Shiho Shimoyamada musste in die Ferne ziehen, um ihre Sexualität offen zu leben. Die japanische Fußballerin aus der Olympia-Mannschaft outete sich während ihrer Zeit in der deutschen Damen-Bundesliga. „Ich war so glücklich, dass ich über meine Partnerin sprechen konnte, ohne lügen zu müssen“, sagte sie Nikkei Asia. In Japan wäre es ihr nicht möglich gewesen, so offen zu sein. Dort hatte sie Sorgen, Fans und Sponsoren mit ihrem Outing zu vergraulen. Nun sieht Shimoyamada ihren Auftritt auch als Chance für die LGBTQ+-Community. Denn indirekt könne sie nun die Aufmerksamkeit auf Diversity- und LGBTQ+-Themen lenken. „Wenn ich diese Chance verstreichen lassen würde, würde sie sich nicht wieder ergeben“, sagte sie der „Japan Times“. Unterstützung bekam sie dafür aus dem katholischen Emsland. „Respekt! Shimo traut sich“, schrieb der SV Meppen in einem Post. Wer sich wundert: Für die Meppener hatte sie in der 2. Frauen-Bundesliga gespielt.
Caster Semenya ist in Tokio leider nicht dabei. Zweimal holte die Südafrikanerin über 800 Meter schon Olympia-Gold. Aber wegen ihrer intergeschlechtlichen Veranlagung darf sie nach einem Urteil des internationalen Sportgerichts nicht mehr auf Strecken zwischen 400 Metern und einer Meile starten. Eine Klage wegen Diskriminierung, herabwürdigende Behandlung sowie Missachtung ihres Privatlebens vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte läuft bereits, doch eine Entscheidung steht noch aus.
Semenya hätte nur starten dürfen, wenn sie ihren Testosteron-Wert durch Medikamente gesenkt hätte. Das lehnt sie jedoch ab. Ihr Versuch, sich für die 5000 Meter zu qualifizieren, scheiterte. Sie wolle weiter „natürlich laufen, wie ich geboren wurde“, hatte sie immer gesagt – eine stolze Haltung, aber Tokio 2021 findet damit ohne die lesbische Läuferin statt.
CHELSEA WOLFE hätte womöglich bei den Olympischen Spielen für den größten Skandal aller Zeiten gesorgt, wenn die politische und sportliche Geschichte etwas anders gelaufen wäre. Die BMX-Radfahrerin Wolfe ist eine Transgender-Athletin; Vorkämpferin für Trans-Rechte und eine der stärksten Frauen bei Olympia in Tokio. Im März 2020 machte sie kurzzeitig ihre Wut auf US-Präsident Donald Trump in einem skandalösen Posting öffentlich. „Mein Ziel ist es, die Olympischen Spiele zu gewinnen, damit ich eine US-Flagge auf dem Podium verbrennen kann“, schrieb sie damals in einem Facebook-Eintrag. Wolfe reagierte damit auf das Vorgehen des damaligen US-Präsidenten Donald Trump, der viel dafür unternahm, minderjährigen Transsportler*innen den Zugang zu regulären Wettkämpfen zu erschweren. Inzwischen ist Trump politische Geschichte, zur Freude nicht nur von Wolfe. Aber die 28-Jährige ist auch nur Ersatzstarterin. Eine Goldmedaille kann sie nur holen, wenn eine der beiden Starterinnen des US-BMX-Teams noch ausfällt.
Hannah Roberts ist eine der beiden Starterinnen, die im US-Team die Nase knapp vor Wolfe vorne hat. Auch die 19-Jährige ist Teil der LGBTQ+-Community – sie ist lesbisch, heiratete in diesem Jahr ihre Partnerin Kelsey Miller. Roberts hat große Chancen, die Goldmedaille zu gewinnen. Sie gewann mit 17 Jahren die Weltmeisterschaft und schaffte dies in diesem Jahr erneut. Da auch Perris Bernegas, die dritte im Bunde des US-BMX-Teams, lesbisch ist, sind die US-BMX-Fahrerinnen die queerste Mannschaft der olympischen Geschichte. Bennegas outete sich in diesem Jahr.
Laurel Hubbard ist die erste Trans-Frau, die an den Olympischen Spielen teilnimmt, falls nicht doch auch Chelsea Wolfe einen Startplatz bekommt. Die für Neuseeland startende Gewichtheberin ist mit 43 Jahren eher am Ende der Karriere – und darf sich nun doch auf dem Höhepunkt wähnen. Schon 2017 hatte sie bei Weltmeisterschaften zwei Silbermedaillen im Gewichtheben gewonnen. Dies war das erste Mal, dass eine transsexuelle Athletin auf dem Podium bei einer Weltmeisterschaft landen konnte. Hubbard gilt als zurückhaltend und medienscheu. Doch vor ihrem Start in Tokio fand sie große Worte. „Die letzten 18 Monate haben uns allen gezeigt, dass Stärke darin liegt, in Gemeinschaft und Zusammenarbeit für ein gemeinsames Ziel zu arbeiten.“ Sie werde den Silberfarn – also das Symbol Neuseeland – „mit Stolz tragen“.
Der Schwimmer Markus Thormeyer hat schon an den Olympischen Spielen in Rio 2016 teilgenommen. Damals trug der kanadische Schwimmstar seine Homosexualität als Last mit sich herum – erst im vergangenen Jahr outete er sich in einem öffentlichen Beitrag. Thormeyer beschrieb seine Ängste und Sorgen mit sich selbst eindringlich. Im Jahr 2015, vor Rio habe er ein gutes Jahr gehabt. Er schwamm super Wettbewerbe, schloss die High School ab und realisierte, dass er das Zeug für einen Olympiastart hatte. „Ich war gewillt, alles in die Waagschale zu legen – aber etwas hielt mich zurück. Es war das Geheimnis, das ich in mir trug – das ich schwul bin.“ Er habe seine Homosexualität verschwiegen, weil er Angst hatte, nicht akzeptiert zu werden. Doch dann habe er seinen Mut zusammen genommen und darüber gesprochen. Eine Last fiel von Thormeyer ab, 2018 holte er eine Medaille bei den Commonwealth Spielen. In Tokio startet er nun als offen homosexueller Schwimmer.
Cheryl Reeve gilt wie Allyson Felix und viele andere Sportlerinnen auch abseits der Olympischen Spiele als echte Kämpferin. Reeve gehört zu den wenigen Trainern im Profisport, die offen homosexuell leben. Die zum Trainerteam der US-Basketballerinnen zählende 54-Jährige gab 2017 ihre Hochzeit mit Carley Knox bekannt – der Vizepräsidentin ihres Vereins Minnesota Lynx. Reeves Frau gab vor vier Jahren die Botschaft raus, dass das Paar beweisen wolle, dass auch die LGBTQ+-Gemeinschaft im Sport Erfolg haben kann. Die Vita von Reeve ist dazu ein wirklich beeindruckender Beweis. Reeve holte mit ihrem Club vier Titel in der US-Frauen-Basketballliga WNBA.
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