Seit rund 15 Jahren ist Benedikt Böhm bereits bei Dynafit und leitet die Marke als Geschäftsführer. Der 40-Jährige war Mitglied der deutschen Nationalmannschaft Skibergsteigen und kommt auch in einer gewöhnlichen Geschäftswoche noch auf 5000 bis 10.000 Höhenmeter Trainingsumfang – zu Fuß oder mit den Tourenskiern.
Dynafit hat „seinerzeit das Skibergsteigen aus dem Dornröschenschlaf geholt“, sagt Böhm im Interview mit ISPO.com. Inzwischen hat er mit seiner Marke den Bergausdauersportler im Sommer im Visier und kann sich sogar den Einstieg ins Mountainbike-Geschäft vorstellen.
ISPO.com: Bei Dynafit liegt der Umsatz für Produkte außerhalb des Skitouren-Segments bei 15 Prozent, dieser soll auf 40 Prozent steigen, wie wollen Sie das machen?
Benedikt Böhm: Ich glaube, was im Sommer insgesamt das neue sexy Thema wird, ist die Frage, was ist möglich im Gelände? Früher ging es darum, einen Marathon zu laufen, dann kamen die ersten ,Ironmänner' und Triathlons um die Ecke. Und jetzt habe ich das Gefühl, dass die Themen ,Gelände entdecken', Abenteuer und Ultradistanzen in den Mittelpunkt rücken.
Es ist einfach was anderes, wenn du bei einem Marathon über Gletscher läufst und nicht durch die Stadt. Deshalb haben wir uns in unserer Sommerkollektion auf zwei Themen spezialisiert: Das eine ist Alpine Running. Athletic Mountaineering ist das Zweite. Hier wollen wir mehr möglich machen, so dass beispielsweise eine Transalp – auch auf Grund der effizienten Produkte – in drei, statt in sieben Tagen möglich ist.
Glauben Sie wirklich, dass der Markt dafür da ist?
Das Skitourenthema haben wir seinerzeit auch aus dem Dornröschenschlaf geholt. Das war wirklich keine Trendsportart. Auch auf Grund dessen, weil sich die Sportart schlecht verkauft hat, nicht nur marketingtechnisch, sondern auch mit Blick auf die Produkte. Das heißt, die Produkte waren unheimlich schwer und zu kompliziert.
Es ging darum, Dinge leichter zu machen. Nicht nur im Hinblick auf das Gewicht, sondern Produkte auch leichter verständlich und intuitiver zu gestalten. Skitourendesign war so altbacken, dass Skitourengeher oft als die Loser-Typen im Skizirkus wahrgenommen wurden, die sich keinen Skipass leisten können. Das hat sich ja zum Glück gewandelt.
Egal, ob im Sommer oder im Winter, das Selbstverständnis des Bergsports verändert sich. Wie nehmen Sie das war?
Wir spüren, dass das Athletische in den Bergsport kommt. Es gilt hier zu trennen, wer aus welcher Richtung zum Bergsport gekommen ist: Es gibt den klassischen Bergsteiger und dann gibt es die athletischen Ausdauersportler.
Für diese Leute sind die Produkte interessant, die sie schneller und leichter machen und ihre Performance steigern. Zentral sind nicht unbedingt die alpine Herausforderung und die schwierigste Route, sondern Strecke und Höhenmeter in möglichst kurzer Zeit verbunden mit einem echten Abenteuer, aber ohne Angst und Nahtod-Erfahrung.
Welche Ziele ergeben sich für Sie als Unternehmen daraus?
Wir haben eine Strategie mit drei Säulen für 2025 aufgebaut:
- Leadership im Skitourenbereich verteidigen: Hier investieren wir weiterhin volle Kraft in Innovationen und da wissen wir auch, dass der Markt nicht mehr so stark wachsen wird wie die vergangenen Jahre.
- ,Non-Skitouring': Hier geht es um alles, was keine Skitourenprodukte sind. Das Thema Running und früher oder später wird auch das Thema Bike eine Rolle für uns spielen. Da steht der ,Mountain Endurance Athlete' im Mittelpunkt. Den Biker haben wir da bisher immer ausgeblendet. Die Nachfrage unserer Konsumenten und Händler ist da. Die Leute machen nicht nur eine Sportart, sondern sie kombinieren und bei unserem Core User gehört das Mountainbike dazu.
- Digitale Transformation, mit allem was dazugehört: Dazu gehört beispielsweise die direkte Ansprache des Kunden. Dieser direkte Kontakt zum Konsumenten hat große Vorteile: Denn wir können durch das Feedback des Kunden viel schneller entwickeln.
Und wie nehmen Sie den Handel mit?
Auf ganz verschiedene Art und Weise: Unsere Lageranbindung ist so ein Beispiel. Unter anderem verlinken wir direkt zum Handel. Aber wir arbeiten da gerade an noch viel spannenderen Geschichten: Wir wollen dem Endkunden zusammen mit dem Handel die ständige Verfügbarkeit der Produkte garantieren. Das Ziel der nächsten Jahre ist, das wir uns mit unseren Händlern auf unserer Website vernetzen und so einen globalen Marketplace schaffen.
Würden Sie dann sagen, dass dieses Zusammenspiel von Herstellern und Händlern die größte Herausforderung für die kommenden Jahre in der Bergsportbranche ist?
Viel größere Sorgen bereitet mir die Herausforderung, den Konsumenten bei der Stange zu halten. Heute sterben weltweit 3-mal so viele Menschen an den Folgen von Fettleibigkeit wie an den Folgen von Hunger.
Nicht einmal ein Drittel aller Kinder in Deutschland bewegt sich eine Stunde oder mehr. Das macht mir echt Angst. Da stehen wir als Marken nicht in Konkurrenz zueinander, sondern in direkter Konkurrenz zu Tablet, Smartphone, Playstation und Co.
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