Seit Sommer 2019 kooperiert Bergans of Norway mit dem finnischen Start-up Spinnova. Eine Partnerschaft auf Augenhöhe mit dem großen Ziel, die Textilwirtschaft zu verändern:
Weg vom normalen Recyclingmaterial, hin zur realen Kreislaufwirtschaft. „Collection of Tomorrow“ lautet die Zauberformel: Das Material ist Bio und der Endverbraucher wird zum Materialeigentümer mit Nutzungsrechten. Ein Gespräch mit Christoph Centmayer, Sustainability Manager bei Bergans of Norway, über Cellulose, die Collection of Tomorrow und wie sich die Textilindustrie in den kommenden zehn Jahren verändern wird.
ISPO.com: Mit dem Rucksack future.labs.05 ist wenige Monate nach dem Beginn der Zusammenarbeit von Bergans und Spinnova schon das erste Produkt mit einem Sustainability Achievement Award auf der ISPO Munich ausgezeichnet worden …
Christoph Centmayer: Stimmt, das ist wirklich noch ganz frisch und es ging alles superschnell. Im Frühjahr 2019 kam überhaupt erst der Kontakt mit Spinnova zustande. Als hier klar war, dass es gut aussieht, was eine Kooperation betrifft, sind unsere beiden Futurelabs-Visionäre gemeinsam mit unserem CEO recht schnell nach Finnland geflogen. Gleich danach gab es bei uns nochmal ein internes Treffen in größerer Runde, wo beschlossen wurde: Da machen wir weiter!
Wenn man sich überlegt, dass die Leadtimes in der Textilindustrie normalerweise zwei Jahre und länger sind, ist es krass, dass wir jetzt den Rucksack hier stehen haben. Natürlich ist das eine Mini-Auflage mit 20 Stück, aber es geht darum, zu zeigen: Es ist machbar!
Und damit ist der erste Rucksack aus Holz geboren …
Ja. In dieser ersten Version besteht der Rucksack nicht zu 100 Prozent aus reiner Spinnova-Faser, so weit sind wir noch nicht. Aber das ist gerade bei einem Rucksack auch sehr schwierig, weil hier bei einem klassischen Modell zig unterschiedliche Materialien wie Metalle, Foams etc. verarbeitet werden. In unserem Modell wurden der Spinnova-Faser etwas Biobaumwolle und gewöhnliche Cellulose-Fasern beigemischt, auch der Nähfaden ist aus Baumwolle, das Padding teils aus Wolle.
Dies sind aber alles Naturprodukte, um den Rucksack recyclingfähig zu machen, damit wir die Rohstoffe wieder dem Kreislauf zuführen können. Die Rucksackschnallen sind entsprechend aus Holz, damit wir auch hier dem Konzept voll umfänglich gerecht werden. Vielleicht ganz witzig an der Stelle: die Holzschnallen hat Johannes selbst in seiner Werkstatt zu Hause gedreht, weil er ein absoluter Tüftler und Perfektionist ist und es für ihn ein absolutes No-go darstellte, hier eine normale Plastikschnalle zu montieren.
Und wo kann man diesen Rucksack, der ja eine echte „Limited Edition“ darstellt, kaufen?
Gar nicht. Für diesen Rucksack musste man sich auf unserer Homepage bewerben. Den Rucksack selbst haben wir ganz bewusst am Black Friday im November zusammen mit Spinnova in Oslo vorgestellt. Daraufhin sind weltweite Bewerbungen bei uns online eingegangen.
Das Thema kommt offensichtlich an. Gibt es sonst noch etwas außergewöhnliches im Zusammenhang mit dem Rucksack-Erwerb?
Ja, gibt es. Denn wir hätten ja grundsätzlich beschließen können, den Rucksack einfach zum Preis X zu verkaufen. Aber das fanden wir an der Stelle schlichtweg unpassend. Außerdem wollten wir auf das Potenzial dieser Faser aufmerksam machen, und dass sie kreislauffähig ist. Und aufgrund dessen haben wir uns überlegt, wir verkaufen Anteile am Material. Sprich, alle Bewerber, die einen der 20 Rucksäcke bekommen, zahlen 150 Euro oder 1.500 Norwegische Kronen und dafür kriegen Sie einen Materialanteil, in diesem Fall in Form eines Rucksacks.
Interessant dabei ist auch: Die Bewerber haben einen Vertrag unterschrieben, der sie verpflichtet, den Rucksack wieder an uns zurückzugeben. Sprich, sie haben Materialanteile gekauft und können den Rucksack leihweise nutzen. Denn wir wollen weiter forschen, wollen so viele Informationen bekommen, wie sich das Material im Gebrauch verhält, um die Fasern weiterentwickeln zu können und vor allem, um sie zu recyceln und in neuen Produkte weiterverarbeiten zu können.
Das heißt vereinfacht dargestellt: Ich bin Mikro-Eigentümer von Spinnova-Material?
Genau, so kann man sich das vorstellen. Ich erwerbe über den Kaufpreis ein Stück Material, das zu einem Produkt verarbeitet wurde. Das bekomme ich leihweise zur Verfügung und schicke es dann wieder zurück, um meine Stoffanteile in anderer Form beispielsweise als Jacke wieder zum leihweisen Gebrauch zur Verfügung gestellt bekomme.
Ist Kreislaufwirtschaft die Zukunft?
