2002 hatte die Deutsche Triathlon-Union (DTU) noch 23.091 Mitglieder, im Jahr 2016 waren es schon 55.270. Tendenz: weiter steigend. Der Triathlon-Sport erlebt einen Boom, nicht nur in Deutschland.
Als Trainer des Langstrecken-Champions Jan Frodeno hat Dan Lorang einen besonderen Blick auf die Entwicklungen des Ausdauersports. Im Interview mit ISPO.com liefert der ehemalige DTU-Bundestrainer eine spannende Situationsbeschreibung und wagt einen Ausblick.
Triathlon-Coach Dan Lorang im Interview
ISPO.com: Herr Lorang, die Mitgliederzahl der Deutschen Triathlon-Union (DTU) hat sich binnen 15 Jahren verdoppelt. Ist Triathlon auf dem Weg zum Breitensport?
Dan Lorang: Ich würde sogar sagen: Triathlon ist bereits zum Breitensport geworden. Die Sportart boomt sowohl hinsichtlich der Mitgliederzahl im Verband als auch bei der Anzahl der Wettkämpfe.
Was macht den Reiz des Triathlons in der heutigen Zeit aus?
Triathlon besteht eben aus drei Grundsportarten, die viele Menschen praktizieren können. Was auch praktisch ist: Es gibt viele verschiedene Distanzen. Von der kurzen Sprintdistanz bis zur Langdistanz – da ist für alle etwas dabei.
Welche Trends erkennen Sie im Triathlon-Sport?
Es wird viel dafür getan, damit sich auch Hobby-Triathleten wie Profis fühlen können. Sei es durch die professionelle Organisation von Amateur-Rennen oder das Angebot von Trainingslagern und Camps für Breitensportler.
Teilweise können die Amateure sogar im selben Rennen wie die Profis starten und sich direkt mit ihnen messen. Das macht sicherlich auch nochmals einen ganz besonderen Reiz aus.
Sehr erfreulich finde ich, dass auch Para-Triathlon an Bedeutung gewinnt. Dass behinderte Sportler bei Wettbewerben mitmachen können, ist ein wichtiges Zeichen. Der deutsche Top-Paratriathlet Martin Schulz hat bei der Paralympics-Premiere von Triathlon in Rio Gold geholt.
Rad, Schwimmanzug: Auf dieses Material kommt es an
Gibt es einen Trend beim Triathlon-Material?
Es gibt selten eine Riesenrevolution beim Material, das ist eher ein schleichender Prozess. Zumal auf der Kurzstrecke das Material nicht die entscheidende Rolle spielt. Natürlich ist beim Schwimmen der Neopren-Anzug wichtig, da wird hart an die Reglementierung heran entwickelt.
Beim Radfahren sieht man jetzt fast im ganzen Feld die hohen Felgen, die sogenannten Aero-Räder. Außerdem sitzen die Athleten mittlerweile besser auf dem Rad als früher.
Und das Material auf der Langstrecke?
Auf der Langstrecke wird auch viel an der Aerodynamik gearbeitet. Viele Triathleten gehen mittlerweile in den Windkanal oder die Radbahn und suchen nach der richtigen Position auf dem Rad oder dem richtigen Helm-Setup. Das bringt nämlich wirklich etwas.
Eine Position auf dem Rad, bei der der Triathlet zwar weniger Watt treten kann, aber dafür auch weniger Windwiderstand hat, kann durchaus sinnvoll sein.
Kurzdistanz-Athleten legen beim Triathlon Fokus auf Rad-Diszipin
Welche Entwicklungen gibt es noch beim Radfahren?
Seit zwei Jahren legen wieder mehr Kurzdistanz-Athleten ihren Fokus auf die Rad-Disziplin. Radfahren galt nach dem Wegfall des Windschatten-Verbots als Alibi-Disziplin, bei der man nicht viel rausholen kann. Das hat sich jetzt stark geändert.
Und auf der Langstrecke?
Da hat sich gar nicht so viel verändert. Die Leistungen haben sich nicht wesentlich verbessert. Um auf der Ironman-Distanz gut zu sein, musst du nach wie vor viel arbeiten, also viel trainieren.
Fehlendes Wissen wurde früher durch überdimensioniertes Training versucht wettzumachen. Und wenn die Athleten das durchgehalten haben, dann waren sie auch gut. Thomas Hellriegel (sechsfacher Ironman-Sieger, Anm.d.Red.) hat sicherlich extrem viel trainiert – und dann siehst du auch die Erfolge.
