ISPO.com: Caro, wie stehst du als Alpinistin, zum Thema Nachhaltigkeit und deinen Expeditionen in ferne Länder?
Caro North: Mittlerweile hinterfrage ich es immer mehr, Expeditionen an Orten zu machen, zu denen man lange mit dem Flugzeug reist. Deshalb versuche ich nach Alternativen zu suchen. Letztes Jahr war ich zum Beispiel einen Monat lang mit dem Fahrrad samt Anhänger zum Klettern unterwegs. Dabei haben wir die Schweiz von Ost nach West durchquert.
Und deshalb schipperst du zur nächsten Expedition mit dem Segelboot?
Ja. Wir haben für das nächste Jahr eine Expedition nach Grönland geplant, zu der wir von Frankreich aus mit dem Segelboot anreisen. Es ist nicht leicht, sich für solche Projekte die notwendige Zeit zu nehmen, denn der Aufwand für die An- und Abreise ist durch das Segeln ungleich größer als bei Flugreisen.
Das müssen wir alle noch lernen, denn ich habe das Gefühl, dass es manchen nur darum geht, möglichst viele Ziele in kurzer Zeit abzuhaken. Schnell zum Berg, dort eine Route Klettern oder eine bestimmte Line fahren, und dann wieder schnell zurück, um das nächste Projekt anzugehen. Wenn man Nachhaltigkeit ernst nimmt, passt das nicht zusammen.
Wie lange wirst du für die Grönland-Expedition unterwegs sein?
Man muss sich für solche Projekte die nötige Zeit nehmen und auf das Abenteuer einlassen. Deshalb haben wir für diesen Trip drei Monate angesetzt, wobei wir davon acht Wochen alleine fürs Segeln eingeplant haben. Eine solche Expedition ist ein sehr intensives Erlebnis.
Ich weiß, dass ich bei meinen Reisen im Sinne der Nachhaltigkeit auch nicht perfekt bin. Da kann ich noch vieles verbessern. Aber ich versuche zumindest meinen Impact so gering wie möglich zu halten.
Wie spiegelt sich das Thema Nachhaltigkeit in deinem Alltag wider?
Nachhaltigkeit ist für mich ein sehr wichtiges Thema, nicht nur weil ich Umweltwissenschaften studiert habe. Ich bin durch meinen Beruf in einer Umgebung unterwegs, in der ich die Einflüsse und Veränderungen des Klimawandels unmittelbar mitbekomme. Zum Beispiel wie sich Jahr für Jahr die Gletscher verändern. Das gibt mir kein gutes Gefühl, denn die Berge sind die Grundlage für das, was ich tue. Wir alle müssen uns hinterfragen, bereit sein zu handeln und unser Verhalten zu ändern. Das ist eine große Herausforderung, der wir uns alle stellen müssen.
Wie wichtig ist es für dich in diesem Zusammenhang eine klare Haltung zu zeigen, wie es die Bewegung „Fridays for Future“ vorgemacht hat?
Sehr wichtig. In der Schweiz war das Movement zwar zunächst nicht so präsent wie in anderen Ländern. Aber ich finde es wichtig, dass sich die junge Generation engagiert, denn es geht um ihre Zukunft. Ich war früher auch auf Demos. Dabei ging es vor allem um Umweltschutz. In Lausanne, wo ich damals studiert habe, gab es regelmäßig größere Gipfeltreffen der Industrie. Die waren häufig der Anlass für solche Demonstrationen.
Du engagierst dich ja nach wie vor für den Umweltschutz und bist Ambassadeur der NGO „Protect our Winters“ (POW). Was ist hier deine Rolle?
Als Ambassadeur für POW möchte ich auf den Klimawandel und seine Folgen aufmerksam machen. Dazu unterstützen wir zum Beispiel politische Kampagnen wie Volksabstimmungen zu nachhaltigen Themen. Oder wir promoten die Angebote zur Anreise in die Skigebiete mit dem Zug. Als Profisportlerin kann ich so helfen die Themen noch breiter zu kommunizieren.
Was ich allerdings extrem schade finde ist, dass es viele Leute gibt, die uns Sportlern vorwerfen, dass wir ja selbst nicht alles richtig machen. Hier sollte man die Perspektive umdrehen, positiv denken und die Dinge sehen, die man schon im Sinne der Nachhaltigkeit verändert hat. Gerade in den sozialen Medien wird schnell mit dem Finger auf jemanden gezeigt, nur das Negative herausgestellt, anstatt zu sagen: Gemeinsam versuchen wir jeder für sich einen Schritt weiter zu gehen.
Du engagierst dich zudem bei sozialen Projekten wie „Girls on Ice“. Was hat es damit auf sich?
