Vor einer Ansteckung mit Covid-19 sind zwar auch leidenschaftliche Sport-Fans nicht gefeit. Erste Studien belegen mittlerweile allerdings eine Korrelation zwischen körperlicher Inaktivität und häufigeren schweren Krankheitsverläufen.
Ein Forscherteam um Robert E. Sallis vom Kaiser Permanente Fontana Medical Center in Kalifornien kommt in seiner Studie mit 48.440 erwachsenen Covid-19-Patienten zur Erkenntnis: Wer sich regelmäßig bewegt, erleidet seltener schwere Krankheitsverläufe.
In Zeiten globaler Lockdowns und fehlender Mobilität wegen des Coronavirus drohen nicht nur physische, sondern auch psychische Folgen. Diese können sich laut der Sportwissenschaftler Prof. Dr. Niels Nagel und Anna Lisa Martin-Niedecken auf verschiedene Weisen ausdrücken:
- Ängste
- Stressbelastungen
- sinkende kognitive Leistungsfähigkeit
- höhere Prävalenz psychischer Erkrankungen
Auch Sportwissenschaftler Prof. Ingo Froböse warnt, das Verbot von Vereins- und Breitensport produziere „die Kranken der Zukunft“. Die Weltgesundheitsorganisation WHO bekräftigte in ihren Guidelines von 2020, dass Bewegung und Sport bei Kindern und Heranwachsenden „die physische, psychische und kognitive Gesundheit verbessern.“
Auch nach einer überstandenen Covid-19-Erkrankung können Folgeschäden auftreten, die unter anderem die sportliche Leistungsfähigkeit einschränken. So wurden laut der Gesellschaft für Orthopädisch-Traumatologische Sportmedizin (GOTS) teilweise selbst nach milden Verläufen bei Sportlern folgende Symptome festgestellt:
- krankhafte Müdigkeit
- verminderte Leistung
- neurologische Ausfälle
- Probleme mit dem Herzen
Demnach weisen rund 40 bis 50 Prozent der Covid-19-Erkrankten auch drei bis sechs Monate oder länger nach der Erkrankung noch ein oder mehrere Symptome, also „Long COVID“, auf.
Individualsport wie Laufen, Bergsteigen, Wandern oder Radfahren sind bei Einhaltung der Abstandsregeln unbedenklich.
„99,9 Prozent der Covid-19-Ansteckungen erfolgen in geschlossenen Räumen. Ich würde Öffnungen für den Sport daher sehr befürworten. Sport ist gesund, Sport tut gut – und er motiviert die Menschen, Innenräume zu verlassen. Er bringt sie an die frische Luft. Denn eins wissen wir sicher: Es sind die Innenräume, in denen wir uns anstecken“, so Scheuch in einem Interview mit dem DFB.
Die Auswertung von über 232.000 Corona-Fällen in Irland durch das Health Protection Surveillance Centre (HPSC) gibt ihm recht: Demnach seien nur 262 Übertragungen an der frischen Luft festgestellt worden, davon wiederum die Hälfte bei Sport- und Fitness-Aktivitäten, die somit nur 0,05 Prozent der untersuchten Fälle ausmachen.
Im Freien halten Aerosolforscher das Risiko auch hier für gering. „Spielformen, Zweikämpfe, also ein ganz normales Mannschaftstraining sind problemlos möglich. Kleingruppen und Training streng auf Abstand ergeben keinen Sinn“, so Dr. Scheuch. „Lasst die Leute, speziell die Kinder, wieder kicken.“
Etwas anders verhält es sich mit Indoor-Sportarten. Hier kommt es stark auf die Größe der Menschenansammlung und die Qualität der Lüftung an.
Der Deutsche Industrieverband für Fitness und Gesundheit (DIFG) wies darauf hin, dass das in Deutschland zur Pandemiebekämpfung verantwortliche Robert-Koch-Institut Fitnessstudios und Sportstätten als Infektionsorte nicht erwähnt.
Auch ein Gutachten von Prof. Dr. Henning Wackerhage der Technischen Universität München kommt zu dem Ergebnis, dass Fitnessstudios nicht nur wenig zum Infektionsgeschehen in Deutschland beitragen, sondern im Gegenteil für die Gesunderhaltung der Bevölkerung förderlich sind.
Dies gelte umso mehr, da Fitnessstudios mit ihrem Hygiene- und Sicherheitskonzept Schutzmaßnahmen eingeleitet haben, mit denen Gäste effektiv vor Ansteckungen geschützt werden.
Hier scheiden sich unter den Experten die Geister. Während Dr. Scheuch auch Schulsport in geeigneten Hallen für machbar hält, warnte Dr. Anthony Fauci, medizinischer Berater des US-Präsidenten, dass im Frühling 2021 vermehrt Corona-Cluster in den USA an Schulen ihren Ursprung im Schulsport hatten.
„Wir haben herausgefunden, dass es die Mannschaftssportarten sind, bei denen die Kinder zusammenkommen, offensichtlich viele ohne Masken, die die Zahlen in die Höhe treiben - und nicht die Verbreitung im Klassenzimmer“, sagte Fauci der ABC. Auch die Centers for Disease Control and Prevention (CDC) kamen im März 2021 zu diesem Schluss.
Verringert wird das Risiko etwa durch regelmäßige Schnelltests im Schulbetrieb vor Ort, durch die Corona-Fälle entdeckt und die Vergrößerung von Clustern verhindert werden können.
