Eines vorweg: ich bin glühender Anhänger des FC Bayern München. Ich mochte Mehmet Scholl als Spieler, und ich mag ihn als Experten. Auch Oliver Kahn macht in meinen Augen wirklich gute Analysen.
Aktuell ist eine Debatte um die Gehälter von Scholl und Kahn entbrannt, bei der es auf allen Seiten viel Empörung gibt. Kurz zum Stand: Der Branchendienst Kress hatte gemeldet, dass Mehmet Scholl und Oliver Kahn bis zu 50.000 Euro Honorar/Gehalt für eine Sendung bekommen, was sich auf bis zu 1,6 Millionen Euro im Jahr aufsummieren würde. Dem widersprachen sowohl Scholl als auch Kahn, vor allem aber auch ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky.
1,6 Millionen? ARD will sich zu Scholl-Honorar nicht äußern
„Generell werden wir uns zu vertraglichen Inhalten unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht äußern. Nur so viel: Auch diese derzeit im Raum stehenden Summen entsprechen nicht annähernd der Realität und entbehren jedweder Grundlage", sagte Balkausky.
Für meine Begriffe kann beziehungsweise sollte sich ein Vertreter von ARD und ZDF nicht einfach so aus der Affäre stehlen.
Zwangsabgaben fürs Gehalt der Fußball-Experten Kahn und Scholl
ARD und ZDF unterliegen anderen Kriterien als die privaten Sender oder Pay-TV. Die öffentlich-rechtlichen Sender sind an den Rundfunkstaatsvertrag gebunden. Dieser ist die Basis dafür, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk über Gebührengelder finanziert wird. Darin heißt es unter Artikel 14: „Der Finanzbedarf des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wird regelmäßig entsprechend den Grundsätzen von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, einschließlich der damit verbundenen Rationalisierungspotentiale... geprüft und ermittelt.“
Seit 2013 gibt es den „Rundfunkbeitrag“, der die Haushalte in Deutschland verpflichtet, diese Gebühr zu bezahlen. ARD und ZDF finanzieren ihr Programm also zu Teilen von Zwangs-Beiträgen. Wichtig hier: Es sind keine Steuergelder. Es sind direkte Beiträge.
Hochbezahlte Fußball-Experten Scholl und Kahn beeinflussen Quote nicht
Zurück zum aktuellen Fall. Die Verantwortlichen der Sender argumentieren gerne damit, dass sie auch teure Entertainer ins Programm holen müssen, um dieses attraktiv zu machen. In der Tat ist Unterhaltung auch im Rundfunkstaatsvertrag unter den Aufgaben festgeschrieben. So gab es schon bei Thomas Gottschalk große Diskussionen rund ums Gehalt für „Wetten dass..?“. Ich finde aber, TV-Experten wie Scholl und Kahn sind etwas anderes als Showmaster. Warum?
- ARD und ZDF zahlen für die EM-Rechte 160 Millionen Euro. Damit haben sie einen sehr attraktiven Part im Programm, der höchste Einschaltquoten sichert. Diese Rechte müssen anders als bei den Privatsendern von den Gebührengeldern mit bezahlt werden, da im öffentlich-rechtlichen Rundfunk in der Woche ab 20:00 Uhr und am Wochenende gar keine Werbung mehr gezeigt werden darf – hier fallen also Einnahmen zur Refinanzierung weg. Es ist durch die Rechtsexklusivität bei EM-Spielen davon auszugehen, dass die Quote weder von einem Kommentator noch von Experten signifikant nach oben oder unten beeinflusst wird.
- Somit reden wir ausschließlich über die Attraktivität bzw. die Qualität des Programms. Ex-Fußballprofis mit ihrem Wissen sind ganz sicher gute Experten. Dies gilt für Mehmet Scholl. Das gilt in meinen Augen auch für Eric Mejer bei Sky in der Champions League. Es gibt also keinen Grund, auf solche Experten zu verzichten. Bin ich dabei. Wir sprechen hier aber über die Höhe des Gehalts von Mehmet Scholl und Oliver Kahn. Nur darum geht es. Und genau damit müssen ARD und ZDF anders umgehen als Privatsender, die ihr Programm nur durch Werbung oder beim Pay-TV zusätzlich durch freiwillige Gebühren finanzieren.
