Am letzten Tag der ISPO Munich Online brachte Kim Scholze von der Messe München drei Menschen an einen virtuellen Tisch, die einen scheinbaren Widerspruch diskutierten: die Frage, warum Bewegung die Nachhaltigkeit fördert.
Ist es wirklich gut für das Klima und die Umwelt, wenn immer mehr Menschen Gipfel erklimmen, auf Gletschern wandern und Pisten bevölkern? Wer aus München an einem schönen Sommersonntag zum Wandern ins Alpenvorland fährt und schon auf dem Weg dorthin im Stau steht, wird sagen: nein. Trailrunner Kilian Jornet, Fjällrävens Nachhaltigkeitschefin Christiane Dolva Törnberg und Margo de Lange von der Non-Profit-Organisation „It’s great out there“ finden: ja.
„Aus meiner Athletenperspektive kann ich sagen, dass die Natur unser Spielplatz ist“, sagt der katalanische Trailrunner Kilian Jornet. „Es muss für uns Priorität haben, diese Natur zu schützen, denn damit beschützen wir auch uns und unseren Sport.“ Es sei großartig, dass sich „in den vergangenen drei bis fünf Jahren immer mehr Menschen und Sportmarken mit dem Thema beschäftigen, denn das macht den Wechsel zu mehr Nachhaltigkeit einfacher“. Spitzensportler, so Jornet, sollten ihre Vorbildfunktion nutzen, um der Sache Gehör zu verschaffen und jene Marken, die sie sponsern, auf die Dringlichkeit des Klimaschutzes hinweisen.
Bei Fjällräven, berichtet Nachhaltigkeitschefin Törnberg aus dem Stockholmer Schnee, bedeute Nachhaltigkeit nicht nur, die Materialwahl zu überdenken und die Produktionsprozesse zu optimieren. „Die Leute zu inspirieren nach draußen zu gehen, ist ein sehr wichtiger Teil unseres Nachhaltigkeitskonzepts. Frische Luft atmen, auf dem Gipfel eines Berges stehen – je mehr Leute das genießen, desto mehr Leute wollen das beschützen.“
Schadet es der Natur nicht, wenn immer mehr Menschen nach draußen stürmen? „Schon“, sagt Törnberg, „deshalb müssen wir eine Balance finden – und umso besser auf sie achtgeben, je mehr Menschen in der Natur sind.“ Fjällräven organisiere Events, „die Menschen nach draußen bringen und wieder mit der Natur verbinden“, berichtet die Nachhaltkeitsexpertin aus Schweden und erklärt die Idee dahinter: „Wenn man ein bestimmtes Verhalten erreichen möchte, dann müssen Menschen verstehen, warum sie etwas tun oder lassen sollen. Warum darf man kein Feuer auf dem Felsen machen? Warum sollte man sich von nistenden Vögeln fernhalten? Was macht man unterwegs mit dem Müll? Wo übernachtet man am besten im Zelt und wo nicht? All das erklären wir den Leuten, damit sie sich in Zukunft in der Natur rücksichtsvoller verhalten. Denn für manche mögen diese Dinge klar sein – für viele sind sie es aber nicht.“
Geht raus, aber macht es richtig und hinterlasst keine Spuren – das möchte Fjällräven den Menschen vermitteln. Oder, wie Törnberg es ausdrückt: „Man kann jedes Basislager besser hinterlassen als man es vorgefunden hat. Das sollten die Leute, die gern Outdoorsport machen, lernen.“
„It’s great out there”, die Non-Profit-Organisation von Europas führenden Outdoormarken, hat sich ebenfalls zum Ziel gesetzt, Menschen zu Aktivitäten in der Natur zu ermutigen. Margo de Lange, Policy Officer der Organisation, erklärt, warum das der Nachhaltigkeit nicht im Wege stehen muss: „Wenn wir die Menschen zum Draußen-Sein animieren und ihnen den Zugang zum Sport erleichtern, dann sind wir uns unserer Verantwortung dafür bewusst, dass die Leute sich in der Natur richtig verhalten.“
Bedenken wegen Überfüllung hat de Lange nicht: „Wenn man ehrlich ist, dann gibt es gar nicht so viele Menschen, die wirklich aktiv sind. Es gibt immer noch viel zu viele, die gar keinen Sport machen. Und die Aktivität, von der wir sprechen, findet oft gar nicht in völliger Wildnis statt.“ De Lange sieht in Outdoor-Aktivitäten eher eine Chance als ein Risiko für den Naturschutz: „weil Draußensein das Umweltbewusstsein weckt.“ Wichtig sei allerdings, egal, ob Sportbegeisterte allein oder in Gruppen unterwegs seien, die Natur so wieder zu verlassen, wie man sie vorgefunden hätte – oder noch besser.
Profiathlet Kilian Jornet, der sich mit seiner Stiftung für den Naturschutz einsetzt, sieht auch die Veranstalter von Outdoor-Wettkämpfen wie Trailläufen in der Verantwortung: „Gebt den Teilnehmern nicht so viele Werbegeschenke mit. Das meiste davon landet kurze Zeit später im Müll.“ Wer Outdoor-Events organisiere, sollte stattdessen die Gelegenheit nutzen, den Teilnehmern die Besonderheiten der Landschaft zu erklären: „Sensibilisiert sie für die Schönheit der Natur in eurer Gegend, zeigt ihnen die Pflanzen, die dort wachsen, und die Tiere, die dort leben. Dann werden sie besser darauf achtgeben.“
An die Sportler hat Jornet eine Bitte: „Überlegt euch, ob es wirklich notwendig ist, an exotischen Orte in weiter Ferne Rennen zu bestreiten. Gibt es vielleicht spannende Alternativen vor der Haustür, für die ihr nicht weit reisen muss?“
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