Wenn Sie auf einen Triathleten vor 15 Jahren blicken und mit heute vergleichen: Was hat sich verändert?
Auch vor 15 Jahren haben die Athleten mit dem ihnen zur Verfügung stehenden Material sehr gute Leistungen gebracht. Bezüglich der Zeiten gab es sicherlich auf der Kurzdistanz die größten Fortschritte. Dort wird deutlich schneller als früher gelaufen und härter Rad gefahren.
Und es lässt sich feststellen, dass die Anzahl der Weltklasse-Athleten stark gewachsen ist. Auch das allgemeine Schwimmniveau ist deutlich gestiegen.
So hat sich der Trainingsumfang beim Triathlon geändert
Man hört oft, die Trainingsumfänge im Triathlon seien deutlich geringer geworden.
Ja, das stimmt zum Teil. Die Weltspitze trainiert im Moment ungefähr zwischen 28 und 30 Stunden pro Woche. Früher waren es oft 40 Stunden und mehr, aber Umfang steht nicht mehr im Mittelpunkt. Die Athleten haben erkannt, dass viel Training den Körper schwächt.
Der Fokus liegt jetzt mehr auf Regeneration und Ernährung. Massage, Dehnen, Ausgleichssport, Dokumentation, Reise-Organisation – Triathlon bleibt ein Fulltime-Job. Es gibt immer mal wieder Sportler, die in ihrem Beruf weiterarbeiten wollen, aber das geht nicht lange gut.
Gibt es beim Triathlon-Training neue Herangehensweisen?
Tatsächlich gibt es kulturelle Unterschiede. Die Australier haben schon immer eher intensiver trainiert, aber nicht so viel.
In Deutschland wurde eher umfangsorientierter trainiert, vielleicht hat das auch noch mit dem Einfluss der Trainingslehre der DDR zu tun. Man kann aber sicherlich übers Training sagen: Intensität macht mehr Leute kaputt als Umfang.
Jan Frodeno und Anne Haug profitieren von Trainer Dan Lorang
Sie haben Anne Haug während des gemeinsamen Sportstudiums in München kennengelernt – und aus einer talentierten Ausdauersportlerin eine der besten Triathletinnen der Welt geformt. Mit Ihrer Hilfe wurde Jan Frodeno zwei Jahre nacheinander zum Hawaii-Champion. Erklären Sie uns bitte, wie Sie das machen.
Das ist ein Prozess, das kann man sich vielleicht so vorstellen: So wie Triathleten von Jahr zu Jahr besser werden, so wächst du auch als Trainer. Ich versuche, immer auf dem neuesten Stand zu sein.
Die Wechselwirkung aus Athleten-Feedback und Leistung hilft mir, den Körper besser zu verstehen. Dazu braucht man auch den Austausch mit anderen Trainern, mit Ärzten, Psychologen, Technikern und Wissenschaftlern.
Trainingslehre ist nur die Grundlage im Triathlon
Und das alles führte zum Erfolg?
Es ist sicherlich auch großes Glück, mit den richtigen Athleten zusammenarbeiten zu dürfen. Anne und Jan sind Ausnahme-Athleten, in jeder Hinsicht. Einen durchschnittlichen Sportler kann niemand in die Weltspitze trainieren, da muss schon viel passen.
Meine Arbeit ist auch mein Hobby. Ich möchte alles wissen und verstehen. Und man lernt schnell: Theoretische Trainingslehre ist allenfalls die Grundlage für Erfolg, viel wichtiger aber sind die persönlichen Erfahrungen. Man sollte sich immer bewusst sein, dass immer ein individueller Mensch vor einem steht.
Wie viel Anteil haben Sie also am Erfolg von Jan Frodeno und Anne Haug?
Das kann man seriös nicht sagen. Trainer und Athlet gehen einen gemeinsamen Weg, im besten Fall ist eine starke Vertrauensbasis da. Die menschliche Komponente muss stimmen. Leistungssteigerung ist ein langer Weg, bei dem man Schritt für Schritt machen muss.
Wer gerne als Trainer arbeiten möchte, dem rate ich vor allem eines: einfach anfangen. Sei es mit dem Nachbarn oder der Freundin. Trainingspläne zu erstellen, das muss man in der Praxis ausprobieren.
Anmerkung der Redaktion: Das Interview wurde 2017 geführt. Lorang ist inzwischen nicht mehr Triathlon-Bundestrainer. Er ist aber danach Trainer von Haug und Frodeno geblieben und führte die beiden auch zum Triumph auf Hawaii 2019.
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