Just do it – leichter gesagt als getan. Jeder kennt ihn, den lästigen inneren Schweinehund, den es immer wieder zu überwinden gilt. So ein Claim allein motiviert da meist wenig, eine Gruppe ist viel wirkungsvoller. Das Stichwort lautet extrinsische Motivation und bedeutet in der Sportpsychologie den Ansporn von Außen. Dieser ist durch soziale Netzwerke in den letzten Jahren explodiert.
„Die Bedeutung von Bewegung und Sport hat in den letzten beiden Jahren enorm zugenommen“ (Original: „We’ve seen a tremendous shift in the importance of movement and sport in people’s lives“), sagt Michael Horvath, CEO und Mitgründer der Tracking-App Strava. Im Mai 2022 gab das Unternehmen die Rekordzahl von 100 Millionen registrierten Mitgliedern bekannt. Auf der ganzen Welt wird die App genutzt, um die eigene Fitness-Leistung aufzuzeichnen und mit der Community zu teilen – auf Strava selbst, aber auch in anderen sozialen Netzwerken. Von der morgendlichen Jogging-Strecke bis zur Iron-Man-Vorbereitung kann die Technologie jedes Lauf- und Fahrrad-Training aufzeichnen und Sportroutinen sichtbar machen. Und natürlich auch Erfolge – für die Athlet*innen selbst, aber eben auch für viele andere.
Nicht nur Strava ist wahnsinnig gewachsen. Auch andere digitale Sport-Communitites sind beliebt: Radfahrer*innen teilen Leistungen und Touren auf Plattformen wie Komoot, auf Instagram oder TikTok gehen Fitness-Challenges viral und im Metaverse ist man bestens auf virtuellen Gruppensport vorbereitet. Auch bei ISPO wird Community groß geschrieben. So bringt der ISPO Collaborators Club Sportbegeisterte und Marken zusammen, um gemeinsam die Zukunft des Sports zu formen. Womit lässt sich dieser Hype erklären? Ist es der Wunsch nach einem (digitalen) Kräftemessen, einem gewinnorientierten Vergleich? Nein, wer in diese Sport-Communities eintaucht, merkt schnell, dass es um etwas ganz anderes geht. Hier ist geteiltes Leid halbes Leid und Erfolge feiern sich noch schöner gemeinsam. Das motiviert!
Natürlich hat auch die Pandemie gehörig zum Boom dieser Entwicklung beigetragen. Auch wenn es schon fast langweilig wird, sie als Wachstumsfaktor anzubringen – ignorieren lässt er sich nicht. Die immer wiederkehrende Einschätzung von Branchenexpert*innen, die Pandemie sei ein Katalysator für die großen Megatrends der Sportbranche gewesen, die sich schon vorher angedeutet haben, scheint auch in diesem Fall bestätigt. Denn der Leistungsgedanke, die Werteverschiebung zur Performance in allen Lebensbereichen, war schon vor Corona da. Und soziale Netzwerke auch. Mit dem Unterschied, dass an die Stelle des Konkurrenzgedankens ein neues Zusammengehörigkeitsgefühl gerückt ist. Eine motivierende Verbundenheit.
Wie sehr diese Entwicklung Sports-Tech-Unternehmen zu Gute kommt, ist offensichtlich. Aber wie steht es um die eigene Leistung? Lässt sie sich durch die aktive Beteiligung in Sport-Communities steigern? Die Antwort lautet: Ja! In zahlreichen Studien wurde dieses Phänomen untersucht und mit dem sogenannten Köhler-Effekt erklärt. Er beschreibt einen Motivationsgewinn, der im gemeinsamen Training, bzw. dem Austausch entsteht.
Jeder kennt das: Im voll besetzten Spinning-Kurs strengt man sich deutlich mehr an, als beim einsamen Workout zu Hause – die Leistung der anderen spornt einfach an. Dieses Phänomen wirkt aber nicht nur bei körperlicher Anwesenheit in Gruppen. Scheinbar löst das Zugehörigkeitsgefühl zu einer digitalen Community einen ähnlichen Effekt aus. Interessant dabei ist, dass auch sehr starke Team-Mitglieder durch das Gefühl der Gruppenzugehörigkeit ihre Leistung verbessern.
Ein faszinierendes Phänomen, das auch die Marketingchefin von Peloton, Anke Drewike, beobachtet. Im Interview mit ISPO-Autorin Eva Doll spricht sie über die extrem unterstützende Member-Community, die sich beispielsweise während der Cycling-Kurse digitale High-Fives schickt, um sich gegenseitig zu motivieren – auf dem Screen neben der Echtzeitperformance und den Ranglisten für alle sichtbar. Und dieser Support geht nach, bzw. vor den Kursen weiter: In den sozialen Netzwerken verabreden sich Peloton-Mitglieder auf der ganzen Welt zu virtuellen Gruppen-Rides. „Sie geben sich Tipps, motivieren oder beraten Unentschlossene. Da ist ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl durch das gemeinsame, virtuelle Trainieren. Die Community ist sehr aufgeschlossen und freundlich“, berichtet Drewike und spricht den User*innen einen großen Anteil am Erfolg der Marke zu.
Der Mensch ist und bleibt ein soziales Wesen. Wenn uns die letzten Jahre eines gelehrt haben, dann wie wichtig Interaktion, Austausch und Zugehörigkeitsgefühl sind. Dass die Trends im Sport eher hin zu Individualsportarten gehen – Running, Cycling, Surfing, etc. – scheint da auf den ersten Blick konträr. Taucht man allerdings in die jeweiligen Communities ein, ist sofort ein enormer Zusammenhalt spürbar.
Die Vernetzung über digitale Apps, soziale Netzwerke oder virtuelle Kursangebote kann ebenso zur Gemeinschaftsbildung führen wie das Fußballtraining auf dem Platz. Und beide Welten greifen natürlich ineinander. Denn auch offline wächst der Trend zum gemeinschaftlichen Training. Von der Running-Gruppe bis zur Outdoor-Yoga-Klasse – Sportgruppen gehören in vielen Metropolen längst zum Stadtbild und haben nicht nur einen positiven Effekt auf die Fitness der Teilnehmenden, sondern auch auf den Fun-Faktor beim Sport.
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