Was sind in Fitnessstudios die größten Ansteckungsrisiken und wie lassen sie sich minimieren? Mit diesen Fragen hat sich Prof. Dr. Henning Wackerhage von der Fakultät für Sport- und Gesundheitswissenschaften der Technischen Universität (TU) München beschäftigt. Der Sportbiologe war Teil eines multidisziplinären Teams aus Wissenschaftlern, die der Deutsche Industrieverband für Fitness und Gesundheit e. V. damit beauftragt hatte, ein Gutachten für die Wiedereröffnung nach dem Lockdown zu erstellen.
„Drei Ansteckungswege sind für Covid-19 bekannt“, erklärt Wackerhage. „Die Tröpfcheninfektion durch Husten oder Niesen, die Infektion über Oberflächen und die Ansteckung über Aerosole“, das sind Luftwolken mit infektiösen Partikeln. In Fitnessstudios seien vor allem Oberflächen eine Gefahr, so der Sportwissenschaftler. Infizierte berühren beispielsweise Türklinken, Hanteln oder Griffe von Sportgeräten, ohne sich zuvor die Hände gewaschen zu haben. Fasst ein Gesunder dieselbe Oberfläche an und reibt sich danach die Augen, steckt er sich an. Studien konnten belegen, dass SARS-CoV-2 auf manchen Oberflächen länger als 24 Stunden haften bleibt, sofern keine Desinfektion erfolgt
Ebenfalls groß ist beim Sport die Ansteckungsgefahr über Aerosole. Sie kommen zustande, wenn infizierte Menschen reden oder rufen, und halten sich in geschlossenen Räumen viel länger in der Luft als draußen, wo Wind die Partikel schnell verteilt. „Aerosole haben bei den Zumbakursen in Südkorea, wo die Trainer die Teilnehmer laut angefeuert haben, sicherlich zur Ansteckung beigetragen“, vermutet Wackerhage. Die eher schlechte Belüftung in den Räumen von Fitnessstudios erhöhe das Infektionsrisiko zusätzlich.
Was viele unterschätzen, ist die Gefahr, die vom Sport selbst ausgeht: aufgrund der hohen Belastungsintensität beim Training. Das Atemminutenvolumen, also die Luftmenge, die ein Mensch pro Minute durch seine Lungen strömen lässt, steige unter sportlicher Belastung stark an, erklärt Wackerhage: „Von 5 bis 10 Litern in Ruhe auf mehr als 100 Liter pro Minute unter Maximalbelastung. Das bedeutet, dass Infizierte beim Training mehr von dem Virus ausatmen und Gesunde unter Belastung mehr einatmen.“ In Fitnessstudios, in denen sich viele Menschen auf relativ engem Raum gemeinsam anstrengen, wäre das Infektionsrisiko dadurch um ein Vielfaches erhöht.
Sportbiologe Wackerhage gehörte zu dem sechsköpfigen Team aus Wissenschaftlern, die ein Konzept zur Wiedereröffnung der Studios nach dem Lockdown entwickeln sollten. Unter dem Motto „Gesundheit braucht Fitness“ erstellten die Experten in den vergangenen Monaten ein Gutachten mit einem Fünf-Punkte-Plan, der den Studios beim Neustart helfen soll. Wackerhage fasst daraus folgende Tipps für Betreiber und Mitglieder zusammen, um das Infektionsrisiko in Fitnessstudios so gering wie möglich zu halten:
- Trainer sollten Mikrofone benutzen, wenn sie einen Kurs leiten – dann müssen sie nicht so laut rufen und produzieren weniger infektiöse Aerosolwolken, falls sie das Virus in sich tragen. Insgesamt sollten Kursleiter das Anfeuern in Grenzen halten und sich zurücknehmen.
- Sportler sollten auf intensive Belastungen verzichten, um ihr Atemminutenvolumen nicht zu sehr in die Höhe zu treiben. Abstand zu anderen Sportlern und Trainern ist Pflicht.
- Wenn möglich, sollten nach jedem Kurs die Fenster geöffnet und 15 Minuten Pause zum Lüften eingelegt werden.
- Klimaanlagen sind sicherer, wenn sie die Luft nicht zirkulieren lassen, sondern dem Raum Frischluft zufügen.
- Die Betreiber von Fitnessstudios sollten über Corona-Ausbrüche in ihrem Landkreis auf dem Laufenden bleiben und ihr Personal und die Mitglieder informieren, falls die Infektionszahlen in der Umgebung anzusteigen beginnen.
- Zusätzliche Barrieren wie Plexiglas-Scheiben am Empfang schützen Personal und Kunden.
- Alle Anwesenden sollten sich vor und nach dem Fitnessstudiobesuch die Hände waschen und möglichst desinfizieren. Wichtig ist, sich nicht ins Gesicht zu fassen, weil Viren dann auf Schleimhäute gelangen und in den Körper eindringen können.
Eine Studie aus Oslo kommt zu einem beruhigenden Schluss und bestätigt Wackerhages Konzept: Halten alle im Fitnessstudio streng die Hygienevorschriften ein und zueinander Abstand, ist die Ansteckungsgefahr dort nicht größer als anderswo.
Der DIFG weist darauf hin, dass laut RKI-Studie die Fallzahlen in Fitnessstudios so gering waren, dass diese nicht gesondert ausgewiesen wurden. Auch die vorläufigen Ergebnisse einer Studie der englischen Universitäten AWRC-Sheffield Hallam University und der spanischen King Juan Carlos University identifiziert für rund 62 Millionen Besuche in Fitnessstudios nur 487 positive Fälle.
Der DIFG geht deshalb davon aus, dass das Infektionsgeschehen in deutschen Fitnessstudios durch die strenge Umsetzung der Hygieneschutz- und Sicherheitskonzepte in den vergangenen Monaten eingedämmt wurde. Dies zeige, dass die Konzepte und Maßnahmen, die in Deutschlands Fitnessstudios vor dem zweiten Lockdown umgesetzt wurden, das Infektionsrisiko deutlich reduzieren und Schließungen nicht notwendig sind.
„Der DIFG ist als Vertreter der Fitnesswirtschaft – die ein Teil des Gesundheitssystems ist – in einer besonderen Verantwortung, nicht nur was den Infektionsschutz der Bevölkerung betrifft“, erläutert Ralph Scholz, 1. Vorsitzender des DIFG. „Unser Ziel ist es, im engen Schulterschluss mit der Wissenschaft und der Politik Lösungen zu entwickeln, die es Menschen ermöglichen, sich auch in Corona-Zeiten fit und damit gesund zu halten.“
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