Karl Egloff, der Schweiz-Ecuadorianer, erfuhr über Google von Kilian Jornet Burgada. Das war 2013, als die Welt des Lauf- und Bergsports Jornet bereits aus Büchern und Filmen kannte. Egloff aber erschien gerade wie aus dem Nichts in der Szene des Trail- und Skyrunnings und knackte 2014 prompt den Speedrekord des Katalanen am Kilimandscharo. Im Jahr darauf kassierte er auch Jornets Geschwindigkeitsrekord am Aconcagua, dem höchsten Gipfel Südamerikas, rannte 2017 in Rekordzeit auf den Elbrus und zuletzt auf den Denali. Am höchsten Berg Amerikas unterbot er im Juni 2019 den Rekord von Jornet um vier Minuten und stellte mit 11 Stunden 44 Minuten eine neue Bestzeit auf (Aufstieg 7 h 40 min/Abstieg 4 h 04 min).
Zwei Skyrunner auf Augenhöhe, sollte man meinen, aber doch so verschieden in ihrer medialen Wahrnehmung und ihrem Erfolg bei Sponsoren. ISPO.com hat beide getroffen. Die Topläufer erklären, was sie an ihrem Sport, dem Trailrunning im weitesten, und dem Skyrunning im engeren Sinne lieben.
Es gibt viele Arten, sich schnell zu Fuß in den Bergen zu bewegen: Trailrunning, Skyrunning, Speed Hiking, Speed Climbing. Fragt man Kilian Jornet nach einer Definition für seine Sportart, so vermag er darauf keine eindeutige Antwort zu geben. „Ich weiß nur, dass ich gern schnell in den Bergen unterwegs bin“, sagt er. „Einen Namen dafür zu finden, macht es kompliziert.“
Trailrunning sei ein vergleichsweise junger Sport. Da sei noch vieles in Bewegung. Stile und Trends passen sich an. Die Grenzen zwischen Berglauf und Bergsteigen verschwimmen mitunter. „Das ist ja das Schöne“, sagt Jornet.
Der Schweiz-Ecuadorianer Karl Egloff dagegen nennt sich Skyrunner. „Das ist eine Kombination aus Trailrunning, Speedclimbing und Bergsteigen.“ Und eine Definition hat er auch parat: Beim Skyrunning gehe es in einem Zug hinauf bis zum Gipfel und wieder hinunter, wobei die Route in einer Höhe verlaufe, in der das Terrain alles aufbietet, was das Hochgebirge ausmacht: Gletscher, Geröll und Ausgesetztheit.
Ein Skyrunner sei schnell, höhentauglich und erfahren genug, sich am Berg flink bewegen zu können, sagt Egloff. „Viele Bergsteiger sind top akklimatisiert, aber sie können nicht schnell laufen.“
Herr Jornet, nehmen wir zwei Beispiele: Was macht für Sie den Unterschied zwischen einem Triumph beim Ultra-Marathon Ultra-Trail du Mont Blanc, (führt um die Montblanc-Gruppe und hat eine Länge von rund 170 km bei ca 10.000 hm), den Sie dreimal gewonnen haben, und dem Sieg beim Ring of Steall Skyrace (29 km, 2500 hm)?
Kilian Jornet: Es sind zwei komplett verschiedene Rennen. Beim UTMB geht es um lange Distanzen, was eine völlig andere Strategie und Taktik verlangt, als Rennen, die kürzer und technisch anspruchsvoller sind. Für mich ist aber jeder Sieg gleich viel wert, weil es bedeutet, dass du dein Bestes gegeben hast. Das ist genau das, was mich interessiert: die Vielseitigkeit dieses Sports. So kann ich mich während einer Saison auf ganz unterschiedliche Weise austesten.
Sie sind dieses Jahr die Golden Trail Series (Übersicht am Ende des Textes) mitgelaufen, eine Wettkampfserie aus fünf verschiedenen Rennen, die in dieser Saison Premiere hatte. Was macht diese Wettkämpfe aus?
Die Golden Trail Series verknüpft die weltweit mythenhaftesten Trailruns, in denen sich die besten Läufer der Welt versammeln. In diesen Rennen kann ich mich den stärksten Konkurrenten auf besonders schönen Strecken stellen, sei es zum Beispiel wegen des großartigen Ambientes, das man in Zegama erlebt, oder wegen der Schnelligkeit in Sierre-Zinal.
