Die Covid-19-Pandemie hat die Welt seit über einem Jahr im Griff. Bislang über 2,8 Millionen Tote, die Verschärfung sozialer Ungerechtigkeiten, brachliegende Wirtschaftszweige und Gesundheits- und Sozialsysteme am Rande der Belastungsgrenze oder darüber hinaus. Dank Impfstoffen und Tests ist ein Ende der Pandemie zwar greifbar. Doch Corona wird Spuren hinterlassen, von denen sich die Welt erholen muss. Ein langwieriger Prozess, in dem Sport eine wichtige Rolle zukommen wird. Das stellt die UN in ihrem Bericht „Recovering Better: Sport for Development and Peace“ heraus.
„Der Sport hat oft dazu beigetragen, Räume für Dialog zu schaffen, die Gleichstellung der Geschlechter voranzutreiben, Integration zu fördern und die Diskriminierung Benachteiligter zu bekämpfen“, so UN-Generalsekretär Antonio Guterres. „Er hat diese Rolle auf allen Ebenen der Gesellschaft gespielt, von den kleinsten Gemeinschaften bis hin zum globalen Dorf. Er hat Möglichkeiten geschaffen, die Gesundheit des Einzelnen und das Wohlbefinden der Gemeinschaft zu verbessern. Wir zählen weiterhin auf den Sport, um diesen Raum zu schaffen.“
ISPO.com stellt zehn Wege vor, wie Sport zur weltweiten Erholung von den Corona-Folgen und für die Erreichung der UN-Nachhaltigkeitsziele beiträgt.
Der direkteste Weg zur Erholung durch Sport beginnt bei jedem Einzelnen. So effektiv Lockdowns bei der Unterbrechung von Infektionsketten sind, kann die Bewegungseinschränkung auch kurz- und langfristige körperliche und psychische Folgen haben. Zur Regeneration und Stressabbau nach der Inaktivität sieht der UN-Bericht Sport und regelmäßige Bewegung als großen Trumpf und empfiehlt Regierungen weltweit die enge Zusammenarbeit mit der Sport-Community, um sichere Sportangebote zur Verfügung zu stellen.
Und das auch zum Wohle der Kinder, wie der Bericht hervorstellt: „Sportprogramme können auch Mittel sein, um soziale und emotionale Fähigkeiten von Kindern und Jugendlichen zu stärken, mit denen sie Stresserscheinungen durch Covid-19, Covid-19-Maßnahmen oder sozioökonomischen Auswirkungen der Pandemie entgegenwirken können.“
Zu den Nachhaltigkeitszielen (SDG) der UN gehört der weltweite Zugang zu Bildungsangeboten. In Zeiten von Home-Schooling wurden durch Covid-19 Ungleichheiten jedoch verschärft: Wer keinen oder keinen schnellen Internetzugang hat, ist im Klassengefüge plötzlich außen vor, was auch weit über die Pandemie hinaus Folgen für die betroffenen Kinder haben kann. Außenseiterrollen können so entstehen oder manifestiert werden. Das sind Dynamiken, denen der Schulsport und Sportvereine durch die Vermittlung von Werten wie Fairness, Teamgeist, Gleichheit und Respekt entgegenwirken können.
Überhaupt lohnt sich laut UN-Bericht eine Stärkung von Schulsport und Vereinen als effektive Möglichkeit für Integration und Inklusion von systematisch benachteiligten Kindern und Jugendlichen wie Flüchtlingen oder Kindern mit Behinderung.
Mit steigenden Zahlen häuslicher Gewalt bei Ausgangssperren weltweit und wachsenden wirtschaftlichen Abhängigkeiten aufgrund ungleicher Bezahlung hat Corona für viele Frauen besonders schwere Folgen. Auch die Sport-Community muss laut UN-Bericht aktiv werden, um Benachteiligungen von Frauen nach der Pandemie zu verhindern: Angesichts der Einnahmeausfälle im Profisport gilt es hier, die guten Entwicklungen vor Corona etwa mit Anpassungen von Preisgeldern auf Männerniveau und zunehmend lukrativere Werbedeals auch für Frauen im Sport nicht wieder zu verspielen.
„Sponsoren, Medien, Profi- und Spitzensportorganisationen sollten weiterhin ihre Bemühungen verstärken, um die Möglichkeiten von Frauen als Sportlerinnen, Profis und Führungskräfte im gesamten Sport-Ökosystem zu erweitern“, heißt es im UN-Bericht.
Sport kreiert Abermillionen Arbeitsplätze weltweit vom Profisport über die Sportartikelindustrie und den Einzelhandel bis hin zu Tourismusangeboten, Catering und Sportmedien. Absagen oder Verschiebungen von Sportevents wie den Olympischen Sommerspielen, der Fußball-EM oder der Leichtathletik-EM 2020 haben auch Arbeitsplätze in Mitleidenschaft gezogen. Umso mehr profitieren Gesellschaften laut UN-Bericht davon, Sportangebote und Großveranstaltungen unter sicheren Rahmenbedingungen wieder durchführen zu können.
Zur Erreichung der UN-Nachhaltigkeitsziele gehört aber auch, dass dadurch entstandene Arbeitsplätze fair sind: Sind etwa Profisportler ausreichend versichert und vor Diskriminierung geschützt? Welche Rolle spielen die Menschenrechte bei der Vergabe von Großereignissen? Welche Arbeitsbedingungen herrschen in Produktionsstätten? Hier sieht die UN handelnde Akteure der Sport-Community wie Verbände in der Pflicht.
