach dem Studium haben wir direkt mit hejhej-mats weitergemacht. Das Risiko haben wir irgendwie ausgeblendet.“
Etwas, das Sophie Zepnik auch anderen jungen Gründer:innen raten würde. „Wer ein neues Unternehmen im Sportbereich gründet, den erwarten super viele Hürden und viele schwere Entscheidungen. Doch wenn man eine Idee hat, für die man brennt, sollte man dranbleiben.“
Mit hejhej-mats haben die beiden Gründerinnen noch große Pläne. Vier Jahre nach der Gründung wollen die beiden hejhej-mats als nachhaltige closed-loop Yoga-Brand etablieren. Neue Produkte sind geplant und dann wäre da noch der europäische Markt. „Momentan verkaufen wir hauptsächlich in Deutschland, langfristig wollen wir auch den Yogis im Ausland eine faire Alternative anbieten.“ Damit einem bewussten und nachhaltigen Leben als Yoga-Fan nichts mehr im Wege steht.
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