Patrick Lange hat die Siegerserie deutscher Triathleten beim legendäre Ironman Hawaii fortgesetzt. Der 32-Jährige gewann auch 2018 in neuer Streckenrekordzeit von 7:52:39 Stunden. Und kann jetzt auf noch mehr Werbeeinnahmen hoffen.
Denn wirklich gut verdient im Triathlon das ganze Jahr über nur, wer beim Ironman Hawaii auch auf dem Podium steht – so wie es Patrick Lange schon 2016 gelang, als nur Jan Frodeno und Sebastian Kienle schneller waren.
Der Ironman auf Hawaii ist nicht nur Geburtsort von Sportler-Karrieren, sondern nicht zuletzt Gradmesser für potentielle Sponsoren.
Für Triathleten ist der Ur-Ironman der wichtigste Tag im Jahr. Der Tag, an dem sie am meisten rausholen können. Und er ist seit einigen Jahren eine deutsche Domäne: Patrick Lange ist nach Thomas Hellriegel (1997), Normann Stadler (2004 und 2006), Faris Al-Sultan (2005), Kienle (2014) und Jan Frodeno (2015/2016) der sechste Deutsche, der auf Hawaii siegt.
Diese sensationelle Leistungsdichte der Deutschen an der Weltspitze des Triathlon ist aus deutscher Sicht höchst erfreulich, andererseits aber auch ein Problem – für die Nicht-Sieger.
Patrick Lange zum Beispiel. Der 31-Jährige aus Bad Wildungen lief 2016 mit 2:39:45 Stunden die beste je bei einem Ironman auf Hawaii gelaufene Marathon-Zeit, rückte von Platz 24 noch auf Rang drei vor, kam Frodeno und Kienle ziemlich nahe – und war doch meilenweit entfernt von ihnen. Zumindest was Geld und Sponsoren angeht.
Er sagt: „Anfang 2016 habe ich vor dem Karriereende gestanden – weil überhaupt keine Sponsoren da waren. Ich war damals allerdings nicht auf der Langdistanz unterwegs, sondern auf der Mitteldistanz und da auch nur in der zweiten Reihe. Da wird es dann im Triathlon schon schwierig, Sponsoren zu finden.“
Sein Manager Fredrik Ljungström erinnert sich: „Am 1. Januar 2016 hatte er nullkommanull Sponsoren, keinen einzigen, stand tatsächlich vor der Entscheidung: nochmal voll durchstarten oder aufhören.“ Zu der Zeit lebte Lang von ein paar mageren Preisgeldern und von seinem Beruf: Er arbeitete halbtags als Physiotherapeut, was sich angesichts der immensen Trainingsumfänge auf die kaum vorhandene Regeneration auswirkte.
Anstatt sich nach der Trainingsfron selbst durchkneten zu lassen, knetete er andere durch, um sich seinen Sport überhaupt leisten zu können. Doch dann ließ er die Arbeit Arbeit sein und konzentrierte sich völlig auf den Sport - ein Vabanque-Spiel.
Immerhin gelang es ihm, nachdem Anfang 2016 auch noch sein Radsponsor abgesprungen war, zwei Geldgeber zu gewinnen: die Speditionsgesellschaft Ibrakom und den Soja-Hersteller Berief, der gut zu ihm als Vegetarier passte. Doch selbst als er Ende Mai den Ironman Texas gewann, tat sich bei der Sponsorenakquise erstaunlich wenig.
„Selbst mit diesem Sieg und der damit verbundenen Qualifikation für Hawaii war es fast unmöglich, einen Sponsor zu finden, der ihm ein Rad zur Verfügung stellte“, erzählt Manager Ljungström. Erst mit dem sensationellen dritten Platz im Oktober auf Hawaii wurde alles anders.
„Jetzt kann ich aus eigener Erfahrung berichten, wie das ist, wenn man dort auf dem Podium steht. Danach tut sich dann schon einiges in Sachen Vermarktung, da kommt schon viel Interesse auf einen zu, und das muss man marketingtechnisch ausnutzen. Bei einem normalen Triathlon ist das eben nicht so. Hawaii ist unser Wimbledon. Da muss man glänzen.“
Er hat geglänzt, und er hat seine Leistung auch in bare Münze verwandeln können. „Mit dem dritten Platz bei der WM in Hawaii ist das jetzt schon einfacher – und auch befreiender. Dieser dritte Platz hat mir sozusagen meinen Sport erhalten.“ Manager Ljungström erinnert sich: „Ich war 2016 nicht mit auf Hawaii, sondern zuhause, und kaum war Patrick im Ziel, begann das Telefon zu klingeln, und es hat so schnell nicht mehr aufgehört: ZDF, SAT 1 und viele andere Sender und Zeitungen.“
Endlich tat sich auch auf Sponsorenseite etwas: Erdinger Alkoholfrei stieg als Hauptsponsor ein, Canyon stellt ein Rad, New Balance die Laufschuhe, Oakley die Brillen, Fusion die Fahrradbekleidung, Sailfish den Wetsuit, Swiss Side die Laufräder, Ceramic Speed die Kugellager, Cobb Cycling Sattel und Lenker, Ekoi den Helm, Orthomol Sport die Nahrungsergänzungsmittel und auch der Energieversorger Mainova zählt zum Sponsorenpool. Insgesamt lautet Langes Sponsorenbilanz: von null auf 14 in 8:11:14 Stunden. So lange brauchte er 2016 für die 3,8 Kilometer Schwimmen, die 180 Kilometer Radfahren und den abschließenden Marathon.