72 Prozent der Befragten der Nielsen-Studie „Promoting Racial Equality in Sport“ sind der Meinung, dass Athletinnen und Athleten starken Einfluss auf die öffentliche Meinung haben. Eine Rolle, die der Sport angesichts der Verstärkung wirtschaftlicher und sozialer Ungleichheiten durch die Pandemie – so sind weltweit im Jahr 2020 über 71 Millionen Menschen in extreme Armut abgerutscht – umso lautstärker erfüllen sollte.
So empfiehlt der UN-Bericht Sport-Stars, sich noch klarer für Nachhaltigkeitsziele einzusetzen. Gleichzeitig sollten UN-Mitgliedsstaaten, die Bekanntheit von Sportlern im Werben für Bewegung, Gesundheit und Bildung publikumswirksam nutzen.
In Deutschland ist Fußball-Nationalspieler und FC-Bayern-Star Leon Goretzka ein Vorzeigebeispiel. Er engagiert sich gegen Rassismus und unterstützt mit seiner Stiftung „We kick Corona“ sozial Benachteiligte in der Pandemie.
Öffentlich zugängliche Sportangebote sind in der Pandemie gefragt wie nie. Die größere Beanspruchung zeigte allerdings auch Schwachpunkte einiger lokaler Sportangebote deutlicher auf: Sind sie sicher für Mädchen und Frauen oder werden diese Opfer von Belästigung, Diskriminierung oder systematischem Ausschluss an sozialer Teilhabe? Und wie zugänglich sind die Angebote für Menschen mit Behinderung?
Laut einer UN-Studie haben erste Städte bereits ihre Lehren gezogen und neue Strategien und Pläne zur Diversifizierung von Freizeitangeboten und öffentlichen Sportanlagen entwickelt. Mit den Lehren aus der Pandemiezeit könnten zukünftige Generationen von zugänglicheren und sichereren Sport- und Freizeitmöglichkeiten profitieren.
Bislang kosteten Sportgroßereignisse wie Olympische Spiele oder Fußball-Weltmeisterschaften die Gastgeberländer Milliardenbeträge. Sportstadien und Arenen mussten aus dem Boden gestampft werden und gehören zu den größten Fressern von Energie, Baumaterialien und Wasser.
Schon vor Corona hatten es westliche Staaten schwer, die eigene Bevölkerung für Olympia-Bewerbungen zu gewinnen. Angesichts belasteter Staatshaushalte und von der Pandemie betroffenen globalen Lieferketten wird der Ruf nach nachhaltigeren Veranstaltungen und Sportstätten lauter.
Das Sportevent der Zukunft setzt auf verantwortungsvollen Ressourceneinsatz statt Gigantismus. Ein Beispiel hierfür sind die European Championships Munich im Jahr 2022, die auf bestehende Infrastruktur aufbauen.
Die Covid-19-Pandemie hat die Klimakrise zwar vielerorts aus den Köpfen verdrängt. Doch nie war der Bedarf nach einem entschlossenen Entgegenwirken der globalen Erderwärmung und ihrer katastrophalen Folgen wichtiger als heute. Hier nimmt der UN-Bericht auch den Sport in die Pflicht. Schließlich sind es häufig zuerst die Athleten, die die Folgen des Klimawandels in ihrem Umfeld als erstes kennenlernen.
Das bestätigt auch ISPO-Cup-Preisträger und Trailrunner Kilian Jornet, der mit seiner Kilian Jornet Foundation für den Erhalt der Bergwelt eintritt und damit bei der UN offene Türen einrennt. Die nämlich ermutigt die globale Sportgemeinschaft, mit der Etablierung von Umweltstandards sowie der Feststellung und Reduzierung von CO2-Emmissionen mehr globale Aufmerksamkeit auf das Thema zu lenken.
Während vielerorts das öffentliche Leben durch die Covid-19-Pandemie zum Stillstand kam, wüteten Kriege und Konflikte weiter. Vor allem in ohnehin schon erodierenden Staaten verschlimmerte die Pandemie, laut UN-Bericht, Gewalt und Ausbeutung. Neben der von der UN-Vollversammlung beschlossenen Wahrung des Olympischen Friedens während der Spiele 2021 in Tokio ist der Sport hier auch anderweitig Brückenbauer zwischen Konfliktparteien.
Nach Konflikten sind es häufig Sportprogramme, die zu Peacebuilding und Versöhnung beitragen. Sport gibt mit seinem Wertekanon vor allem Jüngeren Halt und kann so ein Abgleiten in Extremismus und Gewalt verhindern.
Die ehemalige Langstreckenläuferin Tegla Loroupe nutzt gleichzeitig ihre Kontakte in die Politik und in die Wirtschaft, um Flüchtlingen und ehemaligen Kindersoldaten unter anderem in der der Tegla Loroupe Peace Foundation eine Perspektive zu bieten.
Klar: Der Sport kann und darf die UN-Nachhaltigkeitsziele nicht allein auf seinen Schultern tragen. Doch vom lokalen Verein bis zu internationalen Initiativen bietet Sport unzählige Ansätze, um zusammenzukommen, Netzwerke zu bilden und so neue Partnerschaften und Synergien aufzubauen. Sport bringt Menschen zusammen. Eine Eigenschaft, die nach Verlust, Verzicht und sozialer Isolation während der Pandemie so gefragt sein wird wie nie zuvor.
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