Herr Egloff, auch Sie sind mit Pikes Peak 2018 ein Rennen aus der Golden Trail Series mitgelaufen. Welche Rennen interessieren Sie im kommenden Jahr?
Karl Egloff: Wenn alles gut läuft und ich das Budget habe, werde ich nächstes Jahr alle fünf Rennen der Serie mitlaufen.
Sie halten die Geschwindigkeitsrekorde an drei der Seven Summits: dem Kilimandscharo (2014), dem Aconcagua (2015) und dem Elbrus (2017). Damit haben Sie zwei Rekorde von Kilian Jornet gebrochen. Aber nur wenige in Europa kennen Sie. Warum?
Ich lebe und trainiere in Ecuador, meiner Heimat. Aber die Schlagzeilen werden in Europa gemacht. Dort ist das Geld, dort sind die Sponsoren, die Medien. Dabei ist die Szene in Südamerika gewachsen wie kein anderer Sport. Den UTMB haben viele Ecuadorianer die ganze Nacht hindurch live verfolgt. Die sind extra wach geblieben und haben einzelne Läufer per GPS beobachtet. Jedes Wochenende gibt es bei uns Trailrunning Events in Kurz- und Langdistanzen, es gibt Verticals und Skyrunning-Wettkämpfe. Der große Unterschied ist: Die Guten bleiben nicht, die versuchen ihr Glück in Europa.
Warum nicht auch Sie?
Ich bin jetzt auch an dem Punkt. Ich bin seit vier Jahren ungeschlagen in Südamerika. Jetzt möchte ich die übrigen der Seven Summits angehen. Die Carstensz-Pyramide, der Mount Vinson und der Mount Everest sind sehr kostspielige Berge. Ich muss zusehen, dass die Leute von mir hören und ich gute Sponsoren finde.
Wie wollen Sie das angehen?
Indem ich erfolgreich die Golden Trail Series mitlaufe. Erst, wenn ich dort wirklich einen auf die Mütze bekomme, weiß ich auch, wo es mir fehlt. Das ist der Grund, warum ich im Sommer kurzfristig zum Pikes Peak Rennen gereist bin, um zu erleben, wie es ist, mit der Weltelite zu rennen. Es lief gut. Ich wurde Siebter in der Gesamtwertung. Und ich habe gelernt, was ich verbessern muss.
Sie sind in Ecuador geboren und aufgewachsen, aber als Sohn eines Schweizer Bergführers sprichst du Deutsch und Schwyzerdütsch. Warum ziehen Sie nicht gleich nach Europa?
Südamerika ist ein Paradies zum Trainieren. Ich habe hier die perfekten Trainingsbedingungen für mein Projekt. Ich kann eine Stunde von mir zuhause mit dem Auto auf 5000 Meter fahren und dort anfangen zu trainieren. Das gibt es in Europa nirgends.
Eigentlich waren Sie Mountainbike-Profi. Warum sind Sie jetzt zu Fuß unterwegs?
Ich habe als Mountainbiker alles erreicht, was in Ecuador möglich war, habe jedes Rennen gewonnen. Um damit Geld zu verdienen, hätte ich Ecuador verlassen müssen. Das wollte ich nicht. Ich habe dann meine Agentur Cumbre Tours gegründet. Ich arbeite als Bergführer, seit ich 15 war.
Und wie sind Sie in der Trailrunning-Szene gelandet?
Eigentlich habe ich das immer gemacht. Ich bin am Cotopaxi so aufgewachsen: erst auf den Gipfel steigen und dann noch eine Runde laufen. Für eine Schweizer Agentur habe ich 2012 eine Tour auf den Kilimandscharo geleitet. Ich habe dort die Kunden von Hütte zu Hütte geführt und bin jeden Tag laufen gegangen. Es hat sich herumgesprochen, dass da ein Verrückter den Gipfel hinaufrennt, unten mit den Kunden isst und mit ihnen wieder auf den Gipfel geht.
Zurück in der Schweiz sagte der Chef der Agentur: Komm, lass uns den Rekord am Kili machen. Er erzählte mir, dass ein Typ namens Kilian Jornet den Rekord innehatte. Ich habe ihn gegoogelt und dachte: Auweia, ein Weltklassesportler mit Buchveröffentlichungen und Filmen und so. Da kann ich eigentlich nur verlieren. Aber ich war 32 Minuten schneller.