Bei „Girls on Ice“ möchten wir junge Frauen fürs Bergsteigen und naturwissenschaftliche Themen begeistern. Beide Bereiche sind sehr von Männern dominiert und das wollen wir ändern. Dazu zelten wir mit rein weiblichen Gruppen zehn Tage an einem abgelegenen Ort an einem Gletscher. In der Zeit beschäftigen wir uns mit dem Gletscher, seinen Veränderungen durch den Klimawandel und gehen mit den Mädels zum Bergsteigen. Es ist toll zu sehen, wie man mit diesen Erlebnissen junge Frauen, die zum Teil das erste Mal in ihrem Leben in den Bergen sind, inspirieren kann.
Wie ist das Feedback der Teilnehmerinnen?
Das ist extrem positiv. Sie erleben die Berge sehr unmittelbar. Wie in einem Basislager haben wir kein fließendes Wasser und keine Toilette. Ich finde es wichtig, dass junge Leute solche Erfahrungen in der Natur selbst machen, und nicht nur in den Städten bleiben und dort ihre Freizeit verbringen.
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Du führst aber nicht nur junge Frauen in die Berge, sondern bist ja auch generell viel mit Gruppen unterwegs?
Ja, im Winter sowohl beim Freeriden als auch auf Skitour. Im Mai mache ich mich dann auf in den Süden, um viel zu klettern und hier wieder fit zu werden. Und im Sommer bin ich wieder als Bergführerin mit Gästen unterwegs. Ich führe sie auf hochalpinen Touren auf die verschiedenen Viertausender. Wenn ich nicht arbeite, bin ich auf langen, anspruchsvollen Kletterrouten unterwegs. Im Herbst nehme ich mir dann zwei bis drei Monate frei. Das ist zudem eine gute Zeit, um zum Beispiel im Himalaja auf Expedition zu gehen oder einfach eigene Projekte in den Alpen zu machen.
Auf der aktuellen European Outdoor Film Tour (E.O.F.T) läuft dein Film „I am North“. Worum gehts in dem Film?
„I am North“ ist ein Porträt, für das mich ein Filmteam im Alltag und bei meinen verschiedenen Aktivitäten wie Klettern, Freeriden und Gleitschirmfliegen begleitet hat. Da das Kamerateam sehr nah an mir drangeblieben ist, bekommt der Zuschauer einen authentischen Eindruck von meiner Persönlichkeit. Mir war wichtig, dass keine Szenen für den Film gestellt werden, wie es häufig bei solchen Porträts üblich ist. Es sollte auch kein „Hero-Film“ entstehen, denn das bin ich nicht. Ich wollte, dass meine Einstellung zum Bergsteigen deutlich wird. Bergsteigen ist für mich ein Miteinander mit dem Berg und nicht ein Besiegen oder Bezwingen des Bergs. Deshalb geht es im Film nicht um meine Expeditionen und Erfolge, sondern um mich als Persönlichkeit.
Man erfährt zudem, dass der Sport für dich sehr wichtig ist…
Ja, im Speziellen der Bergsport, er ist mein Leben. Er macht mich glücklich und ich würde so weit gehen zu behaupten, dass er meine Droge ist. Ohne den Sport habe ich Entzugserscheinungen. Ich bin ein Mensch, der sich von Natur aus sehr gerne bewegt, der nicht stillsitzen kann, und es nicht lange in geschlossenen Räumen aushält. Ich brauche das Gefühl raus zu gehen, die Berge zu erleben – egal ob beim Klettern im Sommer oder beim Freeriden im Winter – das Glücksgefühl ist mega!
Kannst du diese positive Energie, die der Sport bei dir freisetzt, an andere weitergeben?
Mein Bewegungsdrang ist wie ein inneres Feuer, das ich sehr intensiv spüre, und an dem ich mich vielleicht manchmal verbrenne. Ich glaube, dass ich schon die Fähigkeit habe, diese Begeisterung für den Sport an andere weiterzugeben, wie ich es ja bei der Arbeit für „Girls on Ice“ oder bei den Jugendcamps von La Cordée mache. In Zukunft kann ich mir außerdem gut vorstellen, auch körperlich eingeschränkte Menschen fürs Klettern oder Skifahren zu begeistern. Oder mich bei sozialen Projekten, die den Sport als Mittel nutzen bei den Leuten etwas Positives zu bewirken, mehr zu engagieren.
Tipp: Wer den Film mit Caro North sehen will, hat dazu bei einem der vielen Screenings der European Outdoor Film Tour 2021 die Möglichkeit. Derzeit finden die meisten Veranstaltungen statt – beim Ticketkauf gibt es aktuelle Infos zu den jeweils geltenden Corona-Regeln. Mehr über Caro North und alle Termine der E.O.F.T. findest du hier.
Und hier geht’s zum Interview mit Filmemacher und Snowboarder Elias Elhardt, der ebenfalls bei der European Outdoor Film Tour 2021 dabei ist.
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