- Mehmet Scholl und Oliver Kahn waren Bestverdiener im deutschen Fußball. Heute haben sie genau zwei attraktive Verdienstmöglichkeiten: TV-Experte oder Werbefigur. Das eine beeinflusst das andere, denn Marken wollen Promis, die auf der Bildfläche erscheinen. Jede Minute bei ARD und ZDF steigert den Werbewert von Scholl & Kahn. Für die beiden lohnt sich das Engagement also doppelt. Zum einen erzielen sie hohe Einnahmen rein durch das TV-Engagement als Experte. Gleichzeitig gewinnen sie als Testimonials an Wert.
- An dieser Stelle ist die Frage zu stellen, ob ARD und ZDF diesen Effekt auch noch durch hohe Honorarzahlungen unterstützen wollen – und dies finanziert durch eine Zwangsabgabe. Ich halte das moralisch und im Sinne des Rundfunkstaatsvertrages für bedenklich. Vielmehr bieten ARD und ZDF bei einer EM eine hochexklusive Bühne, die Experten wie Scholl und Kahn nur zu gerne betreten. Die Alternative wäre für Ex-Profis weniger Bildfläche. Ist also eigentlich keine.
- Nun sind die Höhen der Honorare bislang unklar. Dennoch ist davon auszugehen, dass die Dimensionen weit über denen liegen, die die Sender ihren sonstigen Angestellten als Gehalt zahlen. Die Frage ist: Woran müssen sich ARD und ZDF orientieren? An den hohen Honorarforderung von Fußballmillionären oder am Rundfunkstaatsvertrag und dem Diktat von Sparsamkeit. Ich denke, letzteres. Und noch einmal: ARD und ZDF haben bereits 160 Millionen Euro für die Rechte ausgegeben.
- Ich bin mir sicher, dass ARD und ZDF auch Experten finden würden, die nicht auf „Champions-League-Niveau" bezahlt werden. Holger Stanislawski, Simon Rolfes und Sebastian Kehl werden sicher nicht annähernd hohe Summen bekommen. Ciriaco Sforza ließ kürzlich verlauten, er hätte für einen EM-Auftritt im ZDF 3.000 Euro plus Reisekosten (in Summe ca. 10.000 Euro) bekommen.
Deckelung der Gehälter für Experten bei ARD und ZDF
Ich glaube, dass ARD und ZDF in diesen Fragen nach ein paar Prinzipien agieren müssen. Zum einen wäre für meine Begriffe eine verbindliche Deckelung der Honorare für Tätigkeiten wie von Scholl und Kahn sinnvoll. Wenn ARD und ZDF Dienstleister beauftragen, dann ist das Prozedere auch von Regularien und Kostenkontrolle bestimmt. Diese Obergrenzen könnten auch transparent dargelegt werden. Damit ließe sich das in dieser Sache größte Dilemma beseitigen: Der Vertrauensverlust.
Im Sinne der Krisenkommunikation ist es schon verwegen, sich öffentlich zu empören über die Summen, die im Raum stehen, selbst aber klar zu sagen, man würde dazu keine Fakten beisteuern. Damit macht Herr Balkausky die Sender zu einer zwangsabgabenfinanzierten Blackbox. Dies sollten ARD und ZDF schleunigst ändern. Zum anderen wären dann auch die Höchstgrenzen klar, wenn zukünftige Experten wie Philipp Lahm kommen, die vielleicht sogar noch mehr Verdienst als Scholl & Kahn gewohnt sind.
Das ist der Autor: Christian Henne
Christian Henne (41) studierte an der Deutschen Sporthochschule Sport, Publizistik & Ökonomie. Heute berät er mit HenneDigital Unternehmen in der digitalen Kommunikation und ist Mitgesellschafter des MUNICH DIGITAL INSTITUTE. Bei Gastbeiträgen handelt es sich um die Meinung des jeweiligen Gastautors, nicht um die Meinung von ISPO.
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