Transformation/17.05.2021

Ex-Stuntfrau Miriam Höller: Hacks im Umgang mit Risiko

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Ob brennende Flügel auf ihrem Rücken, an der Kufe eines Helikopters hängend, oder auf dem Dach eines Fliegers posierend - Miriam Höller weiß, was es bedeutet, ein Risiko einzugehen. Und auch, wie man mit Unfällen umgeht. Auf dem Höhepunkt ihrer Karriere als Stuntfrau bricht sie sich beide Füße. Sie muss umdenken, neu laufen lernen, ihren Traumberuf aufgeben. Kurze Zeit später, während sie selbst noch im Rollstuhl sitzt, stirbt ihr Verlobter Hannes Arch bei einem Helikopterabsturz. Wie geht man mit solchen Rückschlägen um? Im Gespräch verrät Miriam Höller ihre wichtigsten Hacks im Umgang mit Risiko und Gefahr und wie man wieder auf die Beine kommt. 

Miriam Höller auf dem Dach eines Flugzeuges beim Stunt
Miriam Höller beim Stunt auf dem Dach eines Flugzeuges während ihrer Karriere als Stuntfrau

Reiz und Umgang mit Risiko

Wie lernt man als Stuntfrau Risiken einzuschätzen und zu bewerten? Wie geht man mit der Gefahr um?

Die Gefahr so zu kalkulieren, um sie kontrollieren zu können, war immer mein größter Antrieb. Es ist die Aufgabe einer Stuntfrau sich gefährlichen und riskanten Situationen bewusst zu stellen und diese unbeschadet zu meistern. Es sind Herausforderungen die viel Disziplin, Willenskraft, Durchhaltevermögen, mentale und körperliche Stärke benötigen. Sich mit sich selbst und seinen Grenzen auseinanderzusetzen, diese zu überschreiten, um zu sehen wo sie überhaupt liegen, ist ein spannender Prozess, der wertvolle Grundlagen für das Leben und seine Herausforderungen trainiert: Selbstwert, Optimismus, Vertrauen und Mut.

Das Reizvollste am Risiko bzw. an Gefahr für dich ist…

Das Vertrauen und das Wissen, dass ich durch die Erfahrung lernen und wachsen werde - also besser, schlauer und erfolgreicher werden. Risiko bedeutet ein Wagnis einzugehen, mit der Wahrscheinlichkeit zu versagen oder zu gewinnen. Wir sollten natürlich realistisch die Risiken bewerten, jedoch trotzdem mit einer gewissen Leidensfähigkeit an den Start gehen. Denn auch wenn ich versage, bekomme ich neue Informationen, weiß beim nächsten Mal wie es besser geht und somit ist der scheinbare Misserfolg nur ein kleiner Zwischenschritt zu meinem Ziel. Durch leidenschaftsloses Nichtentscheiden lebe ich mein Leben nur ab und werde Spielball der Umstände. Ich möchte mein Leben außergewöhnlich gestalten, selbst verantwortlich für mein Denken und Handeln und vor allem flexibel bei Veränderungen und Herausforderungen sein. Diese Stärke trainiere ich, indem ich mich immer wieder selbst herausfordere und dabei auf den Prozess vertraue.

Miriam Höller with burning wings
Burning wings: The trademark of stuntwoman Miriam Höller
Bildcredit:
Laurent Ziegler

Miriam Höller: Sport als Ventil für Verarbeitung

Du hattest in deinem Leben bereits traumatischere Erlebnisse zu verarbeiten als viele andere Menschen. Wie gehst du heute mit Rückschlägen um?
In jedem vermeintlichen Rückschlag sind sehr viele Botschaften und Lehren versteckt. Mit Sicherheit habe ich ein Stück meiner jugendlichen Leichtigkeit verloren, doch ich habe eine sehr wertvolle Bewusstheit erlangt. Die Miriam von damals dachte, sie kann leichtfüßig das Leben erobern und hat gleichzeitig so viel Zeit verloren, beim Ärgern über Dinge, die sie nicht ändern kann. Die Miriam heute muss die Welt nicht mehr erobern, nur ihr eigenes kleines Universum liebevoll und bewusst gestalten und somit ihr Umfeld damit bereichern. Ich weiß mich, mein Leben, die Zeit und die Menschen um mich herum heute viel mehr zu schätzen und gehe auch konsequenter und behutsamer damit um.

Wie hat Sport dir geholfen, Unfälle und traumatische Erlebnisse zu überwinden und mit ihnen umzugehen?

Sport ist ein sehr kraftvolles Ventil, um aufgestaute Emotionen fließen zu lassen und wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Das ist immer mein erster Schritt, wenn ich Fragen habe und Antworten finden will. Jedoch konnte ich nicht in der Natur Sport machen, da ich monatelang an den Rollstuhl und die Krücken gebunden war. Somit musste ich den Spieß umdrehen und mir mentale Muskeln antrainieren. Ich wollte so gerne wegrennen vor all dem Schmerz, doch es ging nicht und so sah ich es als Herausforderung mich der Situation zu stellen und als Chance daran zu wachsen. Ich setzte mir utopische Ziele und „quälte“ mich mit Bergsteiger- und Tanzfilmen.