Der Sieg 2017 schwemmte dann weitere Unterstützer an: Inzwischen hat Lange 22 Sponsoren und Partner, darunter Global Player wie Audi, New Balance oder Garmin.
Immerhin gibt es nun die Chance, dass sich an ihrem Bekanntheitsgrad etwas ändert. Erstmals übertrug das ZDF das gut achtstündige Rennen des Ironman Hawaii 2017 live. Ähnlich wie in der Vergangenheit wurde das Rennen nun von 18:30 Uhr bis 1 Uhr deutscher Zeit online im Livestream gezeigt. Ab 0:25 Uhr, im Anschluss an das „Sportstudio“, kam der Wettkampf zudem im Fernseh-Hauptprogramm: der Triumph von Patrick Lange zog also die TV-Zuschauer an – und womöglich neue Sponsoren.
Auf einer anderen Stufe als Lange war lange auch Jan Frodeno unterwegs. Der 37-Jährige ist die Benchmark im Triathlon: Olympiasieger, Weltrekordhalter und zweifacher Hawaii-Champion. Laut „Focus“ verdiente er 2015 erstmals mehr als eine Million Euro.
Um Sponsoren muss sich Frodeno nach zwei Hawaii-Siegen keine Sorgen machen. Mercedes gehört mittlerweile dazu, die Branchengrößen Asics und Canyon, aber auch der Name Bahrain Endurance, ein Anfang 2015 von Scheich Nasser Bin Hamad Al Khalifa gegründetes Ausdauerteam, das die Sportler mit einem Grundgehalt in unbekannter Höhe und Bonusprämien bei entsprechenden Erfolgen unterstützt.
Das Team ist wegen der Verknüpfung von Politik und Sport nicht unumstritten, Stichwort Menschenrechte. Sebastian Kienle, Hawaii-Sieger von 2014, verließ das Team nach zwei Jahren wieder, mit der Begründung: „Ich möchte wegen des Geldes kein schlechtes Gewissen haben." Bei einer vom Scheich initiierten Rennserie soll es eine Million Dollar Preisgeld gegeben haben. Zum Vergleich: Der Hawaii-Sieger bekommt 120.000 Dollar, für Rang zehn gibt es noch 10.000 Dollar.
Im Jahr 2015 verdiente Frodeno in fünf Rennen 213.000 Dollar Preisgeld – nur der Spanier Javier Gomez gewann mit 287.100 Dollar noch mehr, musste dafür allerdings 14 Rennen bestreiten. Andreas Raelert holte 77.750 Dollar, Sebastian Kienle 57.710 und Nils Frommhold 29.343 Dollar.
„Natürlich wäre es für viele einfacher, wenn Frodeno und Kienle nicht da wären“, sagt Lange-Manager Ljungstörm zu der krassen Konkurrenzsituation in Deutschland, „andererseits: Wenn nur einer vorne mit dabei wäre, wäre es auch nicht gut. Ein Jan Frodeno tut der Szene schon sehr gut. Der ist eloquent, sympathisch, kommt auch im „Sportstudio“ gut rüber, verkauft sich gut – was nicht bei allen der Fall ist.“
Zu viele Deutsche in der Weltspitze, die alle auf den selben Markt drängen – frustriert das nicht auf Dauer? Patrick Lange sagt: „Man kann es drehen und wenden, wie man will: Einerseits macht einem die nationale Konkurrenz natürlich das Leben schwer, andererseits machen es die, die oben stehen, auch allen anderen leicht. Man hat die Konkurrenz vor der eigenen Haustür, kann fast alle 14 Tage gegen die antreten – das macht einen selbst stärker.“
Und man wisse: „Wenn ich das in Deutschland schaffe, dann muss ich mich auch international vor niemandem verstecken. Dann steht man in Hawaii auf dem Treppchen, mindestens.“ Und dann klingelt das Telefon und hört so schnell nicht wieder auf.
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