Im Interview mit ISPO.com erzählt der zum Millionär gewordene 33-Jährige, vor welchen gewaltigen Herausforderungen Runtastic und Adidas nun stehen, warum er von anderen Dax-Unternehmen angesprochen wird und warum er nicht bei „Höhle der Löwen“ dabei ist.
Florian Gschwandtner im Interview
ISPO.com: Herr Gschwandtner, Sie hatten bei Runtastic in Linz zuletzt Besuch von Kasper Rorsted. Wie war das Treffen mit dem künftigen Adidas-CEO?
Florian Gschwandtner: Sehr angenehm, wir haben uns ein bisschen kennen gelernt. Wie man so schön sagt: „You never get a second chance to make a first impression“. Und ich würde sagen: Unser erster Eindruck voneinander ist sehr positiv.
Mit Herbert Hainer haben Sie seit der Runtastic-Übernahme durch Adidas vor einem Jahr sehr harmonisch zusammengearbeitet – so zumindest der Eindruck von außen. Was glauben Sie, was Sie ab 1. Oktober 2016 unter Kasper Rorsted erwartet?
Puh, diese Frage ist gar nicht so leicht zu beantworten. Ich denke, dass sich für uns nicht so viel verändern wird. Ich glaube, dass beide sehr visionär und weit und groß denken. Menschen wie Hainer und Rorsted kommen nicht zufällig an solche Positionen in großen Konzernen. Was mir an Kasper Rorsted sehr gut gefallen hat, ist seine internationale Ausrichtung. Er hat lange im Silicon Valley gelebt und einen sehr guten Weitblick.
Mittlerweile haben Runtastic und Adidas einjährige Zusammenarbeit gefeiert – ist Ihr Leben seitdem entspannter geworden?
Nicht entspannter, aber auch nicht viel stressiger. Wir sind immer eine schnelle Pace gelaufen, es geht immer weiter. Wir pflegen wenig Berührungspunkte mit Adidas. Natürlich haben wir auch Meetings und gemeinsame Projekte, Runtastic geht aber seinen Weg weiter. Mental hat sich für mich nicht viel verändert.
„Ich wurde von Dax-Vorständen angesprochen“
Sie haben also nirgendwo Freiheiten, die Sie vorher hatten, eingebüßt?
Mir fällt da nichts ein. Im Gegenteil: Wir dürfen jetzt größer und internationaler denken. Es geht jetzt ums ganz große Bild: Wie können wir international E-Commerce machen? Wie erreichen wir die internationale Läuferszene? Zusammen mit Adidas denken wir intensiv über die Digitalisierung nach.
Für eine 220-Millionen-Euro-Übernahme klingt das nach einem sehr entspannten Übergang...
Ehrlich gesagt: Es ist positiver verlaufen, als ich erwartet hatte. Adidas hat verstanden, dass man als großer Konzern ein Startup auch umbringen kann, wenn man die falschen Dinge tut. Ich wurde bereits von einigen Dax-Vorständen angesprochen und befragt, wie wir das hinbekommen haben und wie man ein Startup integrieren kann.
Und was sagen Sie dann?
Dass es wichtig ist, beim Startup nicht alles umwerfen zu wollen. Große Konzerne können Innovationen nicht so leicht umsetzen, sie haben eine gewachsene Struktur. Und diese Struktur kann man einem Startup nicht einfach überstülpen. Adidas hat das beherzigt, deshalb bin ich mir sicher, dass wir vier Runtastic-Gründer (neben Gschwandtner auch René Giretzlehner, Alfred Luger, Christian Kaar, Anm.d.Red.) auch in einem Jahr noch an Bord sind. 2017 werden einige Kollaborationen zwischen Adidas und uns sichtbar, darauf freue ich mich schon.
Einen kleinen Ausblick bitte.
(lacht) Nein, tut mir leid. Da müssen Sie sich noch ein bisschen gedulden.
Adidas, Nike, Under Armour – „alle stehen vor der gleichen Herausforderung“
Myfitnesspal und Endomondo wurden von Under Armour gekauft, Runkeeper von Asics und Sie gehören nun zu Adidas – geht es ohne die Sportgiganten nicht mehr?
Nein, unsere Übernahme durch Adidas musste nicht so kommen. Ab einem gewissen Punkt kann es auch ohne Großkonzern weitergehen. Wir wussten immer: Wir verkaufen nicht, aber vielleicht wird man gekauft.
Nun heißt ihre Konkurrenz plötzlich Under Armour und Nike...
Ja, ich finde das irrsinnig spannend. Natürlich schauen wir auch, wie bei denen das digitale Geschäft aussieht. Ich mache das sehr gerne. Es gibt ja keine Patentlösung. Keiner hat das vorher schon mal gemacht, jeder probiert etwas aus. Alle stehen vor der gleichen Herausforderung: Wie bekommt man die zwei Welten Produktion und Digitalisierung zusammen?
