Frau von Dewitz, herzlichen Glückwunsch, Vaude ist gerade von der "Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis" als "nachhaltigste Marke" ausgezeichnet worden. Was macht Vaude für Sie persönlich zur nachhaltigsten Outdoor-Marke?
Generell muss ich erstmal Respekt aussprechen für unsere Outdoor-Branche. Innerhalb der Textilbranche ist die Outdoor-Branche am weitesten in Sachen Nachhaltigkeit. Was unter anderem daran lag, dass sie sehr stark in der Öffentlichkeit stand. Viele unserer Mitbewerber engagieren sich in verschiedenen nachhaltigen Projekten und Themen. In der Breite und in der Tiefe, wie wir das machen, im gesamten unternehmerischen Handeln, angefangen beim Umweltmanagement bei Vorlieferanten, über grüne Materialien, über Wiederverwertungsmöglichkeiten bis hin zu Klimaneutralität und einer transparenten Kommunikation – das finde ich sonst nirgendwo.
Wie nehmen Kunden die Marke Vaude aktuell wahr?
Momentan erfahren wir eine sehr große Wertschätzung. Die Outdoor-Branche ist nicht gerade in der größten Wachstumsphase, es findet viel Konzentration und Konsolidierung auf dem Outdoor-Markt statt. Da merken wir, dass unsere Positionierung uns sehr weiterhilft.
Inwiefern?
Wir gelten als feste Größe und als einer der wenigen Gewinner unter den Qualitätsmarken.
Nachhaltige Materialien sind 10 bis 15 Prozent teurer – 5 bis 8 Prozent werden an den Kunden weitergegeben
Öko schön und gut, aber nehmen die Kunden den Preisanstieg an, der mit garantierter Umweltverträglichkeit einhergeht?
Ein Beispiel: Wir haben Taschen, die waren bisher aus PVC, einem Material, das zwar sehr robust und langlebig, andererseits gesundheitsschädlich ist und sich nicht natürlich abbaut. Die PVC-freie Alternative, die wir nach zwei Jahren Forschung und Entwicklung einsetzen, ist 100 Prozent teurer. Natürlich haben wir überhaupt keine Chance, das Produkt 100 Prozent teurer zu machen. Wir haben es trotzdem umgestellt. Andere Materialien sind nicht ganz so viel teurer. Über den Daumen gepeilt sind nachhaltige Materialien für den Hersteller durchschnittlich – mit allen Zertifizierungen und so weiter – zehn bis 15 Prozent teurer.
Wieviel können Sie davon an den Kunden als Preiserhöhung weitergeben?
Fünf bis acht Prozent, der Erfahrung nach.
Kann sich das rechnen?
Oft haben Marken einen kleinen Teil ihrer Produkte, der nachhaltiger ist. Diese versuchen sie dann teuer anzubieten. Das ist total schwer. Wir haben es dagegen geschafft, dass unsere ganze Marke für Nachhaltigkeit steht. Das wertet aus Sicht des Kunden alle unsere Produkte auf. Deswegen haben wir auch 2008 gesagt, wir machen es ganz oder gar nicht. Man muss es ganz machen, damit es eine Wirkung entfaltet.
Wie zeigt sich das beim Kunden, der im Geschäft vor einer enormen Auswahl steht und vielleicht gar nichts weiß von der Nachhaltigkeit von Vaude?
In der aktuellen Branchen-Krise sind wir gerade die Marke, die gewinnt, während andere verlieren. Der Kunde greift also zu unserem Produkt. Das Manko der Outdoor-Branche ist, dass sich die Produkte immer mehr ähneln. Es gibt zu viele Marken, zu viele Produkte, zu sehr Einheitsbrei. Wir schaffen es, durch die Nachhaltigkeit auch auf eine andere Designsprache zu kommen, auf einen anderen Auftritt, auf einen ganz eigenen Weg.
"Wir sind der David unter den Goliaths, wir können uns Image nicht kaufen"
Wie positionieren Sie Ihre Marke als eines der wenigen Familienunternehmen im Wettbewerb?
Ich bezeichne uns als David unter den Goliaths. Wir haben eine deutlich schwächere finanzielle Ausstattung, das ist so. Bei großen Fernseh-Werbekampagnen, wie sie derzeit Jack Wolfskin oder Schöffel machen, können wir nicht mithalten. Wir können uns Image nicht kaufen.
Was können Sie dann tun?
Unsere große Stärke ist, dass wir eine Kultur entfalten, dass wir für Werte stehen und nach diesen leben. Im Vergleich zu Unternehmen, die von Finanzinvestoren geleiteten werden, können Familienunternehmen eine andere Nachhaltigkeit zeigen. Eine Nachhaltigkeit, die nicht nur sozial-ökonomisch und ökologisch ist, sondern ein kontinuierlicher, langfristiger Kurs mit klaren Werten und klarer Kultur.
Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein scheint ein typisch deutsches Thema zu sein. Warum funktioniert dieses Modell nicht international?
Das würde ich nicht sagen. Es gibt Studien, die Menschen nach ihren Erwartungen an Unternehmen fragen. Überall auf der Welt sagen 75 bis 80 Prozent, sie hätten die gleichen Erwartungen an Unternehmen wie an Regierungen. Und zwar: die Verbesserung der Lebensqualität, den Klimawandel positiv begleiten, die Armut bekämpfen, usw.
"Das Bewusstsein für Nachhaltigkeit ist in den Ländern besonders hoch, die dramatisch von Umweltschäden betroffen sind"
Das heißt konkret?
Es gibt einen Green Index, wo nach dem Nachhaltigkeitsbewusstsein gefragt wird. Wir haben auch lange Zeit gedacht, Deutschland wäre in dieser Hinsicht speziell. Doch in diesem Index ist Deutschland im Mittelfeld. Das Bewusstsein ist besonders in den Ländern hoch, die dramatisch von Umweltschäden betroffen sind. Menschen, die in Peking mit einer Atemmaske durch den Alltag laufen, haben natürlich ein hohes Umweltbewusstsein.
Was schließen Sie daraus?
Nachhaltigkeit trifft den Nerv der Zeit. Es erfüllt die Sehnsucht, dass man Produkte kauft und damit Verantwortung übernimmt. Dieses Prinzip findet sich auf der ganzen Welt, auch weit außerhalb von Deutschland.
Sie haben sich der Nachhaltigkeit, der Natur, verschrieben. Entstand daraus auch die Motivation, offizieller Sponsor des Deutschen Alpenvereins zu werden?
Der DAV und Vaude, das passt einfach gut zusammen: Uns verbindet die Liebe zu den Bergen und zum Bergsport und der Wille, diese Natur zu schützen und Verantwortung dafür zu übernehmen. Da sind wir gute Verbündete.
Zum Schluss eine persönliche Frage: Sie sind Firmenchefin und vierfache Mutter – wie schaffen Sie es überhaupt mal in die Berge?
Ich gehe regelmäßig in die Berge, das ist mir richtig wichtig. Nichts ist schöner, um aufzutanken. Mal gehe ich mit der ganzen Familie, mal nur mit meinem Mann, mal mit Freunden...
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