Kurz vor seinem 75. Geburtstag bezwang Habeler auf der Heckmair-Route die Eiger-Nordwand. Das hat der Bergsteiger-Legende Schlagzeilen eingebracht. Besonders in den 1970ern bekam er die zuhauf. Neben der erstmaligen Besteigung des Everest 1978 ganz ohne Flaschensauerstoff, die sich 2018 ihren 40. Jahrestag feiert, beispielsweise auch schon 1975: Messner und Habeler bezwangen den Hidden Peak und somit den ersten Achttausender im Alpinstil.
Auf dem International Mountain Summit in Brixen sprach der Bergführer aber auch gerne über die großen Kletterer der heutigen Zeit und über seine Freundschaft mit Messner.
Sie und Reinhold Messner waren ein absolutes Bergsteiger-Dreamteam. Sind Sie auch heute noch befreundet?
Peter Habeler: Wir treffen uns immer wieder. Wir haben ein sehr gutes Verhältnis, das ist wunderbar. Wir reden viel über private, familiäre Sachen, über Freunde, oder auch mal über Politik. Ab und zu erinnern wir uns natürlich an gemeinsame Bergtouren. Aber nicht oft. Das Reden über Bergsteigen geht mir ein bisschen auf den Keks.
Wird Bergsteigen heute zu sehr zerredet? Hatten Sie es in den 70ern besser?
Dieses Thema bespreche ich auch manchmal mit dem Reinhold und einigen anderen. Und jeder meiner Zeitgenossen sagt, wir hatten eine super Zeit. Und das stimmt. Wir hatten noch weiße Flecken. Wir waren die einzige Expedition am Everest oder am Cho Oyu. Jetzt ist das alles total überlaufen. Wir konnten – so blöd das klingt – noch jungfräuliche Wände besteigen. Ich möchte meine Zeit nicht missen. Es war damals alles ein bisschen einfacher – nicht so „übersophisticated“.
Aus der heutigen Generation haben Sie ja engen Kontakt zu David Lama...
Er hat bei mir als Fünfjähriger seine ersten Klettereien gemacht. Und das, was man in jungen Jahren von seinen Lehrern lernt, davon zehrt man das ganze Leben lang. Im Kindesalter wirst du geformt. Natürlich bin ich da stolz auf den David. David wird noch mehr von sich hören lassen, denn er macht die anspruchsvollsten Sachen: Er versucht, die sehr großen, enorm schwierigen Wände zu besteigen. Dass er da manchmal scheitert, ist logisch. Zusammen mit Adam Ondra ist er einer der Überflieger der heutigen Zeit.
Wie bewerten Sie die Leistung von Adam Ondra?
Er ist momentan der beste Kletterer. Es gibt keinen Besseren und er ist trotzdem auf dem Boden geblieben. Er sagt zum Beispiel, er klettert nicht Free Solo, das will er nicht. Er sagt, früher oder später fliegt er runter. Das finde ich sehr interessant. Dabei stelle ich Ondra noch eine Stufe über den Free-Solo-Spezialisten Alex Honnold. Wenn ich Ondra klettern sehe, fällt mir echt die Klappe runter.
Alex Honnold ist ja auch außerhalb der Kletterszene durch seine Free-Solo-Projekte, also durch das völlig ungesicherte Free Climbing, berühmt geworden. Wie bewerten Sie diese Art des Kletterns?
Eigentlich ist es mir wurscht, jeder soll nach seiner Façon glücklich werden. Aber Free Solo – ohne jegliche Sicherung – das ist hazardieren. Das Gestein kann brüchig werden, es kann alles Mögliche passieren.
Ich habe ja sehr viele Solo-Besteigungen gemacht, aber irgendwie habe ich immer versucht, eine Sicherung zu haben. Alex Honnold wird immer weiter gehen, wird immer etwas Schwereres klettern. Und da dreht’s bei mir das Licht aus. Ich glaube, das wird irgendwann in die Hose gehen.
Wenn Sie an das Klettern und Bergsteigen in den kommenden Jahren denken, wie sieht die Zukunft aus?