Und was sehen Sie da in der Zukunft?
Dass Software ein wichtiger und integraler Bestandteil bei den Sportunternehmen wird. Wir arbeiten daran, Software skalierbar zu machen. Stichwörter Datascience und Software-Engineering. Das bedeutet, dass wir verstehen wollen, die Daten zu nutzen, um die richtigen physischen Produkte zu entwickeln.
Wie Runtastic Geld verdient
Was noch?
Ernährung wird für uns alle wichtiger, in zwei, drei Jahren wird das Thema Ernährung eine riesige Rolle spielen. Deshalb überlegen wir, wie wir vom klassischen Tracking zur Prediction kommen.
Das bedeutet: Sag uns, wer du bist und welches Ziel du hast – und wir bauen einen Plan um dich herum und sagen dir, wie du es schaffst. Weil wir auf Grundlage unserer Daten sagen können: 90 Prozent mit einem ähnlichen Ziel haben es so erreicht.
Damit es ihnen besser geht, sind die Menschen bereit, viele Lebensbereiche wie Schlaf oder Ernährung zu tracken. Das wird noch stärker kommen.
Wie verdient Runtastic im Moment sein Geld?
Den größten Anteil machen immer noch einmalige App-Sales und die Subscription unserer Premium-Angebote aus. Aber auch die Hardware bringt einen relevanten Teil. Darüber hinaus gibt es noch Werbeeinnahmen aus unserer kostenlosen App-Version und kleinere Themen wie spezielle Musik- oder B2B-Deals, also wenn Unternehmen all ihren Mitarbeitern Runtastic zur Verfügung stellen.
Sie agieren mittlerweile selbst als Investor. Wäre die in Deutschland derzeit sehr populäre VOX-Sendung „Höhle der Löwen“ nicht auch etwas für Sie gewesen?
(lacht) Na ja, es gibt ja in Österreich auch ein Pendant dazu. Aber wir haben da bewusst nicht mitgemacht. Schließlich sind wir nicht gerade unterbeschäftigt und müssen aufpassen, was wir nebenbei machen. Wir steigen nur ein, wenn wir einen echten Mehrwert beitragen können. Oder wenn wir langjährigen Freunden damit einen Gefallen tun können, ohne viel Zeit zu investieren. Viele Pitch Desks schaue ich mir aus zeitlichen Gründen gar nicht erst an.
Was machen Sie mit einem jungen Startup, dessen Idee klasse ist, die Leute aber Pfeifen sind?
Ganz klar: Dann sage ich ab. Ich investiere in Menschen und nicht in Startups. Zum erfolgreichen Projekt gibt es oft keinen linearen Weg. Motivierte, positive Menschen schaffen etwas, alle anderen scheitern mit hoher Wahrscheinlichkeit.
Bei Ihrer Keynote bei Bits & Pretzels in München haben Sie über Recruiting gesprochen. Wie war's?
Ich war positiv überrascht, dass trotz des späten Termins der Saal so voll war. Meine Keynote hieß „How to recruit an awesome team“. Das ist nämlich ein Schlüssel zum Erfolg von Runtastic. Man darf nicht vergessen, dass Runtastic in Linz, einer Stadt mit nur 200.000 Einwohnern, sitzt. Natürlich fragen da viele: Wie kommt Ihr an gutes Personal? Ich erkläre dann, wie der Erfolg eines Startups von der Unternehmenskultur und den Leuten dahinter abhängt. Wir von Runtastic investieren viel in HR – und das scheint ganz gut zu funktionieren.
Über Florian Gschwandtner und Runtastic:
Der am 28. Januar 1983 im oberösterreichischen Steyr geborene Gschwandtner gründete 2009 mit drei Studienkollegen Runtastic. Gemeinsam entwickelten sie in Pasching eine App für Sportler, die deren Leistung aufzeichnet.
Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten – und andere Unternehmen wurden auf das Startup aufmerksam. 2013 investierte die Axel Springer AG rund 22 Millionen Euro für 50,1 Prozent der Runtastic-Anteile. Im Sommer 2015 übernahm die Adidas AG alle Anteile für rund 220 Millionen Euro.
Gschwandtner bezeichnet sich als Fitness-Enthusiasten und ist das Gesicht von Runtastic. Der 33-Jährige reist viel und gerne und hält Vorträge über den Erfolg des mittlerweile international agierenden Startups. Runtastic beschäftigt derzeit rund 180 Mitarbeiter.
Mehr Informationen über Florian Gschwandtner gibt's auf seinem Facebook- und Twitter-Profil.
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