Ich trotzte den Aussagen der Ärzte, dass ich nie wieder richtig gehen werde. Ich wollte den Bogen mehr und mehr auf Spannung bringen, bis ich den Pfeil abschießen und das körperliche Training beginnen kann, welches mich zu meinem Ziel bringt, doch wieder klettern und tanzen zu können. Als ich dann schließlich mit leichtem Sport begann, spürte ich, dass die vielen Emotionen und vor allem die Wut auf das Leben und mir selbst gegenüber eine echte Kraftquelle bedeuten. Ich pushte mich über meine Schmerz- und Leistungsgrenzen hinaus und verstand sehr schnell, das ich alleine entscheide, zu wie viel ich in der Lage bin.

Miriam Höllers zweite Karriere: Speakerin

Welche Rolle spielt Sport und Action heute in deinem Leben? Wie gehst du mit körperlichen Einschränkungen um?

Meine Karriere als Stuntfrau war mit meinem Unfall beendet. Lange war es mein Antrieb wieder so fit zu werden, um ein großes Comeback zu feiern. Doch ich vertraue auf das Leben, dass es mich mit jeder Herausforderung neu ausrichten und meinen Fokus auf wertvollere und in dem neuen Lebensabschnitt zu meiner Stärke passendere Aufgaben legt. Ich habe begonnen meine Geschichte in Vorträgen zu erzählen. Eine zusätzliche Motivation war es Menschen zu beweisen, dass man nach schweren Rückschlägen wieder glücklich, gesund und erfolgreich werden kann, wenn man akzeptiert, neu fokussiert, trainiert, wieder gestaltet und vertraut. Mein Ziel ist es Menschen in den Mittelpunkt zu stellen und zu motivieren trotz schwerer Rückschläge, körperlichen Einschränkungen oder dem Gefühl der Ohnmacht, das Vertrauen in sich selbst, in das Leben und den Prozess wiederzufinden.

Miriam Höller works as a speaker to motivate others by telling her story.
Bildcredit:
Ronny Barthel

Vernünftiger Umgang mit Risiken - ohne sich einzuschränken

Wie kann man vernünftig mit Risiken umgehen ohne sich von Angst lähmen zu lassen?

Es gibt sinnvolle und nicht sinnvolle Ängste. Unsere Aufgabe liegt darin, Ängste richtig einzuschätzen. Jede Angst, die mir Chancen nehmen könnte oder mich in meiner Lebensqualität einschränkt, wird direkt von mir wahrgenommen, analysiert und beiseite geräumt. Ich will nicht in die „Ach hätte ich mal..“-Falle tappen. Ich will frei, leidenschaftlich und wild leben. Und das geht nur, wenn ich mich meinen Ängsten stelle. Wir weichen gerne Ängsten aus, weil sie unangenehm sind und Arbeit bedeuten, doch unsere Ängste sind die größten und wertvollsten Chancen unserer Entwicklung.

Miriam Höller speaks at an event in front of thousands of listeners
As a speaker, too, you have to overcome fear: Miriam Höller in front of thousands of listeners
Bildcredit:
Greator - Dominik Pfau

Miriam Höllers Tipps für Teams und Sportler

Du bist Chefin eines eigenen Stunt-Teams. Wie gehst du als Chefin mit dem Thema Risiko und Gefahr um?

Stuntarbeit bedeutet in erster Linie Teamarbeit und basiert auf höchstem Vertrauen. Mein Team ist zusammengestellt aus professionellen Leuten, denen ich zu 100 Prozent vertraue und auch muss. Mein voller Fokus liegt auf dem Projekt und der Sicherheit des Teams, das verlange ich auch von meinen Leuten und wir leben es gemeinsam. Sonst wären wir kein Team. Unsere Verbindung ist die Faszination für das Risiko welches wir gerne eingehen, um besondere Lebensmomente zu erleben und persönlich, wie auch im Team zu wachsen. Wir sind Nerds des Lebens. Uns verbinden Situationen und Emotionen, in denen wir füreinander einstehen, Verantwortung übernehmen und scheinbar Unmögliches möglich machen, nur weil Expertisen zusammen kommen und gemeinsam umgesetzt werden.

Welche Hacks kannst du Sportlern oder Sportlerinnen verraten, wenn es um Risikomanagement und den Umgang mit der eigenen Angst geht?

Wir sind selbst für unser Glück, unsere Erfolg und unseren Wachstum verantwortlich. Nur wer aus der passiven Rolle in die aktive Rolle wechselt, Verantwortung für sich und sein Leben übernimmt, wird genau das Leben führen welches er sich wünscht und sein, wer er sein will. Das größte Risiko liegt darin, nicht das Leben gelebt zu haben, welches man sich vorgestellt hat, nicht das erreicht zu haben, was man als Ziel fixiert hat und Chancen nicht genutzt hat, die einem vor die Füße gefallen sind. Um sich selbst niemals etwas vorwerfen zu können, ist der einzige Weg das Risiko einzugehen und das Scheitern in Kauf zu nehmen. Je bewusster wir uns darüber sind, wer wir sind, was wir wollen und dass der Prozess Wachstum bedeutet, desto klarer und konsequenter treffen wir Entscheidungen, gehen einfacher mit Misserfolg um und desto größer ist unsere Lebensenergie.

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