Hier ist interessant, was Ueli Steck vor seinem Tod noch geplant hatte. Er wollte ja die Überschreitung Lhotse-Everest machen. So etwas ist die Zukunft. Dann gibt es noch einige bestimmte Wände, zum Beispiel am Lhotse, da sind einige Wahnsinns-Ziele offen. Natürlich werden die Schwierigkeiten auch im Freikletterbereich noch größer werden. Mich würde es nicht wundern, wenn die in Zukunft an einer Glaswand klettern. (lacht)
Die heutigen Kletterer haben so enorme Fingerkraft und eine Behändigkeit. Es liegt einfach in der Natur der Sache: Die Leute sind besser trainiert, sie halten sich am Fels leichter fest, sie schalten das Gehirn aus und können somit Sachen machen, von denen wir nur geträumt haben.
Gleichzeitig gibt es mehr und bessere Bergsteiger- und Kletter-Ausrüstung...
Es wird alles komplizierter und eigentlich dadurch nicht leichter. Wenn du auf der ISPO Munich durch die Gänge gehst, ist das Angebot einfach unglaublich groß. Für die Industrie ist es unheimlich schwer, einen Ausrüstungsgegenstand zu erfinden, der völlig neu konzipiert ist. Es gibt ungefähr 20 unterschiedliche Geräte zum Sichern. Grundsätzlich gilt aber: Sicherungsequipment kann nie einfach genug sein.
Toll war die Entwicklung der Friends und der Klemmkeile. Das hatten wir noch nicht. Auch bei den Eisklettergeräten hat sich sehr viel getan. Bei den guten Schuhen von Scarpa, Lowa, La Sportiva und Co sehen wir, dass die alle ganz einfach und ganz leicht sind. Für mich persönlich geht die Entwicklung des Equipments aber ein bisschen zu weit. Durch die Detailarbeit verliert sich das große Bergerlebnis.
Wie kam es eigentlich dazu, dass Sie sich mit 74 Jahren entschieden, mit David Lama die Eiger Nordwand zu besteigen?
Schon oft habe ich so Entscheidungen bei einem Glas Wein getroffen. Das war auch diesmal so. Die Kletterei an sich, ist am Eiger ja nicht so schwierig und die Erinnerung an die Eiger Nordwand ist bei mir extrem positiv. Diese Nordwand ist einfach spektakulär. Wir hatten es etwas eisig, das war nicht so lustig. Aber mit dem David steige ich in jede Teufelswand ein. Die ganze Geschichte war ein spontaner Wunsch. Da denke ich nicht ans Alter. Natürlich, wenn ich darüber nachdenke, dass ich 75 Jahre bin, dann geht mir das Licht aus. Dann verdränge ich das wieder und denke mir, es könnten von der Kondition 65 Jahre sein.
Wie haben Sie sich so fit gehalten?
Ich habe immer versucht, mein Gewicht zu halten und glücklicherweise ist mir das auch nie schwergefallen. Ich habe immer noch um die 60 Kilogramm. Wenn ich jetzt mit einer Kugel durch die Gegend gehen und 95 Kilogramm wiegen würde, dann wäre das nicht gut. Ich glaube, dass ein einfaches Leben, eine einfache Ernährung und wenig Stress schon viel hilft.
Die Natur nimmt dir Stress. Egal, ob es auf den Gletscher oder den Grasberg geht. Die Natur beruhigt dich. Der heutige Mensch, wenn er vor seinem Computer sitzt, ist am Abend fertig. Ich denke, diese Menschen sollten dann vielleicht am Abend noch eine Stunde marschieren gehen.
Dann ist Bewegung wichtig, aber ich muss mich nicht kasteien und jeden Tag sechs oder sieben Stunden durch die Gegend schleppen. Und ich sollte Pausen einlegen. Die Devise heißt heiß und kalt: intensiv arbeiten und dann wieder eine Pause einlegen. Glücklicherweise bin ich als Bergführer auch nie in diesem beruflichen Hamsterrad gewesen. Das macht, glaube ich, auch schnell älter.
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