- Algen: Der vielseitige Organismus der Zukunft
- Hanf: Die Wiederentdeckung einer alten Kulturpflanze
- Walnussschalen und Olivenkerne: Abfälle werden zu Wertstoffen
- Bananenstauden: Fasern aus Pflanzenresten
- Zuckerrohr: Neuer Ausgangsstoff für die Elastan-Produktion
- Mais: Grundstoff für ein neues, biologisch gewonnenes Elastan
- Birkenrinde: Nachhaltige Gummi-Alternative aus Abfällen der Forstwirtschaft
- Holz, Raps und noch mehr biologische Rohstoffe für biobasierte Kunststoffe
Die Materialtechnologie befindet sich im Umbruch. Auf der Suche nach pflanzlichen Alternativen zu erdölbasierten Kunststoffen und nach neuen Kreislauflösungen, die Abfälle zu Wertstoffen machen, zeigt sich die Materialforschung derzeit beeindruckend kreativ. Rund 25 Start-ups, Forschungsinstitute und etablierte Unternehmen mit innovativen Ansätzen präsentierten sich mit ihren Produkten im Material Lab des Sustainability Hubs auf der ISPO Munich. Von neuen Materialien für Textilien und Hardware bis hin zu Nahrungsergänzungsmitteln und Kunstrasen war die Bandbreite der neuen Ideen genauso vielfältig wie die Sportbranche selbst. „Uns ging es darum, die Sportbranche breit zu denken und genau diese Vielfalt auch im Material Lab abzubilden“, erklärt Leonhard Nima, der mit seinem Studio Nima die Material Lab Fläche kuratiert hat. Gezeigt wurden dort marktreife Innovationen ebenso wie Prototypen, die sich noch im Laborstadium befinden und nach Kooperationspartnern für die Produktion suchen – doch eins haben sie gemein, in Sachen Nachhaltigkeit sind sie ganz vorne mit dabei.
Algen sind der am schnellsten wachsende Organismus der Erde und benötigen dafür weder Düngemittel noch Schutzmittel und noch nicht einmal Land. Gleich eine ganze Reihe von Ausstellern präsentierte Produkte auf Algenbasis. Dazu gehört zum Beispiel die Faser Algaetex, die Teil des Forschungsprojekts „Biotexfuture“ der RWTH Aachen und Adidas ist. Anhand eines Laufschuh-Prototyps demonstrierte das Projekt, dass sich thermoplastische Biopolymere aus Algen für textile Anwendungen eignen. Bloom Sustainable Materials arbeitet schon mit über 100 namhaften Markenpartnern und bietet Kunststoffe auf Algenbasis, z.B. für EVA-Zwischensohlen und Schuhsohlen. Beyond Surface Technology aus der Schweiz hat das Textil-Finish MiDori WA (With Algae) aus Mikroalgenöl entwickelt, das Feuchtigkeit von der Haut wegleitet und die Verdunstung beschleunigt. Aber auch Farbstoffe können aus Algen gewonnen werden oder Nahrungsergänzungsmittel.
Hanf gilt als eine nachhaltige Alternative zur traditionellen Textilfaser Baumwolle, da die Pflanze wenig Wasser benötigt und ohne den Einsatz von Pestiziden oder chemischen Düngemitteln wächst. Im Vergleich zu Baumwolle verbraucht Hanf weniger Fläche und Ressourcen und wächst zudem sehr schnell auch in kühleren Klimazonen, wie beispielsweise Deutschland. Felde Fibres ist ein deutscher Bastfaserhersteller, dem es gelungen ist, eine bisher unübertroffene Feinheit von Hanffasern herzustellen. Die Fasern haben einen angenehmen Griff und werden komplett in Deutschland angebaut, wobei die Rückverfolgbarkeit zu den Ursprungsbetrieben gewährleistet ist. Um nicht mit der Nahrungsmittelproduktion zu konkurrieren, wird der Hanf vor allem als Zweitfrucht angebaut, was Landwirten ein zusätzliches Einkommen verschafft.
Gerade pflanzliche Abfallstoffe wie beispielsweise Walnussschalen und Olivenkerne beflügeln die Phantasie der Materialdesigner*innen. Das Unternehmen Kuori aus der Schweiz hat daraus neuartige biobasierte, biologisch abbaubare und elastische Kunststoffe entwickelt und zum Patent angemeldet. Das Granulat lässt sich nahtlos in bestehende Produktionsprozesse verschiedener Branchen wie Mode, Outdoor-Ausrüstung und Werkzeuge einfügen. Insgesamt hat das Material einen PCF (Product Carbon Footprint), der potenziell 60 Prozent niedriger ist als der herkömmlicher Kunststoffe.
