Massimo Zorzi, FDI & Location Management Projektmanager bei Trentino Sviluppo S.p.A., steht vor einem großen Bildschirm – und turnt. Der ISPO Brandnew Judge streckt sich, springt, schnellt in weiten Ausfallschritten zur Seite oder bückt sich. Es wirkt wie eine Mischung aus Schattenboxen und Aerobic. An den Armen und Beinen trägt Massimo Sensoren, die seine Moves auf den großen Screen übertragen. Dort rast sein digitales Ebenbild durch animierte Stadtlandschaften, gesteuert von Massimo auf der Jagd nach virtuellen Belohnungen. Je sauberer und schneller er eine Bewegung ausführt, umso mehr Punkte gibt es. Was auf den ersten Blick aussieht wie ein gewöhnliches Videospiel, entpuppt sich schnell als schweißtreibende Angelegenheit.
Es ist ein kühler Oktobertag in München. Draußen nieselt es. Drinnen, im ersten Stock der Halle C6 der Messe München, begutachten 13 Juroren die Zukunft im Sport Business. Die Judges stehen mit tief gebeugten Rücken über acht langen Tischreihen, vertiefen sich in Ideen und Konzepte. Vor ihnen liegen und stehen die Produkte der einzelnen Bewerber –, schlaue Taschen, Surfboards, Spiele, Apps, Sportnahrung, Fitnessgeräte, Schuhe, Zelte, Outdoor-Grills, Kameras und mehr – alles, was das Sportlerherz höherschlagen lässt.
Die Kategorien bei ISPO Brandnew orientieren sich am Kunden. „Wir wollen den Start-up-Wettbewerb noch relevanter machen. Deshalb haben wir die einzelnen Bereiche noch stärker vom Markt hergedacht und neu definiert“, sagt David Badalec, Head of ISPO Business Solutions.
Insgesamt gibt es acht Kategorien:
- „Offshore“ steht für den Sport auf und im Wasser
- „Outdoor Adventure“ für das Erlebnis in der freien Natur
- Bei „Connected Sports“ sind Apps und digitale Tools zu sehen, die Menschen motivieren, zusammenbringen und aktivieren wollen
- In der Kategorie „Body & Mind“ finden sich Produkte für Indoor-Training, Fitness und Gesundheit
- In der Rubrik „Matchtime“, werden Team-, Spiel- und Ballsportler fündig
- „Urban Outdoor“ wendet sich an aktive Pendler und städtische Abenteurer
- „Future Mobility“ bündelt neue Ideen, um sportlich von A nach B zu kommen
- „Parks & Slopes“ zeigt alles rund um den klassischen Wintersport – und, wie man im Sommer dafür trainieren kann
In der Jury: Unternehmer, Journalisten, Hersteller, Händler und drei Finalisten aus dem Vorjahr, die dieses Jahr quasi die Seiten gewechselt haben. „Den Mix innerhalb der Jury finde ich sensationell“, sagt Tina Umbach, die mit dem Netzwerk Prime Crowd Start-ups und Investoren zusammenbringt. „Dieser interdisziplinäre Ansatz ist superwichtig. Du brauchst die unterschiedlichen Perspektiven – denn nichts anderes bringt ein Start-up oder eine Organisation weiter.“ Und nur so könne man die Start-up-Produkte auch objektiv bewerten.
Einer von denen, die im vergangenen Jahr noch als Bewerber dabei waren, ist Vinzenz Bichler. Bei ISPO Brandnew 2019 zog er mit seinem intelligenten Gelenkschutz Betterguards ins Finale ein, heute tastet er sich an die Jury-Arbeit heran: „Es ist super hier dabei zu sein“, sagt der Bayer, der mittlerweile in Berlin lebt. „Ich finde es spannend zu sehen, wie ernsthaft die Jury arbeitet, wie objektiv und kritisch beurteilt wird. Jeder kriegt eine Chance, es wird sich Zeit genommen für die einzelnen Produkte, das ist cool.“
Rund 400 Kandidaten waren es in diesem Jahr zu Beginn der Bewerbung. Für die Judges bedeutet das fast 10 Stunden lang Videos anschauen, Infos checken, die Produkte anfassen und diskutieren. Und oft genug auch: Sport treiben. Sei es vor digitalen Stadtlandschaften, sei es beim Golfen oder mit den Füßen eingespannt in ein neues Trainingsgerät, mit dem sich der Sportler wie ein Breakdancer am Boden dreht.