Aus unserer Sicht, ja! Bisher lag der Sustainability-Ansatz doch darin, möglichst nachhaltige Materialien zu verwenden, aber dennoch immer mehr von dem Neuen zu verkaufen. Wir von Bergans sind seit einigen Jahren sehr darauf fokussiert, den Kreislaufgedanken zu fördern und nicht mehr nur klassisch Produkte zu verkaufen und den Rest dem Kunden zu überlassen. Das gehört der Geschichte an. Letztlich muss sich das ganze Konsumverhalten ändern.
Inwiefern?
Wir müssten mehr den Nutzen verkaufen, sprich mehr über Verleihsysteme arbeiten bzw. After-Sales-Services anbieten. Oder nehmen wir unsere Re-Design-Kollektion oder die Produktrücknahme. Das alles gibt es bei uns zwar schon auf kleinerem Level, es soll aber in Zukunft noch stärker in den Vordergrund rücken. Wir arbeiten bei uns in der Firma sehr stark daran, auch unser Geschäftsmodell anzupassen und umzustellen. Denn wir müssen uns an neue Konsumgewohnheiten anpassen und vorbereitet sein. Wir können als Firma nicht darauf vertrauen, dass der Konsument immer weiter Produkte kaufen geht und wir allein deswegen weiter existieren.
Ist das Thema tatsächlich auch schon beim Endverbraucher angekommen?
Ja, schon. Aber insgesamt ist diese Umstellung eine Mammutaufgabe für uns alle: Hersteller, Händler, Endverbraucher. Nehmen wir doch nur mal die Buchhaltung oder das Finanzwesen eines Herstellers: Hier ist der Gedanke des reinen Verkaufens tief verankert. Eine Umstellung zu anderen Konsummodellen wird hier ein langer Prozess sein, der allerdings erforderlich wird.
Und zu den Verbrauchern: Viele sind schon offen für neue Ansätze wie Leihsysteme. Aber gerade bei Bekleidung ist dazu ein längerfristiger Einstellungswandel nötig. In vielen Bereichen ist Rental schon wesentlich stärker vorangeschritten, was man an anderen Branchen ja sehr gut ablesen kann. Zum Beispiel die Musikindustrie: Keiner kauft mehr CDs, sondern man mietet sich Musik online und bezahlt für den Nutzen, also das Musikhören, eine monatliche Gebühr. Wer weiß, vielleicht wird es so eine Disruption irgendwann auch in der Textilindustrie geben? Hier muss man als Hersteller vorbereitet sein …
Wie kam es zur Kooperation Bergans of Norway mit Spinnova und was macht das finnische Unternehmen für Bergans of Norway so interessant?
Spinnova ist ein sehr technologielastiges Start-up aus Finnland, mit viel Know-how aus der Holzindustrie, die in Finnland allgegenwärtig ist. Für ihre Entwicklungen lassen sie sich von der Natur inspirieren, beispielsweise davon, wie Spinnen ihre Fäden produzieren. Aus diesem Prozess ist die Idee entstanden, aus Holzmasse eine natürliche Textilfaser zu spinnen.
Interessant. Wo genau liegt der Unterschied zu anderen innovativen Herstellungsverfahren?
Dass es sich hier um einen rein mechanischen Vorgang handelt, sodass keine für die Umwelt schädlichen Chemikalien dafür eingesetzt werden müssen. Außerdem passiert die Herstellung in einem geschlossenen Kreislauf, so wird beispielsweise das für die Produktion notwendige Wasser weiterverwendet.
Gibt es weitere Vorteile?
Ja, absolut. Diese Textilfaser kann theoretisch unendlich recycelt werden, ohne dass sie viele ihrer Eigenschaften verliert. Das ist der ganz große Unterschied im Gegensatz zu Wolle und Baumwolle, die jetzt schon recycelt wird. Aber dort leiden die Fasern beim Prozess der Wiederaufbereitung und sie verlieren ihre positiven Eigenschaften.
Mit einem Spinnovafaden können die Rohstoffe zurückgewonnen werden, um daraus etwas anderes herstellen zu können. Vielleicht machen wir aus dem Rucksack im nächsten Herstellungsverfahren eine Jacke, wer weiß …
Wo wird sich die Textilbranche in den kommenden zehn Jahren hinbewegen?
Schwer zu sagen, aber wir wollen uns mit Bergans schon mal auf den Weg machen … Weniger Produkt-Konsum, mehr Kreislaufwirtschaft. Die Geschäftsmodelle müssen global umgestellt werden. In Zukunft müssen sich die Hersteller verstärkt um Re-Design, Aftercare-Lösungen, sprich Reparaturangebote und auch Kundenaufklärung kümmern.
Der Verkauf von Produkten wird nicht mehr das einzige Ziel werden. Aus meiner Sicht sind das alles Themenbereiche, die zu einer besseren Kundenbindung beitragen können, auch über den Handel. In Zeiten wo sich der stationäre Handel neu aufstellen muss, um gegen große Online-Anbieter bestehen zu können, muss das Thema Service noch größer geschrieben werden. Die Veränderungen spielen hier eine große Rolle und können positive Effekte erzielen.
- Awards
- Bergsport
- Bike
- Fitness
- Health
- ISPO Beijing
- ISPO Munich
- ISPO Shanghai
- Running
- Brands
- Nachhaltigkeit
- Olympia
- Outdoor
- Promotion
- Sportbusiness
- Textrends
- Triathlon
- Wassersport
- Wintersport
- eSports
- SportsTech
- OutDoor by ISPO
- Heroes
- Sport Fashion
- Urban Culture
- Challenges of a CEO
- Messen
- Sports
- Find the Balance
- Produktreviews
- Magazin