Als erster Kontinent will die Europäische Union klimaneutral werden – und zwar bis zum Jahr 2050. So steht es im „European Green Deal“, den Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, im Dezember 2019 der Öffentlichkeit präsentierte. Die Textilindustrie hat die Kommission zu einem der Schwerpunktbereiche erklärt. Sie soll, damit das EU-Ziel realistisch ist, mehr recyceln und weniger Müll produzieren, kurz: auf Kreislaufwirtschaft setzen. Gleichzeitig sollen ihre Produkte sollen langlebiger, reparierbar oder wiederverwendbar werden.
Das diskutierten am letzten Tag der ISPO Munich Online drei Experten aus der Branche:
Rebecca Johansson, Sustainability Manager beim norwegischen Spezialisten für Schlechtwetterkleidung Helly Hansen,
Julian Lings, der Senior Sustainability Manager beim neuseeländischen Merinowolle-Leader Icebreaker, und
Jan Lorch, Vertriebsleiter beim Outdoor-Ausrüster Vaude.
Fest steht: Ein Ziel, das die ganze Branche betrifft, erfordert Zusammenarbeit und gemeinsame Maßnahmen. „Nachhaltigkeit ist für viele, viele Marken in unserem Bereich zum fundamentalen Anliegen geworden“, so Lings von Icebreaker aus Neuseeland. „Wir haben die großen Ziele nun genau vor Augen, der Green Deal betrifft uns alle.“ Die Vorstellung des Konzepts in Glasgow sei ein entscheidender Moment für die gesamte Textilindustrie gewesen. „In den kommenden zehn Jahren werden wir sie radikal verändern müssen.“
Der Wandel sei aber nicht nur in Europa, sondern überall voranzutreiben, so Lings: „Unsere Industrie ist wichtig für die ganze Welt.“ Er sei daher froh über den Machtwechsel in den USA: „Das waren harte Jahre für die USA. Doch die Ankündigungen Joe Bidens hinsichtlich des Klimaschutzes sind ein wirklich gutes Zeichen.“
Die Outdoorbranche ist in Sachen Nachhaltigkeit und Klimaschutz sicherlich weiter als andere Sportbranchen. Für Rebecca Johansson von Helly Hansen ist das aber kein Grund, sich darauf auszuruhen: „Wir machen schon einen ganz guten Job und haben viel verändert. Aber es hat gerade erst begonnen.“ Die Corona-Pandemie hätte gezeigt, dass „wir den Wissenschaftlern zuhören sollten“, so die Norwegerin. „2050 klingt zunächst weit weg, das sind 29 lange Jahre. Es ist aber unerlässlich, die CO2-Emissionen schon in den kommenden neun bis zwölf Jahren radikal zu senken – die Dringlichkeit ist da und wir können jetzt nicht die Pausetaste drücken!“
Was gerade passiere mit dem „Green Deal“ und dem „Circular Economy Action Plan" der EU sei „ein klares Signal“, findet Johansson. „Es geht nicht nur um das Klima, sondern auch um Kreislaufwirtschaft und Vielfalt. Wir sollten die Chance nutzen, dass wir jetzt einen gesetzlichen Rahmen dafür haben.“ Bei Helly Hansen sei Nachhaltigkeit schon lange wichtig: „Schließlich sind unsere Produkte an den schönsten Orten der Welt im Einsatz.“
„Wir haben von der EU nun die Vorgabe, in ganz Europa in den nächsten Jahrzehnten nachhaltiger zu werden“, sagt Vaude-Vertriebsleiter Jan Lorch. „Das sind sehr gute Nachrichten für die Industrie, denn wir sollten das als Chance sehen, uns zu verändern. Und zwar so bald wie möglich.“ Lieber jetzt etwas tun, bevor man dazu gezwungen wird – das sollte laut Lorch die Einstellung der gesamten Branche werden. „Wir sollten uns zuerst bewegen und etwas tun, bevor wir dazu gezwungen werden.“
Die Outdoor-Industrie sei schon vergleichsweise fortschrittlich in Sachen Nachhaltigkeit: „Wir sind auf dem richtigen Weg und weiter als viele andere. Aber für echte Nachhaltigkeit liegt noch eine Menge Arbeit vor uns.“ Dass mehr und mehr Kunden sich bei den Händler nach Produktionsverfahren und Lieferketten der Produkte erkundigen, sei gut, so Lorch: „Nachhaltigkeit ist nicht nur ein Trend, sondern eine Evolution. Wir gehen alle zusammen in die richtige Richtung.“
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