Doch auch die Bewerber, die es bis zum Jurymeeting geschafft haben, sind längst nicht auf der sicheren Seite. Nur 50 von ihnen schaffen es am Ende auf die ISPO Munich vom 26. bis 29. Januar 2020.
Eine Boardshort etwa wirbt mit einer wasserdichten Tasche. Die Judges nehmen die Reißverschlüsse ganz genau unter die Lupe, prüfen, biegen, drehen und wollen ganz genau wissen, ob das möglich ist und tatsächlich funktionieren kann. Oder ein Laufshirt aus einem neuartigen Material, das damit wirbt, besonders schnell zu trocknen: Kurzerhand wird ein wenig Wasser über den Stoff gekippt und später überprüft, wie sich das Material verhalten hat.
Besonders der Begriff „Nachhaltigkeit“ sorgt immer wieder für angeregte Diskussionen. Das sei halt gerade so ein Modewort, sagt Andreas Sczekalla von YKK. Dabei sei oft genug gar nicht klar, was das nun bedeuten solle. „Wer etwa damit wirbt, nachwachsende Ressourcen zu verwenden, muss nachweisen können, woher die kommen. Oder bei Produkten aus recycelten Flaschen – da will ich schon wissen, dass die Flaschen nicht eigens dafür produziert und niemals verwendet worden sind. Wenn du als Hersteller da nicht die notwendige Hintergrundarbeit gemacht hast, dann verlierst du.“
Regelrecht „erfrischend“ nennt Jury-Vorstand Reinhard Pascher die Arbeit mit seinen zwölf Mitstreitern aus den unterschiedlichsten Bereichen. „Zum einen ergänzen die sich sehr gut und bringen ihre Expertise ein. Zum anderen gibt es auch teils hitzige Diskussionen – das bringt uns voran.“ Denn schließlich will ISPO Brandnew nicht einfach irgendein Start-up-Wettbewerb sein. Es geht um die Innovationskraft der gesamten Branche. „Brandnew sorgt mit dafür, dass sich auch die etablierten Marken immer weiter anstrengen müssen. Denn viele Newcomer gehen mit wirklich faszinierenden Ideen an den Start“, so Pascher.
Ohnehin geht es bei ISPO Brandnew nicht einfach um den nächsten Hype. „Wir haben ein gesamtgesellschaftliches Problem, das sich viel zu viele Menschen viel zu wenig bewegen“, sagt David Badalec. Und das sei nicht nur ein Problem für die Sportbranche, sondern „für uns als Menschen. Denn wir sind für Bewegung gebaut. Unsere komplette DNA, unsere Physis, wie unser Hirn und unser Verstand funktioniert ist abhängig von Bewegungen.“ Also müssen Lösungen her, wie sich wieder mehr Menschen für den Sport begeistern lassen.
Speziell die Produktauswahl für den nächsten ISPO Brandnew lässt da hoffen. „Ich sehe einen Trend dazu, mehr Menschen zu integrieren“, sagt Barbara Klein, die schon 2005 mit ihrem Flexi-Bar auf der ISPO durchgestartet ist. „Zum einen wird wieder mehr gespielt, das finde ich schön. Zum anderen wachsen Fitnesstraining und Physiotherapie noch weiter zusammen. So bringen wir neue Zielgruppen zum Sport, die wir früher vernachlässigt haben – Ältere und Übergewichtige etwa“.
Die Ideen reichen von einer Art Gesellschaftsspiel mit Holzwürfeln und Trainingskarten auf Karton bis zu vollvernetzten Apps und ausgefeilter Sensorik. Die technischen Möglichkeiten seien absolut faszinierend, sagt Barbara Klein. Was die Menschen motiviere, sei heutzutage eben oft digital – wie der große Screen, der am Morgen Teile der Jury zum Hüpfen und Springen gebracht hat. „Aufstehen und Sport machen müssen die Leute aber zum Glück immer noch selber.“
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