Es ist ein Problem, das die gesamte Sportbranche betrifft, vom Sockenhersteller bis zum E-Bike-Anbieter: Globale Marken und Einzelhändler müssen ihre Produkte und deren Verpackungen in allen Ländern gesetzeskonform kennzeichnen. Doch was passiert, wenn sich Verbrauchergesetze in einem dieser Länder ändern? Beispielsweise im Bereich der Produktkennzeichnung von Textilien oder bei der Verpackung?
„In allen Ländern ändern sich von Zeit zu Zeit die regulatorischen Anforderungen, insbesondere aber in Russland und in den Länder im Nahen Osten und Afrika“, hat Michael Gerrits, Product Compliance Director EMEA, Pazifik, Südostasien und Indien von Nike festgestellt. „Seit ich für Nike gearbeitet habe, hatten wir Herausforderungen auf allen Kontinenten.“ Die VF Corporation, zu der Vans, The North Face oder Timberland gehören, beurteilt die komplexe Gesetzesauslegung und die Ungültigkeit internationaler Standards in China als besonders problematisch. Die Strafen bei Nichteinhaltung der Gesetze können Industrie und Handel empfindlich treffen.
Aus diesem Grund startete der Weltverband der Sportartikelindustrie (WFSGI) vor mehr als zwei Jahren mit dem Aufbau einer internationalen Datenbank, die alle relevanten Informationen über nationale Kennzeichnungsgesetze in vielen verschiedenen Märkten weltweit bereitstellt und fortwährend aktualisiert.
Die Compliance Labelling Requirements (CLR) Datenbank berücksichtigt sechs Produktgruppen:
- Bekleidung und Textilien
- Schuhe
- Consumer Electronics
- Persönliche Schutzausrüstung
- Sport Equipment
- und Fahrräder inklusive E-Bikes.
Sie deckt 49 Länder in Afrika, Asien, Australien, Europa sowie Nord- und Südamerika ab. Mitte 2018 ging die CLR-Datenbank online.
Um die gesamte Produktpalette eines Unternehmens für alle relevanten Märkte gesetzeskonform zu kennzeichnen, bedurfte es bislang eines globalen Netzwerks von Experten. „Wir haben uns auf interne und externe Kennzeichnungsspezialisten verlassen, die jeweils über ein eigenes Netzwerk mit lokalen Behörden, Zollbehörden und anderen Spezialisten verfügen“, erklärt Dr. Frank Opdenacker, Global Responsible Sourcing Director der VF Operations EMEA.
Auch regionale Tochtergesellschaften auf der ganzen Welt, Industrieverbände, globale Prüflabore etc. gehören zu diesem gängigen Mix aus Kontakten, die in ihrer Fülle dafür sorgten, dass keines der Produkte aus der VF Gruppe oder von Nike rechtliche Probleme in einem Land bekommen haben.
Aber: „Egal wie groß und erweitert das Informationsnetzwerk eines Unternehmens sein mag, wenn man ein Global Player ist wie die VF Corporation, mit Produktionsstätten in über 50 Ländern und Verkaufsstellen in mehr als 150 Ländern, ist es praktisch unmöglich, immer und überall auf dem Laufenden zu bleiben und proaktiv zu handeln, wenn es um die Produktkennzeichnung geht“, räumt VF ein. Dass die Bekleidungs- und Schuhsparte dann auch noch sechs bis zwölf Monate Vorlauf braucht, macht die Sache nicht einfacher.
Dieses Experten-Netzwerk aufrechtzuerhalten, ist kostspielig und zeitintensiv, und zwar für jedes einzelne Unternehmen gleichermaßen. Am Anfang der Datenbank-Entwicklung stand also auch die Idee, dass die Bündelung all dieser Regularien in einem Tool allen beteiligten Unternehmen Kosten- und Zeitvorteile bringt. VF nutzt die Plattform seit August 2018, Nike seit ein paar Monaten.
Michael Gerrits: „Für uns ist es wichtig, dass wir bei bevorstehenden regulatorischen Änderungen rechtzeitig benachrichtigt werden.“ Zeit spielt für beide Unternehmen eine wichtige Rolle. Vom automatischen E-Mail-Alert bei Gesetzesänderungen bis hin zu Hinweisen auf künftige Änderungen, bietet die CLR-Datenbank schon früh Möglichkeiten, sich auf neue Gesetze einzustellen. Manchmal bekommen Unternehmen zudem die Chance, bei solchen Änderungen ihre Bedenken vorzubringen, sie können also aktiv an der Gesetzgebung mitwirken.
Doch Zeit und Geld sind nicht alles: „Es geht uns auch darum, das derzeit in unserer Lieferkette vorhandene Kennzeichnungswissen zu erhalten“, sagt Dr. Frank Opdenacker.
Verließ ein Mitarbeiter das Unternehmen oder fiel ein Kontakt des Expertennetzwerks aus, ging immer auch wertvolles Wissen verloren – zumindest entstanden Unsicherheiten. Indem das Wissen über die Datenbank überall auf der Welt abrufbar ist und kontinuierlich aktualisiert und verbessert wird, fällt dieses Problem weg und der Informationsfluss wird nicht unterbrochen.
Die Kosten zur Nutzung der CLR-Datenbank der WFSGI bemisst sich an der Unternehmensgröße. So ist sichergestellt, dass nicht nur große Unternehmen wie VF und Nike davon profitieren können. Ist die CLR also auch für kleine Unternehmen sinnvoll? „Ich halte sie für sehr vorteilhaft, da kleinere Unternehmen über weniger globale Ressourcen und KMUs verfügen, um sicherzustellen, dass sie die globalen Vorschriften für Kennzeichnung und Etikettierung erfüllen“, sagt Michael Gerrits.
Die Datenbank bietet zudem eine zentrale Anlaufstelle bei Fragen zur Auslegung der Regularien. Denn Gesetzestext und gängige Auslegungspraxis sind am Ende keineswegs immer deckungsgleich.
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