Je nach Sportart gibt es dafür verschiedene Möglichkeiten. Die CDC empfiehlt folgende Maßnahmen:
- Bei Kontaktsportarten empfehlen sich individuelle Trainingseinheiten etwa zur Verbesserung der technischen Fähigkeiten statt Gruppenaktivitäten mit körperlicher Nähe
- Im Teamsport bieten sich kleinere, personell immer gleich zusammengestellte Trainingsgruppen an, um die Zahl der Kontakte zu minimieren
- Besonders anstrengende Trainingseinheiten sollten am besten an der frischen Luft durchgeführt werden
- Vollkontakt etwa im Kampfsport oder bei Ballsportarten sollte im Training vermieden werden
- Wenn Indoor-Sport, dann in ausreichend großen Hallen mit angemessenen Lüftungs- und Filteranlagen. Offene Fenster und Türen verbessern die Luftzirkulation
- Auch wenn sich das Virus vor allem über die Luft verbreitet, sollte Sport-Equipment nicht untereinander geteilt werden. Wenn nicht vermeidbar, sollten sie gereinigt und desinfiziert werden
- Abseits des Spielfelds sollten Abstandsregeln eingehalten und eine Maske getragen werden.
Am sichersten ist es, Sportgroßveranstaltungen daheim am Fernseher oder online mit Mitgliedern des eigenen Hausstands anzuschauen. Für die Besuche von Sportveranstaltungen hat die CDC eine Risiko-Übersicht zusammengestellt.
Zusammengefasst gilt dabei: Veranstaltungen an der frischen Luft sind für Zuschauer risikofreier als Indoor-Events. Je weiter die Entfernung zum Veranstaltungsort und je schlechter dort Hygiene- und Abstandsregeln befolgt werden, desto höher das Risiko. Zudem steigt das Ansteckungsrisiko etwa, wenn Zuschauer jubeln und singen.
In den USA, in der die Impfkampagne bereits beträchtliche Fortschritte gemacht hat, kündigten zuletzt immer mehr Sport-Ligen und Teams an, zukünftige Heimspiele wieder in vollen Stadien austragen zu wollen - so etwa das Foorball-Team der Philadelphia Eagles.
Dank der Hygiene- und Testregimes, die sich im vergangenen Jahr im Profisport bewährt haben, konnten einige Großevents ohne größere Corona-Cluster durchgeführt werden. Auch das geglückte Champions-League-Endrundenturnier im Sommer 2020 sowie die Rückkehr der großen Ligen wie der NBA, NFL, NHL, der Premier League oder der Bundesliga zum Spielbetrieb unter Hygienevorschriften waren Mutmacher.
Dennoch ist die Herausforderung zur Fußball-EM eine besondere: Erstmals findet das Turnier paneuropäisch in elf Städten in ganz Europa statt. Eine komplette Isolation der teilnehmenden Teams wird so fast unmöglich. Schon nach den letzten Fußball-Länderspielreisen im März häuften sich Coronavirus-Fälle unter den Spielern.
Um bei Corona-Fällen in den teilnehmenden Teams den Spielbetrieb abzusichern, hat die UEFA die erlaubte Kadergröße von 23 auf 26 erhöht. Feldspieler im Kader, die vor Turnierbeginn erkranken oder in Quarantäne müssen, können durch einen nachnominierten Spieler ersetzt werden. Torhüter dürfen sogar während des Turniers nachnominiert werden.
Hoffnung auf wenige Ansteckungen macht zudem das strikte Testregime zur EM sowie die Fortschritte der Impfkampagnen. Das italienische Nationalteam will etwa den kompletten Kader rechtzeitig zur EM durchgeimpft haben.
Für die Fans ist an den allermeisten Spielorten der Zutritt zu den Stadien nur mit einem negativen Corona-Test oder dem Beleg einer vollständigen Impfungen möglich.
Etwas anders als bei der Fußball-EM verhält es sich bei den Olympischen Spielen vom 23. Juli bis 8. August sowie den anschließenden Paralympics in Tokio. Tausende Sportlerinnen und Sportler aus der ganzen Welt kommen dafür in Japan zusammen – darunter zu Dutzenden Indoor-Disziplinen.
Die Organisatoren haben daher strenge Regeln für alle Teilnehmer implementiert: Tägliche Coronatests sind ebenso Pflicht wie die Einschränkung der eigenen Aktivitäten im Olympischen Dorf. Zudem dürfen die Olympioniken erst fünf Tage vor dem Start ihrer Wettkämpfe anreisen und müssen maximal zwei Tage nach dem Wettkampfende wieder abreisen.
Als Vorbild und Generalprobe für Indoor-Teamsport bei den Spielen stand die Handball-WM im Januar 2021 in Ägypten unter besonderer Beobachtung. Zwar mussten dort drei Teams vor oder während des Turniers ihre Mannschaft wegen Corona-Fällen zurückziehen. Das Feedback der teilnehmenden Verbände zur Bubble der Sportler rund um das Turnier war letztlich allerdings positiv.
Fraglich ist zudem der Fortschritt der Impfungen unter den Olympioniken: Deutschland impft seine rund 1.400 Sportlerinnen und Sportler sowie den Betreuerstab für Olympia seit Anfang Mai. Doch noch herrscht nicht überall Klarheit über die Impfung von Olympia-Startern vor den Spielen. Impfmittelhersteller BioNTech/Pfizer kündigte immerhin für Ende Mai die Versorgung von Olympia- und Paralympics-Delegationen mit Impfstoff an.
Sicher ist indes seit März, dass auf den Rängen ausschließlich japanische Ticketbesitzer sitzen werden. Fans aus dem Ausland bleibt der Zutritt verwehrt.
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