Wann haben Sie Kilian kennengelernt?
Wir haben uns in Chamonix getroffen und gemeinsam einen Film für Suunto gedreht. Danach sind wir zusammen auf den Mont Blanc. Ich habe Kilian dort als bescheidenen Mensch kennengelernt. Und er hat eine sehr interessante Geschichte.
Herr Jornet, Karl Egloff hat zwei Ihrer Rekorde souverän unterboten – aber kaum jemanden interessiert‘s. Warum?
Kilian Jornet: Ehrlich gesagt: Ich weiß es nicht. Ich schätze Karl sehr – als Sportler und als Mensch. Er ist sehr stark, vielseitig und hartnäckig. Ich bin sicher, dass er noch viel erreichen wird.
Wie erklären Sie sich, dass Ihre Person so viel Berühmtheit erfährt im Vergleich zu anderen Topathleten? Vermarkten Sie sich und Ihre Erfolge als Salomon-Athlet besser?
Ich weiß nicht, wie es die anderen machen. Mir macht es einfach Freude, in die Berge zu gehen, davon zu erzählen und dabei aber meinem Verständnis von den Bergen und vom Leben so treu wie möglich zu bleiben. Meine Social-Media-Kanäle betreibe ich persönlich und ohne feste Planung. Ich sehe sie als Weg, Tag für Tag aus meinem Leben zu berichten. Ich habe ein Team, das sich beispielsweise um die Filmbearbeitung kümmert. Aber wir achten darauf, uns damit zurückzuhalten, damit es interessant bleibt für unsere Follower.
Karl, was den Bekanntheitsgrad betrifft, warum ist Kilians Name so präsent im Vergleich zu all den anderen Top-Sportlern?
Karl Egloff: Kilian hat nicht nur ein Top-Team. Er war der Erste, ein Pionier in diesem Sport. Außerdem kann er immer gutes Material liefern, mit dem er regelmäßig die sozialen Medien füttern kann.
Sind heute die sozialen Netzwerke – neben den sportlichen Erfolgen – der Schlüssel zum wirtschaftlichen Erfolg?
Leider ist es heutzutage so. Nicht weniger wichtig als ein Weltmeistertitel selbst ist es, diesen zu verkaufen. Beides muss stimmen, Erfolg und Marketing. Man verliert viel Zeit damit, doch das gehört zum Job. Es gibt Tage, wo es frustriert. Aber lässt du es, fährt der Zug ohne dich ab.
Die Golden Trail Series wurden 2018 erstmals ausgetragen und bestehen aus fünf Rennen, die dank ihrer besonderen Atmosphäre, Landschaft oder Schwierigkeit ausgewählt wurden:
- Zegama, Spanien: bekannt für seine besonders leidenschaftliche Atmosphäre, die das baskische Tal für diesen Sport verbreitet. (42 km, 2736 hm, max. 500 Teilnehmer)
- Mont Blanc Marathon, Chamonix, Frankreich: genannt „die Achterbahn“ mit dem Mont Blanc als einzigartige Kulisse (42 km, 2780 hm)
- Sierre-Zinal, Schweiz: das schnellste Rennen der Serie (31 km, 2200 hm)
- Pikes Peak, USA: das höchst gelegene Rennen der Serie mit dem Gipfel auf 4302 Metern (42,18 km, 2382 hm)
- Ring of Steall Skyrace, Schottland: das technisch anspruchsvollste Rennen (29 km, 2382 hm)
Im Finale, das jedes Jahr an einem anderen Ort stattfindet, treten nur die zehn besten Frauen und Männer gegeneinander an, die sich in den fünf Rennen qualifiziert haben. Sie laufen dabei für einen guten Zweck.
Kilian Jornet stieg wegen einer Verletzung im Winter verspätet in die Golden Trail Series zum Mont Blanc Marathon ein und gewann überraschend trotz der Trainingspause alle drei Rennen, an denen er teilnahm (Mont Blanc Marathon, Sierre-Zinal und Ring of Steall) in Folge. Damit qualifizierte er sich fürs Finale, dem Otter Trail in Südafrika, musste dort aber wegen Hüftproblemen aussteigen und belegte Platz drei in der gesamten Wettkampfserie.
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