Die gute Nachricht vorneweg: Die kommenden Aufgaben für die Sport- und Outdoorbranche sind so komplex und umfassend, dass zahlreiche Vertreter*innen von Retailern, Marken sowie die European Outdoor Group (EOG) zur Zusammenarbeit aufrufen. „Wir können das nur gemeinsam lösen. Deshalb werden wir unsere Untersuchungsergebnisse veröffentlichen. Wir wollen unser Know-how, das wir in den vergangenen Monaten aufgebaut haben, mit der Branche teilen“, sagten zum Beispiel Debbie Read und Tim Fish von Equip Outdoor in einem Vortrag zu ihrem Nachhaltigkeitsbericht auf der OutDoor by ISPO 2023.
Doch worum geht es überhaupt? Die im Rahmen des europäischen Green Deals vom EU-Parlament Anfang Juni 2023 verabschiedete „Regelung von unternehmerischen Sorgfaltspflichten in der Lieferkette“, kurz EU-Lieferkettengesetz, wird voraussichtlich 2024 in Kraft treten. Sie betrifft alle in der EU tätigen Gesellschaften mit mindestens 500 Beschäftigten und einem Nettoumsatz von mindestens 150 Mio. Euro. Für diese Gruppe wird die Regelung 2026 verbindlich. Die zweite Gruppe umfasst Unternehmen, die mehr als 250 Arbeitnehmer haben und einen Nettoumsatz von mehr als 40 Mio. Euro erwirtschaften. Für sie wird das Gesetz 2028 wirksam.
Das EU-Lieferkettengesetz sieht eine behördliche Kontrolle einschließlich Bußgeldern und zivilrechtlicher Haftung vor. Das bedeutet, dass Unternehmen haften müssen, wenn sie ihren Sorgfaltspflichten nicht nachkommen und deshalb Menschenrechte verletzt werden oder die Umwelt geschädigt wird. Grundsätzlich zielt die Regelung darauf ab, dass Unternehmen ihr Geschäftsmodell und ihre Unternehmensstrategie auf die Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 °C gemäß Pariser Klimaschutzabkommen ausrichten müssen. Ob Unternehmen die neuen Regelungen wirklich einhalten, sollen die Aufsichtsbehörden in den EU-Mitgliedstaaten kontrollieren. Sie können Geldstrafen von mindestens fünf Prozent des weltweiten Umsatzes erheben.
Um die korrekte Umsetzung der Standards nachzuweisen, müssen Markenartikler die Rückverfolgbarkeit (Tracebility) eines Produkts bis zu Zuliefern vierten Grades (TIER 4) sicherstellen. Konkret bedeutet das, dass Brands zum Beispiel nachweisen können müssen, ob beim Anbau einer Hanffaser Pestizide zum Einsatz kamen. Dazu sind Datenerhebungen und -analysen obligatorische Voraussetzungen. Nur mit detaillierten Informationen können Schwachstellen identifiziert, Anpassungen umgesetzt und notwendige Zertifizierungen durch die EU beantragt werden. Oder wie es Pascale Moreau von der Beratungsfirma Ohana auf der OutDoor by ISPO formulierte: „No data, no compliance, no market!“
Es stellt sich die Frage: Wie sollen die Daten erhoben werden? „Das Supply-Chain-Ökosystem ist so komplex, dass die Rückverfolgbarkeit zu einem Fall für einen Profiler werden kann“, sagte Joel Svedlund auf der Outdoormesse in München. Und der schwedische Experte für nachhaltige Entwicklungen bei Peak63 kündigte an: „Die EU wird vermutlich 2027 ‚Digital Product Passports‘ verpflichtend einführen. Darauf müssen sich Hersteller jetzt einstellen!“
Unterstützung erhält die Branche von Verbänden wie der European Outdoor Group oder der Outdoor Industry Association, etwa durch verschiedene Siegel und Initiativen, Self-Assement-Tools wie dem Higg-Index oder die Messung von CO₂-Emissionen und Vorschlägen zu deren Einsparung. Das Sustainability Data Exchange Project (SDEX), das die EOG zusammen mit dem Bundesverband der Deutschen Sportartikel-Industrie seit Anfang 2023 durchführt, befasst sich zum Beispiel mit der problematischen Situation rund um den Austausch von Nachhaltigkeitsdaten auf Produktebene zwischen Marken und Handel. Ziel ist die Vereinheitlichung von verschiedenen Attributen, um so den Kunden nachhaltigere Kaufentscheidungen zu ermöglichen.
Im „Carbon Reduction Project“ untersucht die EOG Möglichkeiten zur Dekarbonisierung der Lieferketten. Das Projekt ist ein Zusammenschluss von Brands, die gemeinsame Zulieferer identifizieren wollen, um mit ihnen optionale Schritte zu besprechen. Katy Stevens, Head of CSR & Sustainability der EOG, präsentierte einige Zahlen aus dem Projekt auf der OutDoor by ISPO. Demnach beliefert ein Supplier im Durchschnitt drei bis vier Marken. „Ein Zulieferer arbeitete sogar mit 44 Herstellern zusammen“, so Stevens – ein effektiver Hebel, um Maßnahmen in Gang zu bringen. „Die gute Nachricht ist, dass die Zulieferer in hohem Maß bereit sind mitzuarbeiten.“ CO₂-Reduzierungen von 50 bis 60 Prozent seien so relativ kurzfristig realisierbar.
David Eklund, CEO von Icebug, stellte auf der OutDoor by ISPO ein Pilotrojekt vor, das innerhalb kürzester Zeit zu einer Erfolgsstory wurde: Zusammen mit fünf US-amerikanischen Bekleidungsmarken hat Icebug ein Solardach für eine TIER-1-Fabrik in Vietnam finanziert. „85 Prozent der Emissionen passieren, bevor das Produkt die Fabrik verlässt“, trug Eklund vor. Um diese zu reduzieren, sei die Umstellung der Elektrizität auf Solarenergie das beste Rezept – und viel einfacher umzusetzen als die Optimierung der Wärmeproduktion. Netter Nebeneffekt: Die Produktionskosten sanken um 20 bis 40 Prozent. Zuletzt haben sich Aku, Garmont und Mammut dem Solar Rooftop Scaling Program angeschlossen. Mit Unterstützung von Icebug und dem Solaranbieter BayWa haben diese drei Outdoor-Marken den ersten Schritt getan, um ihre gemeinsame Fabrik in Vietnam bei der Umstellung auf Solarenergie zu unterstützen. „Dieses Projekt zeigt, dass kein Unternehmen alles alleine machen kann. Aber durch den Austausch von Informationen sowie die Aufteilung des Zeitaufwands und der Kosten können wir gemeinsam Lösungen finden."
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