Auch St3ms aus den USA arbeitet mit Pflanzenabfällen aus der Nahrungsmittelproduktion und optimiert so die Abfallverwertung. Als Rohstoff dient hier die Bananenpflanze, deren Reste nach der Ernte in hochleistungsfähige Naturfasern umgewandelt werden. Diese Faser ist von Natur aus stark und leicht, antimikrobiell und feuerbeständig, ohne den Einsatz von Chemikalien. Sie kann für eine Vielzahl von Vliesstoff- und Verbundwerkstoffanwendungen in verschiedenen Industrien eingesetzt werden.
Nicht nur Forschungslabore und Start-Ups arbeiten an der nachhaltigen Transformation der Sport- und Textilindustrie. Hyosung, ein weltweit führender Faserhersteller, hat mit dem Unternehmen Geno ein Verfahren zur Fermentierung von Zucker aus Zuckerrohr entwickelt, das zur Herstellung von Elastan genutzt werden soll. Das neuartige Regen™ BIO Elastane, das in einer neu errichteten Fabrik in Vietnam produziert werden soll, soll bis zum Jahr 2026 bis zu 80 Prozent weniger Kohlenstoffemissionen verursachen.
Auch das Unternehmen Sugarcup verwendet Zuckerrohr als Ausgangsstoff, um daraus Schaumstoffe herzustellen, die als Schaumstoff-Cups in BHs und Schwimmbekleidung oder als EVA-Schaumstoff für Flipflops und Yogamatten verwendet werden. Die patentierte Sugarcup™-Schaumstofftechnologie enthält bis zu 83 Prozent biobasierte Inhaltsstoffe und reduziert den CO2-Fußabdruck um bis zu 71 Prozent. Sie enthält zudem keine schädlichen Chemikalien, wie sie in Polyurethanschaum vorkommen, und kann recycelt werden – sogar gemeinsam mit nicht-biobasierten EVA-Schaumstoffen.
Ein weiteres Schwergewicht aus der Textilindustrie arbeitet daran, die Produktion der vorwiegend erdölbasierten Fasern auf biobasierte Rohstoffe umzustellen. Eine Kollaboration zwischen der The Lycra Company und Qore®, dem Hersteller von Qira®, ermöglicht die weltweit erste kommerzielle Produktion der biologisch gewonnenen Lycra®Faser. Bereits vor rund zwei Jahren hat das Unternehmen ein Verfahren entwickelt, wie bisher erdölbasierte Lycra® Faser teilweise aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden können. Der hierfür genutzte Rohstoff heißt Qira® und wird aus Industriemais hergestellt. Mit Qira® kann ein Hauptbestandteil der Elastanfaser ersetzt und der CO2-Fußabdruck um bis zu 44 Prozent gesenkt werden.
Vom forstwirtschaftlichen Nebenstrom zu nachhaltigen Produkten: Das schwedische Unternehmen Reselo hat ein neuartiges, fossilfreies und 100 % biobasierten Elastomer entwickelt, das aus forstwirtschaftlicher Biomasse hergestellt wird, nämlich aus Birkenrinde. Die patentierte Technologie des Reselo Rubber kann Gummi aus fossilen Rohstoffen in verschiedenen Anwendungen zu ersetzen, z. B. in Schuhen und in Bekleidung, wodurch die Produkte erneuerbar werden und der Kohlenstoff-Fußabdruck um bis zu 90 Prozent verringert wird.
Das US-amerikanische Unternehmen Rheom Materials stellt innovative Materialien her, die aus bakterieller Fermentation, Mineralien und pflanzlichen Stoffen gewonnen werden und fossile Kunststoffe nahtlos ersetzen. Shorai™ ist ein umweltfreundliches Pflanzenleder, das aus natürlichen Materialien wie Fermentationsprodukten, Biomasse-Derivaten, Mineralien, Ton und mehr hergestellt wird. Das Material Benree™ ist ein zu 100 % biobasiertes Harz, das als Ersatz für petrochemische Kunststoffe entwickelt wurde und sich für eine Vielzahl von Spritzgussanwendungen eignet.
Und was war nochmal mit dem Kunstrasen? Immer mehr Sportflächen werden mit Kunstrasen ausgestattet, weil dieser wesentlich pflegeleichter ist. Kunstrasen wird jedoch in der Regel mit Kunststoffgranulat verfüllt, das sich als Microplastik ablösen und durch Regen und Wind in die Umwelt gelangen kann. Aufgrund dieses hohen Umweltrisikos plant die EU, den Bau von Kunstrasenplätzen mit Kunststoff-Verfüllung in den nächsten Jahren europaweit zu verbieten. Der „Bioturf“-Kunstrasen des Forschungsprojekts „Biotexfuture“ der RWTH Aachen löst dieses Problem und verwendet Bio-Polyethylen (PE), das aus pflanzlichen Rohstoffen gewonnen wurde, und zwar vorwiegend aus landwirtschaftlichen Abfällen (Holz) oder Pflanzen aus europäischem Anbau (Raps). Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion kann so vermieden werden.
- NachhaltigkeitROICA und TENCEL: Textilien für eine nachhaltige Zukunft
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